Jene mögen dicke werden, so viel sie wollen, so werden sie dennoch dadurch zu keine feste Theile ei- nes organischen Körpers werden; wenn Säfte aber in feste Theile übergehen sollen, so wird dazu etwas mehreres erfordert, und sie müssen ihre gan- ze Natur ändern.
Nemlich alle feste Theile bey den Thieren so wohl als bey den Pflanzen haben diese Eigenschaft, daß wenn ihr Zusammenhang einmahl getrennt ist, sie alsdenn nicht mehr mit einander zusammen kle- ben können, deswegen können sie, wenn sie hart sind zerbrochen, wenn sie aber elastisch oder zähe sind, zerrißen werden. Bey den Säften hinge- gen, und bey allen flüßigen Körpern, findet die- ses nicht statt; wenn ihre Theile von einander ge- trennt werden, und sich wiederum einander berüh- ren, so hengen sie wiederum so gut wie vorhin zu- sammen. Man sieht hieraus bald, worin der Un- terscheid zwischen einem flüßigen und festen Kör- per besteht. Jn jenem zieht ein jeder Theil einen jeden andern mit einer gleich starken Krafft an; daher mögen sie alle untereinander bewegt werden, so viel sie wollen, ihr Zusammenhang bleibt im- mer eben derselbe. Jn diesem sind nur gewisse be- stimmte Theile die sich mit einer bestimmten Kraft einander anziehen, da sie sich hingegen mit andern Theilen gar nicht anziehen, daher wenn diese be- stimmte Zusammensetzung einmahl gestöhrt ist, so hört auch der ganze Zusammenhang auf, weil, wenn man die getrennte Stücke wiederum zusam-
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Widerlegung der Einwuͤrfe
Jene moͤgen dicke werden, ſo viel ſie wollen, ſo werden ſie dennoch dadurch zu keine feſte Theile ei- nes organiſchen Koͤrpers werden; wenn Saͤfte aber in feſte Theile uͤbergehen ſollen, ſo wird dazu etwas mehreres erfordert, und ſie muͤſſen ihre gan- ze Natur aͤndern.
Nemlich alle feſte Theile bey den Thieren ſo wohl als bey den Pflanzen haben dieſe Eigenſchaft, daß wenn ihr Zuſammenhang einmahl getrennt iſt, ſie alsdenn nicht mehr mit einander zuſammen kle- ben koͤnnen, deswegen koͤnnen ſie, wenn ſie hart ſind zerbrochen, wenn ſie aber elaſtiſch oder zaͤhe ſind, zerrißen werden. Bey den Saͤften hinge- gen, und bey allen fluͤßigen Koͤrpern, findet die- ſes nicht ſtatt; wenn ihre Theile von einander ge- trennt werden, und ſich wiederum einander beruͤh- ren, ſo hengen ſie wiederum ſo gut wie vorhin zu- ſammen. Man ſieht hieraus bald, worin der Un- terſcheid zwiſchen einem fluͤßigen und feſten Koͤr- per beſteht. Jn jenem zieht ein jeder Theil einen jeden andern mit einer gleich ſtarken Krafft an; daher moͤgen ſie alle untereinander bewegt werden, ſo viel ſie wollen, ihr Zuſammenhang bleibt im- mer eben derſelbe. Jn dieſem ſind nur gewiſſe be- ſtimmte Theile die ſich mit einer beſtimmten Kraft einander anziehen, da ſie ſich hingegen mit andern Theilen gar nicht anziehen, daher wenn dieſe be- ſtimmte Zuſammenſetzung einmahl geſtoͤhrt iſt, ſo hoͤrt auch der ganze Zuſammenhang auf, weil, wenn man die getrennte Stuͤcke wiederum zuſam-
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Widerlegung der Einwuͤrfe
Jene moͤgen dicke werden, ſo viel ſie wollen, ſo
werden ſie dennoch dadurch zu keine feſte Theile ei-
nes organiſchen Koͤrpers werden; wenn Saͤfte
aber in feſte Theile uͤbergehen ſollen, ſo wird dazu
etwas mehreres erfordert, und ſie muͤſſen ihre gan-
ze Natur aͤndern.
Nemlich alle feſte Theile bey den Thieren ſo
wohl als bey den Pflanzen haben dieſe Eigenſchaft,
daß wenn ihr Zuſammenhang einmahl getrennt iſt,
ſie alsdenn nicht mehr mit einander zuſammen kle-
ben koͤnnen, deswegen koͤnnen ſie, wenn ſie hart
ſind zerbrochen, wenn ſie aber elaſtiſch oder zaͤhe
ſind, zerrißen werden. Bey den Saͤften hinge-
gen, und bey allen fluͤßigen Koͤrpern, findet die-
ſes nicht ſtatt; wenn ihre Theile von einander ge-
trennt werden, und ſich wiederum einander beruͤh-
ren, ſo hengen ſie wiederum ſo gut wie vorhin zu-
ſammen. Man ſieht hieraus bald, worin der Un-
terſcheid zwiſchen einem fluͤßigen und feſten Koͤr-
per beſteht. Jn jenem zieht ein jeder Theil einen
jeden andern mit einer gleich ſtarken Krafft an;
daher moͤgen ſie alle untereinander bewegt werden,
ſo viel ſie wollen, ihr Zuſammenhang bleibt im-
mer eben derſelbe. Jn dieſem ſind nur gewiſſe be-
ſtimmte Theile die ſich mit einer beſtimmten Kraft
einander anziehen, da ſie ſich hingegen mit andern
Theilen gar nicht anziehen, daher wenn dieſe be-
ſtimmte Zuſammenſetzung einmahl geſtoͤhrt iſt, ſo
hoͤrt auch der ganze Zuſammenhang auf, weil,
wenn man die getrennte Stuͤcke wiederum zuſam-
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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/154>, abgerufen am 16.02.2025.
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