Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_245.001 pwo_245.009 § 96. pwo_245.010 pwo_245.011Die ursprüngliche Einförmigkeit des Dichtergeistes. Trotzdem somit von früher Zeit verschiedene bedeutsame Kräfte pwo_245.012 Der unmittelbaren, dauernden Anschauung am nächsten halten pwo_245.018 Nicht minder bezeugen die ursprüngliche Einförmigkeit des Dichtergeistes pwo_245.032 pwo_245.001 pwo_245.009 § 96. pwo_245.010 pwo_245.011Die ursprüngliche Einförmigkeit des Dichtergeistes. Trotzdem somit von früher Zeit verschiedene bedeutsame Kräfte pwo_245.012 Der unmittelbaren, dauernden Anschauung am nächsten halten pwo_245.018 Nicht minder bezeugen die ursprüngliche Einförmigkeit des Dichtergeistes pwo_245.032 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0259" n="245"/><lb n="pwo_245.001"/> aber in jenem eigentlichen Sinne, in welchem sich die Extreme berühren, <lb n="pwo_245.002"/> wie Licht und Schatten. Zum andern teil – und in solcher <lb n="pwo_245.003"/> Tendenz kann allein von innerer Berührung oder gar Verwandtschaft <lb n="pwo_245.004"/> die Rede sein – wird die Energie der dichterischen Phantasie in <lb n="pwo_245.005"/> manchen Genies derart potenziert, daß sie den an sich schon unbewußt <lb n="pwo_245.006"/> wirkenden Verstand und jede Rücksicht auf reale Möglichkeit zurückdrängt, <lb n="pwo_245.007"/> unterdrückt: das wäre der Punkt, auf welchem die dichterische <lb n="pwo_245.008"/> Phantasie an die irre streift, oder gar in sie übergeht.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_245.009"/> <head> <hi rendition="#c">§ 96. <lb n="pwo_245.010"/> Die ursprüngliche Einförmigkeit des Dichtergeistes.</hi> </head> <lb n="pwo_245.011"/> <p> Trotzdem somit von früher Zeit verschiedene bedeutsame Kräfte <lb n="pwo_245.012"/> in äußerster Anspannung zum dichterischen Prozeß zusammenwirken, <lb n="pwo_245.013"/> verharrt er vorerst in einer unverkennbaren <hi rendition="#g">Einförmigkeit.</hi> Wir <lb n="pwo_245.014"/> brauchen uns nur den Stil der ältesten erreichbaren Poesie zu vergegenwärtigen, <lb n="pwo_245.015"/> um zu erkennen, mit wie wenigen und einfachen Mitteln <lb n="pwo_245.016"/> der Dichtergeist zunächst operiert.</p> <lb n="pwo_245.017"/> <p> Der unmittelbaren, dauernden Anschauung am nächsten halten <lb n="pwo_245.018"/> sich die stehenden Beiwörter, jene attributiven Bestimmungen, welche <lb n="pwo_245.019"/> die fortgesetzte Handlung mit Vorliebe in partizipialer Form festhalten. <lb n="pwo_245.020"/> Schon die Auflösung dieser Attribute in aussagende Sätze schreitet zur <lb n="pwo_245.021"/> Singularisierung, zur Umsetzung der dauernden Anschauung in einmalige <lb n="pwo_245.022"/> Handlung, vor. Die Einförmigkeit geht so weit, daß die Beiwörter <lb n="pwo_245.023"/> zunächst typisch, für alle Götter, für alle Helden, für alle <lb n="pwo_245.024"/> Gegenstände derselben Vorstellungsgruppe gleichmäßig verwendet werden. <lb n="pwo_245.025"/> Erst später greift eine Differenzierung platz, nicht einmal vorherrschend <lb n="pwo_245.026"/> nach dem Charakter, oft nur nach einem äußeren Kennzeichen <lb n="pwo_245.027"/> oder doch einer hervorstechenden Einzelleistung. Auch diese <lb n="pwo_245.028"/> singulären Beiwörter bleiben in der ganzen Jugendepoche der Poesie <lb n="pwo_245.029"/> an ihren Trägern in jeder Lage, selbst in der ausgeprägt heterogenen, <lb n="pwo_245.030"/> haften.