Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_192.001 Wie die Passionsgeschichte vergegenwärtigte man später auch pwo_192.007 Ein weiterer Schritt zur Bereicherung geschah durch Emanzipation pwo_192.014 Jn Deutschland finden wir jedenfalls während des 11. Jahrhunderts pwo_192.022 Eine Handschrift des 13. Jahrhunderts bietet dramatisiert die pwo_192.033 pwo_192.001 Wie die Passionsgeschichte vergegenwärtigte man später auch pwo_192.007 Ein weiterer Schritt zur Bereicherung geschah durch Emanzipation pwo_192.014 Jn Deutschland finden wir jedenfalls während des 11. Jahrhunderts pwo_192.022 Eine Handschrift des 13. Jahrhunderts bietet dramatisiert die pwo_192.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0206" n="192"/><lb n="pwo_192.001"/> die verbindende Erzählung gelangte durch einen Darsteller des <lb n="pwo_192.002"/> Evangelisten zum Vortrag, Dazu gesellte sich bald Bewegung: ein <lb n="pwo_192.003"/> Kommen und Gehen, sowie scenische Ausgestaltung: Räuchern sowie <lb n="pwo_192.004"/> Uebergabe der Grabtücher an die Apostel Petrus und Johannes – <lb n="pwo_192.005"/> und das geistliche Spiel war vollendet.</p> <lb n="pwo_192.006"/> <p> Wie die Passionsgeschichte vergegenwärtigte man später auch <lb n="pwo_192.007"/> andere bedeutsame Abschnitte des Neuen, schließlich selbst des Alten <lb n="pwo_192.008"/> Testamentes. Zunächst im engen Anschluß an die Worte der Bibel, <lb n="pwo_192.009"/> alsdann mit Ausgestaltung einzelner, zur Kleinmalerei herausfordernder <lb n="pwo_192.010"/> Scenen. Zunächst durchweg lateinisch, alsdann mit Einmischung <lb n="pwo_192.011"/> der Volkssprache, schließlich auch ganz in ihr, d. h. also nun deutsch <lb n="pwo_192.012"/> bezw. englisch oder romanisch.</p> <lb n="pwo_192.013"/> <p> Ein weiterer Schritt zur Bereicherung geschah durch Emanzipation <lb n="pwo_192.014"/> von dem biblischen Bericht. Die so verselbständigten geistlichen <lb n="pwo_192.015"/> Spiele (<hi rendition="#aq">ludi</hi>) beschränken sich nun nicht mehr auf <hi rendition="#g">Mysterien</hi> aus <lb n="pwo_192.016"/> der biblischen Geschichte, sie bieten auch <hi rendition="#g">Mirakel</hi> aus der Heiligenlegende. <lb n="pwo_192.017"/> Dazu gesellen sich später, unter selbständiger Heraushebung <lb n="pwo_192.018"/> der stark anschwellenden allegorischen Einschaltungen, <hi rendition="#g">Moralitäten.</hi> <lb n="pwo_192.019"/> Zur klaren Scheidung dieser drei Arten kommt es besonders in <lb n="pwo_192.020"/> Frankreich.</p> <lb n="pwo_192.021"/> <p> Jn Deutschland finden wir jedenfalls während des 11. Jahrhunderts <lb n="pwo_192.022"/> zwei lateinische Dreikönigsspiele. Der Zeit Barbarossas <lb n="pwo_192.023"/> gehört das Osterspiel eines bayrischen Mönches von Tegernsee an. <lb n="pwo_192.024"/> Dieser <hi rendition="#aq">Ludus paschalis de adventu et interitu Antichristi</hi> <lb n="pwo_192.025"/> arbeitet bereits stark mit allegorischen Elementen. Vorangeht eine <lb n="pwo_192.026"/> Debatte zwischen dem Heidentum, der Synagoge (dem Judentum) <lb n="pwo_192.027"/> und der Kirche (dem Christentum). Der Kaiser unterwirft alle Völker; <lb n="pwo_192.028"/> aber der Antichrist macht sich zum Gott der Erdenvölker: die Deutschen <lb n="pwo_192.029"/> haben mit der Waffe gesiegt, erliegen jedoch durch Betrug. <lb n="pwo_192.030"/> Nun verfolgt der Antichrist die Kirche, bis ihn ein Blitzstrahl tötet. <lb n="pwo_192.031"/> So kehrt die Menschheit zur wahren Kirche zurück.