Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Theil 7. Hauptstück.
gen ge-
führet
werden.
welche von Nutzen hergenommen werden,
oder wodurch ausgemacht wird, daß es uns
vortheilhaftig sey, einen Krieg anzufangen,
welche den rechtmäßigen (justificis) entge-
gen stehen, die man von dem uns in einem
gegebenen Falle zukommenden Recht zum Krie-
ge herholet; zwischen welchen beyden in der
Mitte die gleichsam rechtmäßigen (quasi
justificae)
sind, welche, wenn man sie gehö-
rig erwäget, den Nahmen der rechtmäßigen
nicht verdienen, sondern nur den Schein ha-
ben: so ist der Krieg ungerecht, wel-
cher bloß anrathender und gleichsam
rechtmäßiger Gründe halber angefan-
gen wird.
Weil es wider die menschliche
Natur streitet dem andern feines Vortheils
wegen zu schaden (§. 44); und folglich die
Grausamkeit, nach welcher einen ein Krieg
an sich selbst vergnüget, welcher mit so vieler
unschuldiger Menschen Niedermetzlung und
Zerfleischung und Verheerung der Dinge ver-
knüpfet ist, die menschliche Natur vertrei-
bet; so überschreitet ein Krieg die
Menschlichkeit, wenn iemand darauf
ohne rechtmäßige, oder anrathende
Gründe zu haben verfällt,
und wird des-
wegen thierisch (ferinum) genennet. Es
sind
aber die anrathenden Gründe bil-
lig, welche aus dem Endzweck des
Staats hergeleitet werden
(§. 976.).

§. 1172.

IV. Theil 7. Hauptſtuͤck.
gen ge-
fuͤhret
werden.
welche von Nutzen hergenommen werden,
oder wodurch ausgemacht wird, daß es uns
vortheilhaftig ſey, einen Krieg anzufangen,
welche den rechtmaͤßigen (juſtificis) entge-
gen ſtehen, die man von dem uns in einem
gegebenen Falle zukommenden Recht zum Krie-
ge herholet; zwiſchen welchen beyden in der
Mitte die gleichſam rechtmaͤßigen (quaſi
juſtificæ)
ſind, welche, wenn man ſie gehoͤ-
rig erwaͤget, den Nahmen der rechtmaͤßigen
nicht verdienen, ſondern nur den Schein ha-
ben: ſo iſt der Krieg ungerecht, wel-
cher bloß anrathender und gleichſam
rechtmaͤßiger Gruͤnde halber angefan-
gen wird.
Weil es wider die menſchliche
Natur ſtreitet dem andern feines Vortheils
wegen zu ſchaden (§. 44); und folglich die
Grauſamkeit, nach welcher einen ein Krieg
an ſich ſelbſt vergnuͤget, welcher mit ſo vieler
unſchuldiger Menſchen Niedermetzlung und
Zerfleiſchung und Verheerung der Dinge ver-
knuͤpfet iſt, die menſchliche Natur vertrei-
bet; ſo uͤberſchreitet ein Krieg die
Menſchlichkeit, wenn iemand darauf
ohne rechtmaͤßige, oder anrathende
Gruͤnde zu haben verfaͤllt,
und wird des-
wegen thieriſch (ferinum) genennet. Es
ſind
aber die anrathenden Gruͤnde bil-
lig, welche aus dem Endzweck des
Staats hergeleitet werden
(§. 976.).

