Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

sagen können, wie Alles kommen werde. Sternheim ist der Liebling deines Vaters, was ich nie war; er ist reich, ansässig, ich bin beides nicht; er war gegenwärtig, ich abwesend; daß er gefallen kann, muß ich voraussetzen; und so erscheint es allerdings natürlich, daß ich der Verlierende sein mußte. -- Und das ist dein Ernst? Und das kannst du denken? -- Der Augenschein hat mich überzeugt. So vertraulich behandelt man Niemanden, welchen man zu lieben unfähig sein würde. Denke nicht, fuhr er, den Kopf stolz in die Höhe werfend, fort, daß ich das ganze Verhältniß unrichtig beurtheile, daß es mir einfällt, Sternheim mir gleich stellen zu wollen. Nie wird ein Anderer dir sein können, was ich dir war; du hast mich mit, gegen deinen Willen geliebt. Eigenschaften, denen du nicht zu widerstehen vermochtest, erwarben mir deine Neigung. Ich weiß sehr wohl, daß ich dir noch jetzt Alles bin, daß Sternheim gegen mich in keinen Betracht kommt, aber ich weiß auch, daß Zeit und Jahre, der Wunsch deines Vaters und manche andere Rücksichten dich bewegen könnten, eine Verbindung mit ihm einzugehen. Dieser Glaube ist mir unumstößlich geworden. -- Sophie entgegnete mit bewegter Stimme, aber großer Haltung: Was du mir mit vielleicht zu großem Selbstgefühle sagst, ist durchaus wahr; gegen dich scheint Sternheim nur nichts, du könntest eben so gut hinzusetzen, gegen dich sei mir die ganze Welt leer und unbedeutend. Ob ich

sagen können, wie Alles kommen werde. Sternheim ist der Liebling deines Vaters, was ich nie war; er ist reich, ansässig, ich bin beides nicht; er war gegenwärtig, ich abwesend; daß er gefallen kann, muß ich voraussetzen; und so erscheint es allerdings natürlich, daß ich der Verlierende sein mußte. — Und das ist dein Ernst? Und das kannst du denken? — Der Augenschein hat mich überzeugt. So vertraulich behandelt man Niemanden, welchen man zu lieben unfähig sein würde. Denke nicht, fuhr er, den Kopf stolz in die Höhe werfend, fort, daß ich das ganze Verhältniß unrichtig beurtheile, daß es mir einfällt, Sternheim mir gleich stellen zu wollen. Nie wird ein Anderer dir sein können, was ich dir war; du hast mich mit, gegen deinen Willen geliebt. Eigenschaften, denen du nicht zu widerstehen vermochtest, erwarben mir deine Neigung. Ich weiß sehr wohl, daß ich dir noch jetzt Alles bin, daß Sternheim gegen mich in keinen Betracht kommt, aber ich weiß auch, daß Zeit und Jahre, der Wunsch deines Vaters und manche andere Rücksichten dich bewegen könnten, eine Verbindung mit ihm einzugehen. Dieser Glaube ist mir unumstößlich geworden. — Sophie entgegnete mit bewegter Stimme, aber großer Haltung: Was du mir mit vielleicht zu großem Selbstgefühle sagst, ist durchaus wahr; gegen dich scheint Sternheim nur nichts, du könntest eben so gut hinzusetzen, gegen dich sei mir die ganze Welt leer und unbedeutend. Ob ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter">
        <p><pb facs="#f0079"/>
sagen können, wie Alles kommen werde. Sternheim ist der Liebling deines Vaters,      was ich nie war; er ist reich, ansässig, ich bin beides nicht; er war gegenwärtig, ich      abwesend; daß er gefallen kann, muß ich voraussetzen; und so erscheint es allerdings natürlich,      daß ich der Verlierende sein mußte. &#x2014; Und das ist dein Ernst? Und das kannst du denken? &#x2014; Der      Augenschein hat mich überzeugt. So vertraulich behandelt man Niemanden, welchen man zu lieben      unfähig sein würde. Denke nicht, fuhr er, den Kopf stolz in die Höhe werfend, fort, daß ich das      ganze Verhältniß unrichtig beurtheile, daß es mir einfällt, Sternheim mir gleich stellen zu      wollen. Nie wird ein Anderer dir sein können, was ich dir war; du hast mich mit, gegen deinen      Willen geliebt. Eigenschaften, denen du nicht zu widerstehen vermochtest, erwarben mir deine      Neigung. Ich weiß sehr wohl, daß ich dir noch jetzt Alles bin, daß Sternheim gegen mich in      keinen Betracht kommt, aber ich weiß auch, daß Zeit und Jahre, der Wunsch deines Vaters und      manche andere Rücksichten dich bewegen könnten, eine Verbindung mit ihm einzugehen. Dieser      Glaube ist mir unumstößlich geworden. &#x2014; Sophie entgegnete mit bewegter Stimme, aber großer      Haltung: Was du mir mit vielleicht zu großem Selbstgefühle sagst, ist durchaus wahr; gegen dich      scheint Sternheim nur nichts, du könntest eben so gut hinzusetzen, gegen dich sei mir die ganze      Welt leer und unbedeutend. Ob ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0079] sagen können, wie Alles kommen werde. Sternheim ist der Liebling deines Vaters, was ich nie war; er ist reich, ansässig, ich bin beides nicht; er war gegenwärtig, ich abwesend; daß er gefallen kann, muß ich voraussetzen; und so erscheint es allerdings natürlich, daß ich der Verlierende sein mußte. — Und das ist dein Ernst? Und das kannst du denken? — Der Augenschein hat mich überzeugt. So vertraulich behandelt man Niemanden, welchen man zu lieben unfähig sein würde. Denke nicht, fuhr er, den Kopf stolz in die Höhe werfend, fort, daß ich das ganze Verhältniß unrichtig beurtheile, daß es mir einfällt, Sternheim mir gleich stellen zu wollen. Nie wird ein Anderer dir sein können, was ich dir war; du hast mich mit, gegen deinen Willen geliebt. Eigenschaften, denen du nicht zu widerstehen vermochtest, erwarben mir deine Neigung. Ich weiß sehr wohl, daß ich dir noch jetzt Alles bin, daß Sternheim gegen mich in keinen Betracht kommt, aber ich weiß auch, daß Zeit und Jahre, der Wunsch deines Vaters und manche andere Rücksichten dich bewegen könnten, eine Verbindung mit ihm einzugehen. Dieser Glaube ist mir unumstößlich geworden. — Sophie entgegnete mit bewegter Stimme, aber großer Haltung: Was du mir mit vielleicht zu großem Selbstgefühle sagst, ist durchaus wahr; gegen dich scheint Sternheim nur nichts, du könntest eben so gut hinzusetzen, gegen dich sei mir die ganze Welt leer und unbedeutend. Ob ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:52:17Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/79
Zitationshilfe: F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/79>, abgerufen am 21.11.2024.