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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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Streitigkeiten zu endigen.
von sich ablehnet; indem man sagt, es rei-
nige sich einer
(purgare se), wenn er sich
von dem auf ihn gefallenen Verdachte be-
freyet. Ein Entscheidungseid (juramen-
tum litis decisorium)
ist, welcher zu dem En-
de geleistet wird, daß der Streit entschieden
seyn soll; folglich wird durch einen Ent-
scheidungseid der Hader geendigt.
Man
theilet aber diesen ein in einen freywilligen
(voluntarium), wenn die hadernde Par-
theyen unter sich einig werden, daß der Streit
durch einen Eid entschieden werden soll; und
in einen nothwendigen (necessarium),
wenn aus Mangel anderer Beweise dessen,
worauf es in Entscheidung der streitigen Sa-
che ankommt, solches nicht anders, als durch
einen Eid bewiesen werden kann, oder auch
der nicht völlige Beweiß durch den Eid erst
völlig werden muß. Endlich heist ein Ver-
sprechungseid
(juramentum promisso-
rium),
wenn man eidlich etwas verspricht,
oder der ein Versprechen in sich enthält.

§. 783.

Man sagt, einer lege dem andern einenVom
Aufer-
legen ei-
nes Eids.

Eid auf, oder er schiebe es ihm ins Ge-
wissen
(juramentum alteri deferre), wenn
er sich hinlänglich erkläret, er wolle daß der
andere schwören solle. Derowegen wenn
andere Beweise fehlen, oder man, was
zu beweisen war, nicht völlig beweisen
können, so kann der Schiedsrichter ei-
nen Eid auflegen
(§. 781.); folglich ist

der
Nat. u. Völckerrecht. O o

Streitigkeiten zu endigen.
von ſich ablehnet; indem man ſagt, es rei-
nige ſich einer
(purgare ſe), wenn er ſich
von dem auf ihn gefallenen Verdachte be-
freyet. Ein Entſcheidungseid (juramen-
tum litis deciſorium)
iſt, welcher zu dem En-
de geleiſtet wird, daß der Streit entſchieden
ſeyn ſoll; folglich wird durch einen Ent-
ſcheidungseid der Hader geendigt.
Man
theilet aber dieſen ein in einen freywilligen
(voluntarium), wenn die hadernde Par-
theyen unter ſich einig werden, daß der Streit
durch einen Eid entſchieden werden ſoll; und
in einen nothwendigen (neceſſarium),
wenn aus Mangel anderer Beweiſe deſſen,
worauf es in Entſcheidung der ſtreitigen Sa-
che ankommt, ſolches nicht anders, als durch
einen Eid bewieſen werden kann, oder auch
der nicht voͤllige Beweiß durch den Eid erſt
voͤllig werden muß. Endlich heiſt ein Ver-
ſprechungseid
(juramentum promiſſo-
rium),
wenn man eidlich etwas verſpricht,
oder der ein Verſprechen in ſich enthaͤlt.

§. 783.

Man ſagt, einer lege dem andern einenVom
Aufer-
legen ei-
nes Eids.

Eid auf, oder er ſchiebe es ihm ins Ge-
wiſſen
(juramentum alteri deferre), wenn
er ſich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle daß der
andere ſchwoͤren ſolle. Derowegen wenn
andere Beweiſe fehlen, oder man, was
zu beweiſen war, nicht voͤllig beweiſen
koͤnnen, ſo kann der Schiedsrichter ei-
nen Eid auflegen
(§. 781.); folglich iſt

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[577/0613] Streitigkeiten zu endigen. von ſich ablehnet; indem man ſagt, es rei- nige ſich einer (purgare ſe), wenn er ſich von dem auf ihn gefallenen Verdachte be- freyet. Ein Entſcheidungseid (juramen- tum litis deciſorium) iſt, welcher zu dem En- de geleiſtet wird, daß der Streit entſchieden ſeyn ſoll; folglich wird durch einen Ent- ſcheidungseid der Hader geendigt. Man theilet aber dieſen ein in einen freywilligen (voluntarium), wenn die hadernde Par- theyen unter ſich einig werden, daß der Streit durch einen Eid entſchieden werden ſoll; und in einen nothwendigen (neceſſarium), wenn aus Mangel anderer Beweiſe deſſen, worauf es in Entſcheidung der ſtreitigen Sa- che ankommt, ſolches nicht anders, als durch einen Eid bewieſen werden kann, oder auch der nicht voͤllige Beweiß durch den Eid erſt voͤllig werden muß. Endlich heiſt ein Ver- ſprechungseid (juramentum promiſſo- rium), wenn man eidlich etwas verſpricht, oder der ein Verſprechen in ſich enthaͤlt. §. 783. Man ſagt, einer lege dem andern einen Eid auf, oder er ſchiebe es ihm ins Ge- wiſſen (juramentum alteri deferre), wenn er ſich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle daß der andere ſchwoͤren ſolle. Derowegen wenn andere Beweiſe fehlen, oder man, was zu beweiſen war, nicht voͤllig beweiſen koͤnnen, ſo kann der Schiedsrichter ei- nen Eid auflegen (§. 781.); folglich iſt der Vom Aufer- legen ei- nes Eids. Nat. u. Voͤlckerrecht. O o

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/613>, abgerufen am 22.11.2024.