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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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II. Th. 7. H. Von dem Versprechen
lich ist das Versprechen ungültig. Hier-
zu kommt, daß derjenige, dem etwas verspro-
chen wird, indem er vor genehm hält, daß
dem Versprecher eine Furcht eingejagt wor-
den, selbst will, daß das Versprechen mit
Gewalt erzwungen werde; und deswegen
nicht weit von dem entfernt ist, der eine Furcht
einem andern einjagt, damit ihm etwas ver-
sprochen werde.

§. 407.
Ob man
bey dem
Verspre-
chen die
Ursache
desselben
ausdrü-
cken
müsse.

Weil es einig und allein auf den Willen
des Versprechers ankommt, ob er etwas ver-
sprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver-
möge der natürlichen Freyheit er keinem Men-
schen Rechenschaft geben darf, warum er et-
was thue (§. 78.); so darf nach dem na-
türlichen Rechte in einem Versprechen
die Ursache desselben nicht ausgedrückt
werden,
warum man nämlich etwas ver-
spricht.

§. 408.
Von dem
Verspre-
chen we-
gen ei-
ner Sa-
che, die
man
schon
vorher
schuldig
war.

Aus eben demselben Grunde ist das Ver-
sprechen wegen einer Sache, die man
schon vorher schuldig war, gültig.

Man sagt nemlich, es werde etwas we-
gen einer schon vorher schuldigen Sa-
che versprochen
(promittitur ob causam
ante debitam),
wenn man einem deswegen,
was er zu leisten schuldig ist, etwas verspricht,
z. E. einem Boten ausser seinem Lohne noch
ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was
wegen einer Sache, die einer schon vorher

schul-

II. Th. 7. H. Von dem Verſprechen
lich iſt das Verſprechen unguͤltig. Hier-
zu kommt, daß derjenige, dem etwas verſpro-
chen wird, indem er vor genehm haͤlt, daß
dem Verſprecher eine Furcht eingejagt wor-
den, ſelbſt will, daß das Verſprechen mit
Gewalt erzwungen werde; und deswegen
nicht weit von dem entfernt iſt, der eine Furcht
einem andern einjagt, damit ihm etwas ver-
ſprochen werde.

§. 407.
Ob man
bey dem
Verſpre-
chen die
Urſache
deſſelben
ausdruͤ-
cken
muͤſſe.

Weil es einig und allein auf den Willen
des Verſprechers ankommt, ob er etwas ver-
ſprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver-
moͤge der natuͤrlichen Freyheit er keinem Men-
ſchen Rechenſchaft geben darf, warum er et-
was thue (§. 78.); ſo darf nach dem na-
tuͤrlichen Rechte in einem Verſprechen
die Urſache deſſelben nicht ausgedruͤckt
werden,
warum man naͤmlich etwas ver-
ſpricht.

§. 408.
Von dem
Verſpre-
chen we-
gen ei-
ner Sa-
che, die
man
ſchon
vorher
ſchuldig
war.

Aus eben demſelben Grunde iſt das Ver-
ſprechen wegen einer Sache, die man
ſchon vorher ſchuldig war, guͤltig.

Man ſagt nemlich, es werde etwas we-
gen einer ſchon vorher ſchuldigen Sa-
che verſprochen
(promittitur ob cauſam
ante debitam),
wenn man einem deswegen,
was er zu leiſten ſchuldig iſt, etwas verſpricht,
z. E. einem Boten auſſer ſeinem Lohne noch
ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was
wegen einer Sache, die einer ſchon vorher

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[248/0284] II. Th. 7. H. Von dem Verſprechen lich iſt das Verſprechen unguͤltig. Hier- zu kommt, daß derjenige, dem etwas verſpro- chen wird, indem er vor genehm haͤlt, daß dem Verſprecher eine Furcht eingejagt wor- den, ſelbſt will, daß das Verſprechen mit Gewalt erzwungen werde; und deswegen nicht weit von dem entfernt iſt, der eine Furcht einem andern einjagt, damit ihm etwas ver- ſprochen werde. §. 407. Weil es einig und allein auf den Willen des Verſprechers ankommt, ob er etwas ver- ſprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver- moͤge der natuͤrlichen Freyheit er keinem Men- ſchen Rechenſchaft geben darf, warum er et- was thue (§. 78.); ſo darf nach dem na- tuͤrlichen Rechte in einem Verſprechen die Urſache deſſelben nicht ausgedruͤckt werden, warum man naͤmlich etwas ver- ſpricht. §. 408. Aus eben demſelben Grunde iſt das Ver- ſprechen wegen einer Sache, die man ſchon vorher ſchuldig war, guͤltig. Man ſagt nemlich, es werde etwas we- gen einer ſchon vorher ſchuldigen Sa- che verſprochen (promittitur ob cauſam ante debitam), wenn man einem deswegen, was er zu leiſten ſchuldig iſt, etwas verſpricht, z. E. einem Boten auſſer ſeinem Lohne noch ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was wegen einer Sache, die einer ſchon vorher ſchul-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/284>, abgerufen am 21.11.2024.