F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.werden, und wer ist der nächsten Minute Meister? Fürchten Sie übrigens nicht, fügte er mit angenommener Besorgniß hinzu, sich hier zu erkälten? Es ist so eben erst Feuer im Kamin angefacht. -- Bei dieser kleinen Unverschämtheit stieg mir das Blut ins Gesicht, aber mich fassend, war meine sanfte Erwiderung: Ich bin auf zu guten Wegen, als daß Ihre Bemerkung mir wehe thun könnte. O, R., folgen Sie wenigstens bei dieser Angelegenheit der Stimme Ihres Herzens; ist denn so viel an Klugheit, an Eigenwillen gelegen, daß darüber Alles zu Grunde gehen muß? Es scheint überflüssig, daß ich es ausspreche, wie ganz schuldlos Sophie ist, aber wäre sie es auch nicht, dürften Sie so strenge richten? Gedenken Sie Ihrer eigenen Vergangenheit! Mir traten Thränen ins Auge: Ich kann nichts mehr sagen, handeln Sie, wie Sie dereinst hoffen, es verantworten zu können. Ueber mein Dasein sind manche Stürme gezogen, seit Ludwig nicht mehr ist, aber mein Auge kann frei zum Himmel emporblicken, wo ich ihn suche. Wohl Ihnen, wenn auch Sie das vermögen! -- Rücksichtlich Ihrer kann ich das allerdings, denn wenn Sie jemals des Rathes, der Hülfe bedürften, würden Sie bei mir beides und die Gesinnung des treusten Bruders finden. -- Ich habe die Güte Ihres Herzens nie in Zweifel gezogen, aber warum solche für mögliche Fälle geltend machen wollen, und nicht da sie zeigen, wo der Augenblick es erheischt? Welche Antwort darf ich Sophien bringen? werden, und wer ist der nächsten Minute Meister? Fürchten Sie übrigens nicht, fügte er mit angenommener Besorgniß hinzu, sich hier zu erkälten? Es ist so eben erst Feuer im Kamin angefacht. — Bei dieser kleinen Unverschämtheit stieg mir das Blut ins Gesicht, aber mich fassend, war meine sanfte Erwiderung: Ich bin auf zu guten Wegen, als daß Ihre Bemerkung mir wehe thun könnte. O, R., folgen Sie wenigstens bei dieser Angelegenheit der Stimme Ihres Herzens; ist denn so viel an Klugheit, an Eigenwillen gelegen, daß darüber Alles zu Grunde gehen muß? Es scheint überflüssig, daß ich es ausspreche, wie ganz schuldlos Sophie ist, aber wäre sie es auch nicht, dürften Sie so strenge richten? Gedenken Sie Ihrer eigenen Vergangenheit! Mir traten Thränen ins Auge: Ich kann nichts mehr sagen, handeln Sie, wie Sie dereinst hoffen, es verantworten zu können. Ueber mein Dasein sind manche Stürme gezogen, seit Ludwig nicht mehr ist, aber mein Auge kann frei zum Himmel emporblicken, wo ich ihn suche. Wohl Ihnen, wenn auch Sie das vermögen! — Rücksichtlich Ihrer kann ich das allerdings, denn wenn Sie jemals des Rathes, der Hülfe bedürften, würden Sie bei mir beides und die Gesinnung des treusten Bruders finden. — Ich habe die Güte Ihres Herzens nie in Zweifel gezogen, aber warum solche für mögliche Fälle geltend machen wollen, und nicht da sie zeigen, wo der Augenblick es erheischt? Welche Antwort darf ich Sophien bringen? <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0076"/> werden, und wer ist der nächsten Minute Meister? Fürchten Sie übrigens nicht, fügte er mit angenommener Besorgniß hinzu, sich hier zu erkälten? Es ist so eben erst Feuer im Kamin angefacht. — Bei dieser kleinen Unverschämtheit stieg mir das Blut ins Gesicht, aber mich fassend, war meine sanfte Erwiderung: Ich bin auf zu guten Wegen, als daß Ihre Bemerkung mir wehe thun könnte. O, R., folgen Sie wenigstens bei dieser Angelegenheit der Stimme Ihres Herzens; ist denn so viel an Klugheit, an Eigenwillen gelegen, daß darüber Alles zu Grunde gehen muß? Es scheint überflüssig, daß ich es ausspreche, wie ganz schuldlos Sophie ist, aber wäre sie es auch nicht, dürften Sie so strenge richten? Gedenken Sie Ihrer eigenen Vergangenheit! Mir traten Thränen ins Auge: Ich kann nichts mehr sagen, handeln Sie, wie Sie dereinst hoffen, es verantworten zu können. Ueber mein Dasein sind manche Stürme gezogen, seit Ludwig nicht mehr ist, aber mein Auge kann frei zum Himmel emporblicken, wo ich ihn suche. Wohl Ihnen, wenn auch Sie das vermögen! — Rücksichtlich Ihrer kann ich das allerdings, denn wenn Sie jemals des Rathes, der Hülfe bedürften, würden Sie bei mir beides und die Gesinnung des treusten Bruders finden. — Ich habe die Güte Ihres Herzens nie in Zweifel gezogen, aber warum solche für mögliche Fälle geltend machen wollen, und nicht da sie zeigen, wo der Augenblick es erheischt? Welche Antwort darf ich Sophien bringen?<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
werden, und wer ist der nächsten Minute Meister? Fürchten Sie übrigens nicht, fügte er mit angenommener Besorgniß hinzu, sich hier zu erkälten? Es ist so eben erst Feuer im Kamin angefacht. — Bei dieser kleinen Unverschämtheit stieg mir das Blut ins Gesicht, aber mich fassend, war meine sanfte Erwiderung: Ich bin auf zu guten Wegen, als daß Ihre Bemerkung mir wehe thun könnte. O, R., folgen Sie wenigstens bei dieser Angelegenheit der Stimme Ihres Herzens; ist denn so viel an Klugheit, an Eigenwillen gelegen, daß darüber Alles zu Grunde gehen muß? Es scheint überflüssig, daß ich es ausspreche, wie ganz schuldlos Sophie ist, aber wäre sie es auch nicht, dürften Sie so strenge richten? Gedenken Sie Ihrer eigenen Vergangenheit! Mir traten Thränen ins Auge: Ich kann nichts mehr sagen, handeln Sie, wie Sie dereinst hoffen, es verantworten zu können. Ueber mein Dasein sind manche Stürme gezogen, seit Ludwig nicht mehr ist, aber mein Auge kann frei zum Himmel emporblicken, wo ich ihn suche. Wohl Ihnen, wenn auch Sie das vermögen! — Rücksichtlich Ihrer kann ich das allerdings, denn wenn Sie jemals des Rathes, der Hülfe bedürften, würden Sie bei mir beides und die Gesinnung des treusten Bruders finden. — Ich habe die Güte Ihres Herzens nie in Zweifel gezogen, aber warum solche für mögliche Fälle geltend machen wollen, und nicht da sie zeigen, wo der Augenblick es erheischt? Welche Antwort darf ich Sophien bringen?
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