Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.Soll ein Reich von dem stolzen Gipfel der Grös- se, der Macht und des Reichthums, zu dem es emporgestiegen ist, wieder herabsinken? Was braucht er mehr, als, durch einen neuen Segen, eines benachbarten Landes, den Flor desselben zu vermindern? -- Ein unfruchtbares Jahr; ein Heer verächtlicher Heuschrecken; eine Waßerfluth; ein verwüstender Krieg; ein unweiser Regent; ei- nige überhand nehmende Laster: -- und das Reich ist von seinem Gipfel gefallen. Wie we- nig bedarf es? -- nur einen vergiftenden Hauch der Luft; und der Gesundeste liegt mit seinen Riesenkräften zu Boden: -- einen glücklichen Le- bensumstand; -- und der Kränkliche erreicht die lezten Tage des Greisen: -- einen Schiff- bruch, einen Brandschaden, einen Betrug; -- und Millionen sind verloren: einen unverhofften Glückszufall; -- und sie sind wieder gewonnen: -- einen mächtigen Neider, einen boshaften Ver- läumder, eine Unvorsichtigkeit, ein Versehen; -- und der Große herrscht nicht mehr: -- ein Freund, ein unverhofft bekannt gewordnes Ver- dienst; -- und der Gehorchende theilt Befehle aus! -- Wer darf sich unterwinden, ein gerin- ge scheinendes Mittel, durch welches die Vorse- hung so wichtige Dinge veranstaltet, zu verachten? Ists
Soll ein Reich von dem ſtolzen Gipfel der Gröſ- ſe, der Macht und des Reichthums, zu dem es emporgeſtiegen iſt, wieder herabſinken? Was braucht er mehr, als, durch einen neuen Segen, eines benachbarten Landes, den Flor deſſelben zu vermindern? — Ein unfruchtbares Jahr; ein Heer verächtlicher Heuſchrecken; eine Waßerfluth; ein verwüſtender Krieg; ein unweiſer Regent; ei- nige überhand nehmende Laſter: — und das Reich iſt von ſeinem Gipfel gefallen. Wie we- nig bedarf es? — nur einen vergiftenden Hauch der Luft; und der Geſundeſte liegt mit ſeinen Rieſenkräften zu Boden: — einen glücklichen Le- bensumſtand; — und der Kränkliche erreicht die lezten Tage des Greiſen: — einen Schiff- bruch, einen Brandſchaden, einen Betrug; — und Millionen ſind verloren: einen unverhofften Glückszufall; — und ſie ſind wieder gewonnen: — einen mächtigen Neider, einen boshaften Ver- läumder, eine Unvorſichtigkeit, ein Verſehen; — und der Große herrſcht nicht mehr: — ein Freund, ein unverhofft bekannt gewordnes Ver- dienſt; — und der Gehorchende theilt Befehle aus! — Wer darf ſich unterwinden, ein gerin- ge ſcheinendes Mittel, durch welches die Vorſe- hung ſo wichtige Dinge veranſtaltet, zu verachten? Iſts
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Soll ein Reich von dem ſtolzen Gipfel der Gröſ-
ſe, der Macht und des Reichthums, zu dem es
emporgeſtiegen iſt, wieder herabſinken? Was
braucht er mehr, als, durch einen neuen Segen,
eines benachbarten Landes, den Flor deſſelben zu
vermindern? — Ein unfruchtbares Jahr; ein
Heer verächtlicher Heuſchrecken; eine Waßerfluth;
ein verwüſtender Krieg; ein unweiſer Regent; ei-
nige überhand nehmende Laſter: — und das
Reich iſt von ſeinem Gipfel gefallen. Wie we-
nig bedarf es? — nur einen vergiftenden Hauch
der Luft; und der Geſundeſte liegt mit ſeinen
Rieſenkräften zu Boden: — einen glücklichen Le-
bensumſtand; — und der Kränkliche erreicht
die lezten Tage des Greiſen: — einen Schiff-
bruch, einen Brandſchaden, einen Betrug; —
und Millionen ſind verloren: einen unverhofften
Glückszufall; — und ſie ſind wieder gewonnen:
— einen mächtigen Neider, einen boshaften Ver-
läumder, eine Unvorſichtigkeit, ein Verſehen; —
und der Große herrſcht nicht mehr: — ein
Freund, ein unverhofft bekannt gewordnes Ver-
dienſt; — und der Gehorchende theilt Befehle
aus! — Wer darf ſich unterwinden, ein gerin-
ge ſcheinendes Mittel, durch welches die Vorſe-
hung ſo wichtige Dinge veranſtaltet, zu verachten?
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