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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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von der Generation.

Setzen Sie daß Jhnen jemand eine Historie
zum Exempel, von der Generation gibt, und daß
er Jhnen diese Historie für eine Erklärung dersel-
ben aufdringen wollte, so würden sie sagen, er ha-
be Jhnen diese Erscheinung zwar erzehlt, aber nicht
erklärt, er habe Jhnen dieselbe nicht nur nicht
wahr, sondern auch nicht einmahl falsch, und mit
einem Worte, er habe sie gar nicht erklärt. Sie
sehen also hieraus schon, daß zwischen falsch erklä-
ren, und nicht erklären ein Unterschied sey, und
daß es gar wohl möglich sey, von einer Sache zu
reden, ohne sie doch weder wahr noch falsch zu
erklären.

Wie ist es aber möglich, werden Sie sagen,
daß man sich so sehr verkennen, daß man eine
Historie für eine Erklärung ansehen sollte? Dieses
ist geschehen, wie Sie in der Folge sehen werden;
allein es ist ja auch eben nicht nöthig, daß das,
was man sagt, eine Historie sey, um keine Erklä-
rung der Generation zu seyn. Wie vielerley Sa-
chen wolte ich Jhnen in der Welt nicht sagen, oh-
ne Jhnen doch weder die Geschichte der Genera-
tion erzehlt, noch die Generation erklärt zu haben.
Wie also, wenn unsere Verfasser, indem sie die Er-
zeugung zu erklären glaubten, indessen von einer
ganz andern Sache gehandelt hätten? Aber auch
dieses wird Jhnen unglaublich vorkommen, und
auch hiervon werden sie dennoch in der Folge ver-
schiedene Exempel sehen.

Endlich aber ist es auch möglich, daß das,
was man sagt, ziemlich genau das Ansehen einer

Erklä-
A 2
von der Generation.

Setzen Sie daß Jhnen jemand eine Hiſtorie
zum Exempel, von der Generation gibt, und daß
er Jhnen dieſe Hiſtorie fuͤr eine Erklaͤrung derſel-
ben aufdringen wollte, ſo wuͤrden ſie ſagen, er ha-
be Jhnen dieſe Erſcheinung zwar erzehlt, aber nicht
erklaͤrt, er habe Jhnen dieſelbe nicht nur nicht
wahr, ſondern auch nicht einmahl falſch, und mit
einem Worte, er habe ſie gar nicht erklaͤrt. Sie
ſehen alſo hieraus ſchon, daß zwiſchen falſch erklaͤ-
ren, und nicht erklaͤren ein Unterſchied ſey, und
daß es gar wohl moͤglich ſey, von einer Sache zu
reden, ohne ſie doch weder wahr noch falſch zu
erklaͤren.

Wie iſt es aber moͤglich, werden Sie ſagen,
daß man ſich ſo ſehr verkennen, daß man eine
Hiſtorie fuͤr eine Erklaͤrung anſehen ſollte? Dieſes
iſt geſchehen, wie Sie in der Folge ſehen werden;
allein es iſt ja auch eben nicht noͤthig, daß das,
was man ſagt, eine Hiſtorie ſey, um keine Erklaͤ-
rung der Generation zu ſeyn. Wie vielerley Sa-
chen wolte ich Jhnen in der Welt nicht ſagen, oh-
ne Jhnen doch weder die Geſchichte der Genera-
tion erzehlt, noch die Generation erklaͤrt zu haben.
Wie alſo, wenn unſere Verfaſſer, indem ſie die Er-
zeugung zu erklaͤren glaubten, indeſſen von einer
ganz andern Sache gehandelt haͤtten? Aber auch
dieſes wird Jhnen unglaublich vorkommen, und
auch hiervon werden ſie dennoch in der Folge ver-
ſchiedene Exempel ſehen.

Endlich aber iſt es auch moͤglich, daß das,
was man ſagt, ziemlich genau das Anſehen einer

Erklaͤ-
A 2
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[3/0025] von der Generation. Setzen Sie daß Jhnen jemand eine Hiſtorie zum Exempel, von der Generation gibt, und daß er Jhnen dieſe Hiſtorie fuͤr eine Erklaͤrung derſel- ben aufdringen wollte, ſo wuͤrden ſie ſagen, er ha- be Jhnen dieſe Erſcheinung zwar erzehlt, aber nicht erklaͤrt, er habe Jhnen dieſelbe nicht nur nicht wahr, ſondern auch nicht einmahl falſch, und mit einem Worte, er habe ſie gar nicht erklaͤrt. Sie ſehen alſo hieraus ſchon, daß zwiſchen falſch erklaͤ- ren, und nicht erklaͤren ein Unterſchied ſey, und daß es gar wohl moͤglich ſey, von einer Sache zu reden, ohne ſie doch weder wahr noch falſch zu erklaͤren. Wie iſt es aber moͤglich, werden Sie ſagen, daß man ſich ſo ſehr verkennen, daß man eine Hiſtorie fuͤr eine Erklaͤrung anſehen ſollte? Dieſes iſt geſchehen, wie Sie in der Folge ſehen werden; allein es iſt ja auch eben nicht noͤthig, daß das, was man ſagt, eine Hiſtorie ſey, um keine Erklaͤ- rung der Generation zu ſeyn. Wie vielerley Sa- chen wolte ich Jhnen in der Welt nicht ſagen, oh- ne Jhnen doch weder die Geſchichte der Genera- tion erzehlt, noch die Generation erklaͤrt zu haben. Wie alſo, wenn unſere Verfaſſer, indem ſie die Er- zeugung zu erklaͤren glaubten, indeſſen von einer ganz andern Sache gehandelt haͤtten? Aber auch dieſes wird Jhnen unglaublich vorkommen, und auch hiervon werden ſie dennoch in der Folge ver- ſchiedene Exempel ſehen. Endlich aber iſt es auch moͤglich, daß das, was man ſagt, ziemlich genau das Anſehen einer Erklaͤ- A 2

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/25>, abgerufen am 23.11.2024.