Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_235.001 Und, Benedikt, lieb' immer, so gewöhn' ich pwo_235.002 pwo_235.007Mein wildes Herz an deine teure Hand! pwo_235.003 Sei treu, und, Liebster, deine Treue krön' ich pwo_235.004 Und unsre Herzen bind' ein heilig Band! pwo_235.005 Man sagt, du bist es wert, und ich kann schwören: pwo_235.006 Jch wußt' es schon, und besser als vom Hören!" Wiederum beruht die heitere Wirkung auf dem Gefühl des Gegensatzes. pwo_235.008 "Habe ich denn mein Gehirn in der Sonne gehabt und es pwo_235.012 Aber "demungeachtet" läßt ihn der Dichter ermuntern, "guter Dinge" pwo_235.017 Shakespeare giebt uns nach alledem nicht nur die Freude an pwo_235.020 Nicht außer Acht darf bleiben, daß Shakespeare auch im ernsten pwo_235.027 pwo_235.001 Und, Benedikt, lieb' immer, so gewöhn' ich pwo_235.002 pwo_235.007Mein wildes Herz an deine teure Hand! pwo_235.003 Sei treu, und, Liebster, deine Treue krön' ich pwo_235.004 Und unsre Herzen bind' ein heilig Band! pwo_235.005 Man sagt, du bist es wert, und ich kann schwören: pwo_235.006 Jch wußt' es schon, und besser als vom Hören!“ Wiederum beruht die heitere Wirkung auf dem Gefühl des Gegensatzes. pwo_235.008 „Habe ich denn mein Gehirn in der Sonne gehabt und es pwo_235.012 Aber „demungeachtet“ läßt ihn der Dichter ermuntern, „guter Dinge“ pwo_235.017 Shakespeare giebt uns nach alledem nicht nur die Freude an pwo_235.020 Nicht außer Acht darf bleiben, daß Shakespeare auch im ernsten pwo_235.027 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0249" n="235"/> <lb n="pwo_235.001"/> <lg> <l>Und, Benedikt, lieb' immer, so gewöhn' ich</l> <lb n="pwo_235.002"/> <l>Mein wildes Herz an deine teure Hand!</l> <lb n="pwo_235.003"/> <l>Sei treu, und, Liebster, deine Treue krön' ich</l> <lb n="pwo_235.004"/> <l>Und unsre Herzen bind' ein heilig Band!</l> <lb n="pwo_235.005"/> <l>Man sagt, du bist es wert, und ich kann schwören:</l> <lb n="pwo_235.006"/> <l>Jch wußt' es schon, und besser als vom Hören!“</l> </lg> <lb n="pwo_235.007"/> <p>Wiederum beruht die heitere Wirkung auf dem Gefühl des Gegensatzes. <lb n="pwo_235.008"/> Oft führt der Verlauf der Handlung die komischen Hauptfiguren <lb n="pwo_235.009"/> wenigstens zur Beschämung. Das ist selbst der Ausklang <lb n="pwo_235.010"/> eines Falstaff:</p> <lb n="pwo_235.011"/> <p> <hi rendition="#et">„Habe ich denn mein Gehirn in der Sonne gehabt und es <lb n="pwo_235.012"/> getrocknet, daß es nicht vermochte, einer so groben Uebertölpelung <lb n="pwo_235.013"/> zu begegnen? ... Nun ja, ich bin euer Text, und <lb n="pwo_235.014"/> ihr seid im Vorsprung, ich bin in der Hinterhand ... Macht <lb n="pwo_235.015"/> mit mir, was ihr wollt.“</hi> </p> <lb n="pwo_235.016"/> <p>Aber „demungeachtet“ läßt ihn der Dichter ermuntern, „guter Dinge“ <lb n="pwo_235.017"/> zu sein: die ihn gefoppt, sind in anderer Weise ebenfalls beschämt, <lb n="pwo_235.018"/> und alles klingt versöhnlich aus.</p> <lb n="pwo_235.019"/> <p> Shakespeare giebt uns nach alledem nicht nur die Freude an <lb n="pwo_235.020"/> einzelnen Narrheiten, den Genuß der heitern Seite an einzelnen Leidenschaften: <lb n="pwo_235.021"/> er giebt uns die Freude am ganzen Menschen, die heitere <lb n="pwo_235.022"/> Betrachtung einer vollen Persönlichkeit. Dabei stellt er Handlung und <lb n="pwo_235.023"/> Charakter in Wechselwirkung; doch üben die Ereignisse, ja ausdrücklich <lb n="pwo_235.024"/> angesponnene Jntriguen, mehr Einfluß auf den Charakter, als dieser <lb n="pwo_235.025"/> auf den Gang der Handlung.