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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstück.
ner der bekennet verdammet wird, ge-
stattet werden, daß er, was er zu sei-
ner Entschuldigung sagen zu können
vermeinet, vorbringe;
folglich ist nie-
mand vor seiner Vertheidigung zu
strafen, es sey dann, daß er selbst ein-
gestehe, daß er nichts zu seiner Ver-
theidigung wisse.
Weil der Republick
daran gelegen ist, daß die Verbrechen, son-
derlich aber die Missethaten, nicht unbestraft
hingehen (§. 93.); so muß man bemühet
seyn, wenn sich eine Missethat nicht
hinlänglich beweisen läßet, daß derje-
nige, welcher sich desfalls verdächtig
gemacht, beym Leugnen aber verhar-
ret, zum Bekenntniß gebrachr werde;

und folglich hat man ein Recht diejeni-
gen Mittel zu gebrauchen, ohne wel-
chen die Bekenntniß nicht zu erhalten
ist
(§. 46.). Und darin besteht die so ge-
nannte Untersuchung (inquisitio); der
aber, um dessen öffentliches Verbrechens wil-
len man die Untersuchung anstellet, heisset
der Jnqvisite (inquisitus).

§. 1032.
Von der
Tortur.

Die Tortur (tortura) ist eine Handlung,
vermöge welcher der Körper desjenigen, wel-
cher sich einer Missethat halber verdächtig ge-
machet hat, auf eine schmertzhafte und pein-
liche Art angegriffen wird, daß er zum Ge-
ständniß derselben gebracht werden solle. Die
Schreckung aber (territio) bestehet in Dro-

hungen,

III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck.
ner der bekennet verdammet wird, ge-
ſtattet werden, daß er, was er zu ſei-
ner Entſchuldigung ſagen zu koͤnnen
vermeinet, vorbringe;
folglich iſt nie-
mand vor ſeiner Vertheidigung zu
ſtrafen, es ſey dann, daß er ſelbſt ein-
geſtehe, daß er nichts zu ſeiner Ver-
theidigung wiſſe.
Weil der Republick
daran gelegen iſt, daß die Verbrechen, ſon-
derlich aber die Miſſethaten, nicht unbeſtraft
hingehen (§. 93.); ſo muß man bemuͤhet
ſeyn, wenn ſich eine Miſſethat nicht
hinlaͤnglich beweiſen laͤßet, daß derje-
nige, welcher ſich desfalls verdaͤchtig
gemacht, beym Leugnen aber verhar-
ret, zum Bekenntniß gebrachr werde;

und folglich hat man ein Recht diejeni-
gen Mittel zu gebrauchen, ohne wel-
chen die Bekenntniß nicht zu erhalten
iſt
(§. 46.). Und darin beſteht die ſo ge-
nannte Unterſuchung (inquiſitio); der
aber, um deſſen oͤffentliches Verbrechens wil-
len man die Unterſuchung anſtellet, heiſſet
der Jnqviſite (inquiſitus).

§. 1032.
Von der
Tortur.

Die Tortur (tortura) iſt eine Handlung,
vermoͤge welcher der Koͤrper desjenigen, wel-
cher ſich einer Miſſethat halber verdaͤchtig ge-
machet hat, auf eine ſchmertzhafte und pein-
liche Art angegriffen wird, daß er zum Ge-
ſtaͤndniß derſelben gebracht werden ſolle. Die
Schreckung aber (territio) beſtehet in Dro-

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[744/0780] III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. ner der bekennet verdammet wird, ge- ſtattet werden, daß er, was er zu ſei- ner Entſchuldigung ſagen zu koͤnnen vermeinet, vorbringe; folglich iſt nie- mand vor ſeiner Vertheidigung zu ſtrafen, es ſey dann, daß er ſelbſt ein- geſtehe, daß er nichts zu ſeiner Ver- theidigung wiſſe. Weil der Republick daran gelegen iſt, daß die Verbrechen, ſon- derlich aber die Miſſethaten, nicht unbeſtraft hingehen (§. 93.); ſo muß man bemuͤhet ſeyn, wenn ſich eine Miſſethat nicht hinlaͤnglich beweiſen laͤßet, daß derje- nige, welcher ſich desfalls verdaͤchtig gemacht, beym Leugnen aber verhar- ret, zum Bekenntniß gebrachr werde; und folglich hat man ein Recht diejeni- gen Mittel zu gebrauchen, ohne wel- chen die Bekenntniß nicht zu erhalten iſt (§. 46.). Und darin beſteht die ſo ge- nannte Unterſuchung (inquiſitio); der aber, um deſſen oͤffentliches Verbrechens wil- len man die Unterſuchung anſtellet, heiſſet der Jnqviſite (inquiſitus). §. 1032. Die Tortur (tortura) iſt eine Handlung, vermoͤge welcher der Koͤrper desjenigen, wel- cher ſich einer Miſſethat halber verdaͤchtig ge- machet hat, auf eine ſchmertzhafte und pein- liche Art angegriffen wird, daß er zum Ge- ſtaͤndniß derſelben gebracht werden ſolle. Die Schreckung aber (territio) beſtehet in Dro- hungen,

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 744. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/780>, abgerufen am 16.07.2024.