</p> <lb n="pwo_192.032"/> <p> Eine Handschrift des 13. Jahrhunderts bietet dramatisiert die <lb n="pwo_192.033"/> Leiden Christi mit einzelnen deutschen Strophen. Vereinzelt steht im <lb n="pwo_192.034"/> Anfang desselben Jahrhunderts schon ein völlig deutsches Passionsspiel <lb n="pwo_192.035"/> da. Sonst bleiben die geistlichen Spiele bis gegen Mitte des 14. Jahrhunderts <lb n="pwo_192.036"/> meist gemischtsprachig. Neutestamentliche Darstellungen herrschen </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0206]
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die verbindende Erzählung gelangte durch einen Darsteller des pwo_192.002
Evangelisten zum Vortrag, Dazu gesellte sich bald Bewegung: ein pwo_192.003
Kommen und Gehen, sowie scenische Ausgestaltung: Räuchern sowie pwo_192.004
Uebergabe der Grabtücher an die Apostel Petrus und Johannes – pwo_192.005
und das geistliche Spiel war vollendet.
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Wie die Passionsgeschichte vergegenwärtigte man später auch pwo_192.007
andere bedeutsame Abschnitte des Neuen, schließlich selbst des Alten pwo_192.008
Testamentes. Zunächst im engen Anschluß an die Worte der Bibel, pwo_192.009
alsdann mit Ausgestaltung einzelner, zur Kleinmalerei herausfordernder pwo_192.010
Scenen. Zunächst durchweg lateinisch, alsdann mit Einmischung pwo_192.011
der Volkssprache, schließlich auch ganz in ihr, d. h. also nun deutsch pwo_192.012
bezw. englisch oder romanisch.
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Ein weiterer Schritt zur Bereicherung geschah durch Emanzipation pwo_192.014
von dem biblischen Bericht. Die so verselbständigten geistlichen pwo_192.015
Spiele (ludi) beschränken sich nun nicht mehr auf Mysterien aus pwo_192.016
der biblischen Geschichte, sie bieten auch Mirakel aus der Heiligenlegende. pwo_192.017
Dazu gesellen sich später, unter selbständiger Heraushebung pwo_192.018
der stark anschwellenden allegorischen Einschaltungen, Moralitäten. pwo_192.019
Zur klaren Scheidung dieser drei Arten kommt es besonders in pwo_192.020
Frankreich.
pwo_192.021
Jn Deutschland finden wir jedenfalls während des 11. Jahrhunderts pwo_192.022
zwei lateinische Dreikönigsspiele. Der Zeit Barbarossas pwo_192.023
gehört das Osterspiel eines bayrischen Mönches von Tegernsee an. pwo_192.024
Dieser Ludus paschalis de adventu et interitu Antichristi pwo_192.025
arbeitet bereits stark mit allegorischen Elementen. Vorangeht eine pwo_192.026
Debatte zwischen dem Heidentum, der Synagoge (dem Judentum) pwo_192.027
und der Kirche (dem Christentum). Der Kaiser unterwirft alle Völker; pwo_192.028
aber der Antichrist macht sich zum Gott der Erdenvölker: die Deutschen pwo_192.029
haben mit der Waffe gesiegt, erliegen jedoch durch Betrug. pwo_192.030
Nun verfolgt der Antichrist die Kirche, bis ihn ein Blitzstrahl tötet. pwo_192.031
So kehrt die Menschheit zur wahren Kirche zurück.
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Eine Handschrift des 13. Jahrhunderts bietet dramatisiert die pwo_192.033
Leiden Christi mit einzelnen deutschen Strophen. Vereinzelt steht im pwo_192.034
Anfang desselben Jahrhunderts schon ein völlig deutsches Passionsspiel pwo_192.035
da. Sonst bleiben die geistlichen Spiele bis gegen Mitte des 14. Jahrhunderts pwo_192.036
meist gemischtsprachig. Neutestamentliche Darstellungen herrschen
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