</p> <lb n="pwo_235.026"/> <p> Nicht außer Acht darf bleiben, daß Shakespeare auch im ernsten <lb n="pwo_235.027"/> Drama komische Figuren verwendet. Vor allem erschien Falstaff <lb n="pwo_235.028"/> früher als in den „Lustigen Weibern“ bereits in „Heinrich <hi rendition="#aq">IV</hi>.“ <lb n="pwo_235.029"/> Daneben geht die Figur des Narren durch, die man im edleren Sinne <lb n="pwo_235.030"/> als den Arlecchino die Verkörperung des komischen Wesens nennen <lb n="pwo_235.031"/> muß: wie er, auch wo ihm eine bitter ernste Absicht vorschwebt, allen <lb n="pwo_235.032"/> Dingen dieser Welt die heitere Gegenseite abzugewinnen weiß, stellt <lb n="pwo_235.033"/> er unmittelbar vor, was die Seele des Lustspiels ausmacht, und <lb n="pwo_235.034"/> repräsentiert somit andauernd im Trauerspiel die Funktion des Lustspiels. <lb n="pwo_235.035"/> Damit benimmt er dem Weltbild die Einseitigkeit, indem er </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0249]
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Und, Benedikt, lieb' immer, so gewöhn' ich pwo_235.002
Mein wildes Herz an deine teure Hand! pwo_235.003
Sei treu, und, Liebster, deine Treue krön' ich pwo_235.004
Und unsre Herzen bind' ein heilig Band! pwo_235.005
Man sagt, du bist es wert, und ich kann schwören: pwo_235.006
Jch wußt' es schon, und besser als vom Hören!“
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Wiederum beruht die heitere Wirkung auf dem Gefühl des Gegensatzes. pwo_235.008
Oft führt der Verlauf der Handlung die komischen Hauptfiguren pwo_235.009
wenigstens zur Beschämung. Das ist selbst der Ausklang pwo_235.010
eines Falstaff:
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„Habe ich denn mein Gehirn in der Sonne gehabt und es pwo_235.012
getrocknet, daß es nicht vermochte, einer so groben Uebertölpelung pwo_235.013
zu begegnen? ... Nun ja, ich bin euer Text, und pwo_235.014
ihr seid im Vorsprung, ich bin in der Hinterhand ... Macht pwo_235.015
mit mir, was ihr wollt.“
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Aber „demungeachtet“ läßt ihn der Dichter ermuntern, „guter Dinge“ pwo_235.017
zu sein: die ihn gefoppt, sind in anderer Weise ebenfalls beschämt, pwo_235.018
und alles klingt versöhnlich aus.
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Shakespeare giebt uns nach alledem nicht nur die Freude an pwo_235.020
einzelnen Narrheiten, den Genuß der heitern Seite an einzelnen Leidenschaften: pwo_235.021
er giebt uns die Freude am ganzen Menschen, die heitere pwo_235.022
Betrachtung einer vollen Persönlichkeit. Dabei stellt er Handlung und pwo_235.023
Charakter in Wechselwirkung; doch üben die Ereignisse, ja ausdrücklich pwo_235.024
angesponnene Jntriguen, mehr Einfluß auf den Charakter, als dieser pwo_235.025
auf den Gang der Handlung.
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Nicht außer Acht darf bleiben, daß Shakespeare auch im ernsten pwo_235.027
Drama komische Figuren verwendet. Vor allem erschien Falstaff pwo_235.028
früher als in den „Lustigen Weibern“ bereits in „Heinrich IV.“ pwo_235.029
Daneben geht die Figur des Narren durch, die man im edleren Sinne pwo_235.030
als den Arlecchino die Verkörperung des komischen Wesens nennen pwo_235.031
muß: wie er, auch wo ihm eine bitter ernste Absicht vorschwebt, allen pwo_235.032
Dingen dieser Welt die heitere Gegenseite abzugewinnen weiß, stellt pwo_235.033
er unmittelbar vor, was die Seele des Lustspiels ausmacht, und pwo_235.034
repräsentiert somit andauernd im Trauerspiel die Funktion des Lustspiels. pwo_235.035
Damit benimmt er dem Weltbild die Einseitigkeit, indem er
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