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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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Von dem Rechte der Völcker überhaupt.
net, dessen Glieder, so zu reden als Bürger,
die eintzelnen Völcker sind. Daraus entspringt
nun ein Recht, welches allen über alle eintzel-
ne Völcker zukommt, welches man die all-
gemeine Herrschaft,
oder die Herrschaft
der Völcker
(imperium universale sive
gentium)
nennen könnte, nach welchem man
nämlich um der gemeinen Wohlfahrt
willen die Handlungen derer eintzel-
nen bestimmen, und sie zwingen kann,

daß sie ihrer Verbindlichkeit ein Gnü-
ge leisten.
Und da eine jede Gesellschaft
ihre Gesetze haben muß, worinn diejenigen
Dinge feste gesetzet werden, welche des ge-
meinen Bestens halber immer auf einerley
Art geschehen müßen (§. 846.); so muß
auch der grösseste Staat seine Gesetze
haben.
Wie aber das Naturgesetz die Ein-
willigung in den grössesten Staat bewircket;
so muß eben dasselbe diese bey der Verferti-
gung der Gesetze ergäntzen. Denn gleichwie
in einem ieglichen Staat die bürgerlichen Ge-
setze aus den natürlichen verfertiget werden
müssen, und das Recht der Natur auch selbst
die Art vorschreibet, wie dieses geschehen sol-
le (§. 1068. u. f.); so müssen auch in
dem grössesten Staat auf eben die Art
aus den natürlichen Gesetzen bürger-
liche gemacht werden, wie es in einem
ieden besondern Staat nach dem in
dem Naturgesetz vorgeschriebenen
Lehrbegrif ergehet.
Und dieses Recht,

welches

Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt.
net, deſſen Glieder, ſo zu reden als Buͤrger,
die eintzelnen Voͤlcker ſind. Daraus entſpringt
nun ein Recht, welches allen uͤber alle eintzel-
ne Voͤlcker zukommt, welches man die all-
gemeine Herrſchaft,
oder die Herrſchaft
der Voͤlcker
(imperium univerſale ſive
gentium)
nennen koͤnnte, nach welchem man
naͤmlich um der gemeinen Wohlfahrt
willen die Handlungen derer eintzel-
nen beſtimmen, und ſie zwingen kann,

daß ſie ihrer Verbindlichkeit ein Gnuͤ-
ge leiſten.
Und da eine jede Geſellſchaft
ihre Geſetze haben muß, worinn diejenigen
Dinge feſte geſetzet werden, welche des ge-
meinen Beſtens halber immer auf einerley
Art geſchehen muͤßen (§. 846.); ſo muß
auch der groͤſſeſte Staat ſeine Geſetze
haben.
Wie aber das Naturgeſetz die Ein-
willigung in den groͤſſeſten Staat bewircket;
ſo muß eben daſſelbe dieſe bey der Verferti-
gung der Geſetze ergaͤntzen. Denn gleichwie
in einem ieglichen Staat die buͤrgerlichen Ge-
ſetze aus den natuͤrlichen verfertiget werden
muͤſſen, und das Recht der Natur auch ſelbſt
die Art vorſchreibet, wie dieſes geſchehen ſol-
le (§. 1068. u. f.); ſo muͤſſen auch in
dem groͤſſeſten Staat auf eben die Art
aus den natuͤrlichen Geſetzen buͤrger-
liche gemacht werden, wie es in einem
ieden beſondern Staat nach dem in
dem Naturgeſetz vorgeſchriebenen
Lehrbegrif ergehet.
Und dieſes Recht,

welches
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[797/0833] Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. net, deſſen Glieder, ſo zu reden als Buͤrger, die eintzelnen Voͤlcker ſind. Daraus entſpringt nun ein Recht, welches allen uͤber alle eintzel- ne Voͤlcker zukommt, welches man die all- gemeine Herrſchaft, oder die Herrſchaft der Voͤlcker (imperium univerſale ſive gentium) nennen koͤnnte, nach welchem man naͤmlich um der gemeinen Wohlfahrt willen die Handlungen derer eintzel- nen beſtimmen, und ſie zwingen kann, daß ſie ihrer Verbindlichkeit ein Gnuͤ- ge leiſten. Und da eine jede Geſellſchaft ihre Geſetze haben muß, worinn diejenigen Dinge feſte geſetzet werden, welche des ge- meinen Beſtens halber immer auf einerley Art geſchehen muͤßen (§. 846.); ſo muß auch der groͤſſeſte Staat ſeine Geſetze haben. Wie aber das Naturgeſetz die Ein- willigung in den groͤſſeſten Staat bewircket; ſo muß eben daſſelbe dieſe bey der Verferti- gung der Geſetze ergaͤntzen. Denn gleichwie in einem ieglichen Staat die buͤrgerlichen Ge- ſetze aus den natuͤrlichen verfertiget werden muͤſſen, und das Recht der Natur auch ſelbſt die Art vorſchreibet, wie dieſes geſchehen ſol- le (§. 1068. u. f.); ſo muͤſſen auch in dem groͤſſeſten Staat auf eben die Art aus den natuͤrlichen Geſetzen buͤrger- liche gemacht werden, wie es in einem ieden beſondern Staat nach dem in dem Naturgeſetz vorgeſchriebenen Lehrbegrif ergehet. Und dieſes Recht, welches

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 797. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/833>, abgerufen am 22.11.2024.