unterwerffen, und es müssen sodenn die beyderseitigen Rechte nach dem Vertrage der Unterwerffung abgemes- sen werden (§. 317.). Wenn daher ein Volck, welches den Schutz gewähren soll, sich über ein ohnmächtigeres Volck mehr Recht anmassete, als es aus dem Vertrage hat; so kann jenes, weil alsdenn ihm unrecht geschieht (§. 87.), sich mit Gewalt widersetzen und frem- de Hülfe anflehen (§. 90.).
§. 1103.
Von der Woh- nung.
Man nennet die Wohnung(domici- lium) einen an einem Orte aufgerichteten Aufenthalt, mit dem Vorsatz beständig da zu bleiben. Wer sich also um eines Ge- schäftes willen an einem Ort auch noch so lange aufhält, der hat doch seine Behausung nicht da. Weil aber einem ieglichen vermöge der natürlichen Freyheit die Aendrung des Willens erlaubt ist (§. 78.); so kann die Wohnung verändert wer- den. Die natürliche Wohnung(do- micilium naturale) heißt, welche einer durch die Geburth da, wo der Vater zu hause ist, erhält; die angenommene aber (adsciti- tium) ist, welche sich iemand nach eignen Willen bestimmet hat. Daher hält man dafür, daß iemand seine natürliche Be- hausung so lange behalte, als er sich nicht nach seinem eignen Willen eine
andere
IV.Th. 2. Hauptſt. Von den Pflichten
unterwerffen, und es muͤſſen ſodenn die beyderſeitigen Rechte nach dem Vertrage der Unterwerffung abgemeſ- ſen werden (§. 317.). Wenn daher ein Volck, welches den Schutz gewaͤhren ſoll, ſich uͤber ein ohnmaͤchtigeres Volck mehr Recht anmaſſete, als es aus dem Vertrage hat; ſo kann jenes, weil alsdenn ihm unrecht geſchieht (§. 87.), ſich mit Gewalt widerſetzen und frem- de Huͤlfe anflehen (§. 90.).
§. 1103.
Von der Woh- nung.
Man nennet die Wohnung(domici- lium) einen an einem Orte aufgerichteten Aufenthalt, mit dem Vorſatz beſtaͤndig da zu bleiben. Wer ſich alſo um eines Ge- ſchaͤftes willen an einem Ort auch noch ſo lange aufhaͤlt, der hat doch ſeine Behauſung nicht da. Weil aber einem ieglichen vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit die Aendrung des Willens erlaubt iſt (§. 78.); ſo kann die Wohnung veraͤndert wer- den. Die natuͤrliche Wohnung(do- micilium naturale) heißt, welche einer durch die Geburth da, wo der Vater zu hauſe iſt, erhaͤlt; die angenommene aber (adſciti- tium) iſt, welche ſich iemand nach eignen Willen beſtimmet hat. Daher haͤlt man dafuͤr, daß iemand ſeine natuͤrliche Be- hauſung ſo lange behalte, als er ſich nicht nach ſeinem eignen Willen eine
andere
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IV. Th. 2. Hauptſt. Von den Pflichten
unterwerffen, und es muͤſſen ſodenn
die beyderſeitigen Rechte nach dem
Vertrage der Unterwerffung abgemeſ-
ſen werden (§. 317.). Wenn daher ein
Volck, welches den Schutz gewaͤhren
ſoll, ſich uͤber ein ohnmaͤchtigeres
Volck mehr Recht anmaſſete, als es
aus dem Vertrage hat; ſo kann jenes,
weil alsdenn ihm unrecht geſchieht (§. 87.),
ſich mit Gewalt widerſetzen und frem-
de Huͤlfe anflehen (§. 90.).
§. 1103.
Man nennet die Wohnung (domici-
lium) einen an einem Orte aufgerichteten
Aufenthalt, mit dem Vorſatz beſtaͤndig da
zu bleiben. Wer ſich alſo um eines Ge-
ſchaͤftes willen an einem Ort auch noch
ſo lange aufhaͤlt, der hat doch ſeine
Behauſung nicht da. Weil aber einem
ieglichen vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit die
Aendrung des Willens erlaubt iſt (§. 78.);
ſo kann die Wohnung veraͤndert wer-
den. Die natuͤrliche Wohnung (do-
micilium naturale) heißt, welche einer durch
die Geburth da, wo der Vater zu hauſe iſt,
erhaͤlt; die angenommene aber (adſciti-
tium) iſt, welche ſich iemand nach eignen
Willen beſtimmet hat. Daher haͤlt man
dafuͤr, daß iemand ſeine natuͤrliche Be-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 806. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/842>, abgerufen am 22.11.2024.
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