Scheint es uns ja zuweilen, Gott verfeh- le diese oder jene seiner Absichten; dann liegt es nur daran, daß wir es vergessen: wie wunder- voll und unerforschlich sein Rath sey, und viel- leicht im Leben und im Tode gar eine thörigte Phantasie unsrer stolzen Unwißenheit an dessen Stelle setzen; es vergeßen, daß dies Leben viel zu kurz, zu unvollkommen und flüchtig ist, um den Rath unsers Gottes, hier schon verklärt, und hinausgeführt uns durchschauen zu laßen. O, was ist ein Menschenleben, ein Zeitalter? das Leben aller Sterblichen zusammengerechnet, die ganze Reihe aller Zeiten; -- die nur unsern eingeschränkten Vorstellungen so unübersehbar scheint: -- was ists? -- Nur ein Tropfen aus dem unermeßlichen Weltmeer, gegen die Ewigkeit, die den Rath unsers Gottes verklä- ren und vollenden soll! Ja Gottes Rath muß uns hier wunderbar bleiben; damit er einst herr- lich hinausgeführt werde. Wunderbar, bei je- dem Hinderniße guter Absichten, und jeder Be- förderung böser Anschläge, auf unsrer Erde: da- mit sich einst, alle scheinbare Unordnung, in ewige Freudenvolle Harmonie auflöse. Wun- derbar, in dem irdischen Glück, und den unge- störten Freuden mancher Lasterhaften, wie in
den
F 4
Scheint es uns ja zuweilen, Gott verfeh- le dieſe oder jene ſeiner Abſichten; dann liegt es nur daran, daß wir es vergeſſen: wie wunder- voll und unerforſchlich ſein Rath ſey, und viel- leicht im Leben und im Tode gar eine thörigte Phantaſie unſrer ſtolzen Unwißenheit an deſſen Stelle ſetzen; es vergeßen, daß dies Leben viel zu kurz, zu unvollkommen und flüchtig iſt, um den Rath unſers Gottes, hier ſchon verklärt, und hinausgeführt uns durchſchauen zu laßen. O, was iſt ein Menſchenleben, ein Zeitalter? das Leben aller Sterblichen zuſammengerechnet, die ganze Reihe aller Zeiten; — die nur unſern eingeſchränkten Vorſtellungen ſo unüberſehbar ſcheint: — was iſts? — Nur ein Tropfen aus dem unermeßlichen Weltmeer, gegen die Ewigkeit, die den Rath unſers Gottes verklä- ren und vollenden ſoll! Ja Gottes Rath muß uns hier wunderbar bleiben; damit er einſt herr- lich hinausgeführt werde. Wunderbar, bei je- dem Hinderniße guter Abſichten, und jeder Be- förderung böſer Anſchläge, auf unſrer Erde: da- mit ſich einſt, alle ſcheinbare Unordnung, in ewige Freudenvolle Harmonie auflöſe. Wun- derbar, in dem irdiſchen Glück, und den unge- ſtörten Freuden mancher Laſterhaften, wie in
den
F 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0139"n="87"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Scheint es uns ja zuweilen, Gott verfeh-<lb/>
le dieſe oder jene ſeiner Abſichten; dann liegt es<lb/>
nur daran, daß wir es vergeſſen: wie wunder-<lb/>
voll und unerforſchlich ſein Rath ſey, und viel-<lb/>
leicht im Leben und im Tode gar eine thörigte<lb/>
Phantaſie unſrer ſtolzen Unwißenheit an deſſen<lb/>
Stelle ſetzen; es vergeßen, daß dies Leben viel<lb/>
zu kurz, zu unvollkommen und flüchtig iſt, um<lb/>
den Rath unſers Gottes, hier ſchon verklärt,<lb/>
und hinausgeführt uns durchſchauen zu laßen.<lb/>
O, was iſt ein Menſchenleben, ein Zeitalter?<lb/>
das Leben aller Sterblichen zuſammengerechnet,<lb/>
die ganze Reihe aller Zeiten; — die nur unſern<lb/>
eingeſchränkten Vorſtellungen ſo unüberſehbar<lb/>ſcheint: — was iſts? — Nur ein Tropfen<lb/>
aus dem unermeßlichen Weltmeer, gegen die<lb/><hirendition="#fr">Ewigkeit,</hi> die den Rath unſers Gottes verklä-<lb/>
ren und vollenden ſoll! Ja Gottes Rath muß<lb/>
uns hier wunderbar bleiben; damit er einſt herr-<lb/>
lich hinausgeführt werde. Wunderbar, bei je-<lb/>
dem Hinderniße guter Abſichten, und jeder Be-<lb/>
förderung böſer Anſchläge, auf unſrer Erde: da-<lb/>
mit ſich einſt, alle ſcheinbare Unordnung, in<lb/>
ewige Freudenvolle Harmonie auflöſe. Wun-<lb/>
derbar, in dem irdiſchen Glück, und den unge-<lb/>ſtörten Freuden mancher Laſterhaften, wie in<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[87/0139]
Scheint es uns ja zuweilen, Gott verfeh-
le dieſe oder jene ſeiner Abſichten; dann liegt es
nur daran, daß wir es vergeſſen: wie wunder-
voll und unerforſchlich ſein Rath ſey, und viel-
leicht im Leben und im Tode gar eine thörigte
Phantaſie unſrer ſtolzen Unwißenheit an deſſen
Stelle ſetzen; es vergeßen, daß dies Leben viel
zu kurz, zu unvollkommen und flüchtig iſt, um
den Rath unſers Gottes, hier ſchon verklärt,
und hinausgeführt uns durchſchauen zu laßen.
O, was iſt ein Menſchenleben, ein Zeitalter?
das Leben aller Sterblichen zuſammengerechnet,
die ganze Reihe aller Zeiten; — die nur unſern
eingeſchränkten Vorſtellungen ſo unüberſehbar
ſcheint: — was iſts? — Nur ein Tropfen
aus dem unermeßlichen Weltmeer, gegen die
Ewigkeit, die den Rath unſers Gottes verklä-
ren und vollenden ſoll! Ja Gottes Rath muß
uns hier wunderbar bleiben; damit er einſt herr-
lich hinausgeführt werde. Wunderbar, bei je-
dem Hinderniße guter Abſichten, und jeder Be-
förderung böſer Anſchläge, auf unſrer Erde: da-
mit ſich einſt, alle ſcheinbare Unordnung, in
ewige Freudenvolle Harmonie auflöſe. Wun-
derbar, in dem irdiſchen Glück, und den unge-
ſtörten Freuden mancher Laſterhaften, wie in
den
F 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/139>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.