Nothwendigkeit derjenigen Dinge beurthei- len, die zur Erfüllung der natürlichen Ver- bindlichkeit erfordert werden.
§. 46.
Was das Recht ist u. der Ur- sprung dessel- ben.
Die Fähigkeit, oder das moralische Ver- mögen etwas zu thun, oder zu unterlassen, wird das Recht genannt. Daher erhel- let, daß das Recht aus der leidenden Verbindlichkeit entstehe; und daß kein Recht seyn würde, wenn keine Verbindlichkeit da wäre; wie auch, daß uns durch das natürliche Gesetze ein Recht zu allen denjenigen Hand- lungen gegeben werde, ohne welche wir die natürliche Verbindlichkeit nicht erfüllen können (§. 45.). Also hat man ein Recht zum Gebrauch der Spei- sen; weil wir verbunden sind unseren Leib zu erhalten, und dieses bestehet in der Fä- higkeit, die Speisen dieser Verbindlich- keit gemäß einzurichten. Wenn uns al- so das Gesetze der Natur zu einem Zweck verbindet, so giebt es uns auch ein Recht zu den Mitteln; folg- lich, wenn nur ein eintziges Mittel da ist, so bedienen wir uns auch dessel- ben mit Recht. Denn es ist ohnmög- lich, daß man einen Zweck erhalten kann, oh- ne sich der Mittel zu bedienen.
§. 47.
Ein ge- biethen-
Das Gesetz der Natur nennt man ein
Geboth,
I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,
Nothwendigkeit derjenigen Dinge beurthei- len, die zur Erfuͤllung der natuͤrlichen Ver- bindlichkeit erfordert werden.
§. 46.
Was das Recht iſt u. der Ur- ſprung deſſel- ben.
Die Faͤhigkeit, oder das moraliſche Ver- moͤgen etwas zu thun, oder zu unterlaſſen, wird das Recht genannt. Daher erhel- let, daß das Recht aus der leidenden Verbindlichkeit entſtehe; und daß kein Recht ſeyn wuͤrde, wenn keine Verbindlichkeit da waͤre; wie auch, daß uns durch das natuͤrliche Geſetze ein Recht zu allen denjenigen Hand- lungen gegeben werde, ohne welche wir die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht erfuͤllen koͤnnen (§. 45.). Alſo hat man ein Recht zum Gebrauch der Spei- ſen; weil wir verbunden ſind unſeren Leib zu erhalten, und dieſes beſtehet in der Faͤ- higkeit, die Speiſen dieſer Verbindlich- keit gemaͤß einzurichten. Wenn uns al- ſo das Geſetze der Natur zu einem Zweck verbindet, ſo giebt es uns auch ein Recht zu den Mitteln; folg- lich, wenn nur ein eintziges Mittel da iſt, ſo bedienen wir uns auch deſſel- ben mit Recht. Denn es iſt ohnmoͤg- lich, daß man einen Zweck erhalten kann, oh- ne ſich der Mittel zu bedienen.
§. 47.
Ein ge- biethen-
Das Geſetz der Natur nennt man ein
Geboth,
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I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,
Nothwendigkeit derjenigen Dinge beurthei-
len, die zur Erfuͤllung der natuͤrlichen Ver-
bindlichkeit erfordert werden.
§. 46.
Die Faͤhigkeit, oder das moraliſche Ver-
moͤgen etwas zu thun, oder zu unterlaſſen,
wird das Recht genannt. Daher erhel-
let, daß das Recht aus der leidenden
Verbindlichkeit entſtehe; und daß
kein Recht ſeyn wuͤrde, wenn keine
Verbindlichkeit da waͤre; wie auch,
daß uns durch das natuͤrliche Geſetze
ein Recht zu allen denjenigen Hand-
lungen gegeben werde, ohne welche
wir die natuͤrliche Verbindlichkeit
nicht erfuͤllen koͤnnen (§. 45.). Alſo
hat man ein Recht zum Gebrauch der Spei-
ſen; weil wir verbunden ſind unſeren Leib
zu erhalten, und dieſes beſtehet in der Faͤ-
higkeit, die Speiſen dieſer Verbindlich-
keit gemaͤß einzurichten. Wenn uns al-
ſo das Geſetze der Natur zu einem
Zweck verbindet, ſo giebt es uns
auch ein Recht zu den Mitteln; folg-
lich, wenn nur ein eintziges Mittel da
iſt, ſo bedienen wir uns auch deſſel-
ben mit Recht. Denn es iſt ohnmoͤg-
lich, daß man einen Zweck erhalten kann, oh-
ne ſich der Mittel zu bedienen.
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Das Geſetz der Natur nennt man ein
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/66>, abgerufen am 21.11.2024.
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