§. 1172.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0892" n="856"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#b">Theil 7. Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/><note place="left">gen ge-<lb/>
fu&#x0364;hret<lb/>
werden.</note>welche von Nutzen hergenommen werden,<lb/>
oder wodurch ausgemacht wird, daß es uns<lb/>
vortheilhaftig &#x017F;ey, einen Krieg anzufangen,<lb/>
welche den <hi rendition="#fr">rechtma&#x0364;ßigen</hi> <hi rendition="#aq">(ju&#x017F;tificis)</hi> entge-<lb/>
gen &#x017F;tehen, die man von dem uns in einem<lb/>
gegebenen Falle zukommenden Recht zum Krie-<lb/>
ge herholet; zwi&#x017F;chen welchen beyden in der<lb/>
Mitte die <hi rendition="#fr">gleich&#x017F;am rechtma&#x0364;ßigen</hi> <hi rendition="#aq">(qua&#x017F;i<lb/>
ju&#x017F;tificæ)</hi> &#x017F;ind, welche, wenn man &#x017F;ie geho&#x0364;-<lb/>
rig erwa&#x0364;get, den Nahmen der rechtma&#x0364;ßigen<lb/>
nicht verdienen, &#x017F;ondern nur den Schein ha-<lb/>
ben: <hi rendition="#fr">&#x017F;o i&#x017F;t der Krieg ungerecht, wel-<lb/>
cher bloß anrathender und gleich&#x017F;am<lb/>
rechtma&#x0364;ßiger Gru&#x0364;nde halber angefan-<lb/>
gen wird.</hi> Weil es wider die men&#x017F;chliche<lb/>
Natur &#x017F;treitet dem andern feines Vortheils<lb/>
wegen zu &#x017F;chaden (§. 44); und folglich die<lb/>
Grau&#x017F;amkeit, nach welcher einen ein Krieg<lb/>
an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vergnu&#x0364;get, welcher mit &#x017F;o vieler<lb/>
un&#x017F;chuldiger Men&#x017F;chen Niedermetzlung und<lb/>
Zerflei&#x017F;chung und Verheerung der Dinge ver-<lb/>
knu&#x0364;pfet i&#x017F;t, die men&#x017F;chliche Natur vertrei-<lb/>
bet; <hi rendition="#fr">&#x017F;o u&#x0364;ber&#x017F;chreitet ein Krieg die<lb/>
Men&#x017F;chlichkeit, wenn iemand darauf<lb/>
ohne rechtma&#x0364;ßige, oder anrathende<lb/>
Gru&#x0364;nde zu haben verfa&#x0364;llt,</hi> und wird des-<lb/>
wegen <hi rendition="#fr">thieri&#x017F;ch</hi> <hi rendition="#aq">(ferinum)</hi> genennet. <hi rendition="#fr">Es<lb/>
&#x017F;ind</hi> aber die <hi rendition="#fr">anrathenden Gru&#x0364;nde bil-<lb/>
lig, welche aus dem Endzweck des<lb/>
Staats hergeleitet werden</hi> (§. 976.).</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§. 1172.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[856/0892] IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. welche von Nutzen hergenommen werden, oder wodurch ausgemacht wird, daß es uns vortheilhaftig ſey, einen Krieg anzufangen, welche den rechtmaͤßigen (juſtificis) entge- gen ſtehen, die man von dem uns in einem gegebenen Falle zukommenden Recht zum Krie- ge herholet; zwiſchen welchen beyden in der Mitte die gleichſam rechtmaͤßigen (quaſi juſtificæ) ſind, welche, wenn man ſie gehoͤ- rig erwaͤget, den Nahmen der rechtmaͤßigen nicht verdienen, ſondern nur den Schein ha- ben: ſo iſt der Krieg ungerecht, wel- cher bloß anrathender und gleichſam rechtmaͤßiger Gruͤnde halber angefan- gen wird. Weil es wider die menſchliche Natur ſtreitet dem andern feines Vortheils wegen zu ſchaden (§. 44); und folglich die Grauſamkeit, nach welcher einen ein Krieg an ſich ſelbſt vergnuͤget, welcher mit ſo vieler unſchuldiger Menſchen Niedermetzlung und Zerfleiſchung und Verheerung der Dinge ver- knuͤpfet iſt, die menſchliche Natur vertrei- bet; ſo uͤberſchreitet ein Krieg die Menſchlichkeit, wenn iemand darauf ohne rechtmaͤßige, oder anrathende Gruͤnde zu haben verfaͤllt, und wird des- wegen thieriſch (ferinum) genennet. Es ſind aber die anrathenden Gruͤnde bil- lig, welche aus dem Endzweck des Staats hergeleitet werden (§. 976.). gen ge- fuͤhret werden. §. 1172.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/892
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/892>, abgerufen am 22.11.2024.