</p> <lb n="pwo_245.031"/> <p> Nicht minder bezeugen die ursprüngliche Einförmigkeit des Dichtergeistes <lb n="pwo_245.032"/> all die zahllosen formelhaften Elemente, die wir in der frühen <lb n="pwo_245.033"/> Poesie jedes Volkes fanden. Jn dieselbe Kategorie gehören offenbar <lb n="pwo_245.034"/> noch die typischen Bilder und Vergleiche für die wiederkehrenden </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [245/0259]
pwo_245.001
aber in jenem eigentlichen Sinne, in welchem sich die Extreme berühren, pwo_245.002
wie Licht und Schatten. Zum andern teil – und in solcher pwo_245.003
Tendenz kann allein von innerer Berührung oder gar Verwandtschaft pwo_245.004
die Rede sein – wird die Energie der dichterischen Phantasie in pwo_245.005
manchen Genies derart potenziert, daß sie den an sich schon unbewußt pwo_245.006
wirkenden Verstand und jede Rücksicht auf reale Möglichkeit zurückdrängt, pwo_245.007
unterdrückt: das wäre der Punkt, auf welchem die dichterische pwo_245.008
Phantasie an die irre streift, oder gar in sie übergeht.
pwo_245.009
§ 96. pwo_245.010
Die ursprüngliche Einförmigkeit des Dichtergeistes. pwo_245.011
Trotzdem somit von früher Zeit verschiedene bedeutsame Kräfte pwo_245.012
in äußerster Anspannung zum dichterischen Prozeß zusammenwirken, pwo_245.013
verharrt er vorerst in einer unverkennbaren Einförmigkeit. Wir pwo_245.014
brauchen uns nur den Stil der ältesten erreichbaren Poesie zu vergegenwärtigen, pwo_245.015
um zu erkennen, mit wie wenigen und einfachen Mitteln pwo_245.016
der Dichtergeist zunächst operiert.
pwo_245.017
Der unmittelbaren, dauernden Anschauung am nächsten halten pwo_245.018
sich die stehenden Beiwörter, jene attributiven Bestimmungen, welche pwo_245.019
die fortgesetzte Handlung mit Vorliebe in partizipialer Form festhalten. pwo_245.020
Schon die Auflösung dieser Attribute in aussagende Sätze schreitet zur pwo_245.021
Singularisierung, zur Umsetzung der dauernden Anschauung in einmalige pwo_245.022
Handlung, vor. Die Einförmigkeit geht so weit, daß die Beiwörter pwo_245.023
zunächst typisch, für alle Götter, für alle Helden, für alle pwo_245.024
Gegenstände derselben Vorstellungsgruppe gleichmäßig verwendet werden. pwo_245.025
Erst später greift eine Differenzierung platz, nicht einmal vorherrschend pwo_245.026
nach dem Charakter, oft nur nach einem äußeren Kennzeichen pwo_245.027
oder doch einer hervorstechenden Einzelleistung. Auch diese pwo_245.028
singulären Beiwörter bleiben in der ganzen Jugendepoche der Poesie pwo_245.029
an ihren Trägern in jeder Lage, selbst in der ausgeprägt heterogenen, pwo_245.030
haften.
pwo_245.031
Nicht minder bezeugen die ursprüngliche Einförmigkeit des Dichtergeistes pwo_245.032
all die zahllosen formelhaften Elemente, die wir in der frühen pwo_245.033
Poesie jedes Volkes fanden. Jn dieselbe Kategorie gehören offenbar pwo_245.034
noch die typischen Bilder und Vergleiche für die wiederkehrenden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |