Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.heit: Gott hat Geduld mit unsrer Schwach- heit: in uns erweckt? Ists nicht der: Gott kann sie, nach der lautersten Wahrheit, und der strengsten Gerechtigkeit, nicht billigen; wir wür- den doch weit wohlgefälliger in seinen allerheilig- sten Augen erscheinen, würden eine höhre Stelle unter den edelsten Geschöpfen in seinem Reiche einnehmen, und uns in dem Bewustseyn seiner Liebe seliger fühlen, wenn uns diese Schwachheit nicht anklebte. Und wie ohnstreitig ist doch die- ser Gedanke? denn, mit Wohlgefallen kann ja der Gott, unter dessen großen verehrungswürdi- gen Eigenschaften eine ewige heilige Ueberein- stimmung herrscht, dessen allweisester Wille, im- mer ohne Irrthum und Vorurtheil und Verblen- dung, sicher und ohnfehlbar die Wahl des Besten trift; der Gott, der alle seine vernünftigen, un- sterblichen Geister, nach seinem erhabensten an- betungswürdigen Ebenbilde erschaffen hat, mit Wohlgefallen kann er es doch unmöglich bei uns bemerken; wenn diese oder jene sinnliche Begier- de, auch nur den kleinsten Widerspruch, gegen die beßern Einsichten unsrer Vernunft erregt, die er uns zur Rathgeberinn und Führerinn in allen unsern Gesinnungen und Handlungen zugesellt hat; wenn auch nur dann und wann eine hefti- ge
heit: Gott hat Geduld mit unſrer Schwach- heit: in uns erweckt? Iſts nicht der: Gott kann ſie, nach der lauterſten Wahrheit, und der ſtrengſten Gerechtigkeit, nicht billigen; wir wür- den doch weit wohlgefälliger in ſeinen allerheilig- ſten Augen erſcheinen, würden eine höhre Stelle unter den edelſten Geſchöpfen in ſeinem Reiche einnehmen, und uns in dem Bewuſtſeyn ſeiner Liebe ſeliger fühlen, wenn uns dieſe Schwachheit nicht anklebte. Und wie ohnſtreitig iſt doch die- ſer Gedanke? denn, mit Wohlgefallen kann ja der Gott, unter deſſen großen verehrungswürdi- gen Eigenſchaften eine ewige heilige Ueberein- ſtimmung herrſcht, deſſen allweiſeſter Wille, im- mer ohne Irrthum und Vorurtheil und Verblen- dung, ſicher und ohnfehlbar die Wahl des Beſten trift; der Gott, der alle ſeine vernünftigen, un- ſterblichen Geiſter, nach ſeinem erhabenſten an- betungswürdigen Ebenbilde erſchaffen hat, mit Wohlgefallen kann er es doch unmöglich bei uns bemerken; wenn dieſe oder jene ſinnliche Begier- de, auch nur den kleinſten Widerſpruch, gegen die beßern Einſichten unſrer Vernunft erregt, die er uns zur Rathgeberinn und Führerinn in allen unſern Geſinnungen und Handlungen zugeſellt hat; wenn auch nur dann und wann eine hefti- ge
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heit: Gott hat Geduld mit unſrer Schwach-
heit: in uns erweckt? Iſts nicht der: Gott
kann ſie, nach der lauterſten Wahrheit, und der
ſtrengſten Gerechtigkeit, nicht billigen; wir wür-
den doch weit wohlgefälliger in ſeinen allerheilig-
ſten Augen erſcheinen, würden eine höhre Stelle
unter den edelſten Geſchöpfen in ſeinem Reiche
einnehmen, und uns in dem Bewuſtſeyn ſeiner
Liebe ſeliger fühlen, wenn uns dieſe Schwachheit
nicht anklebte. Und wie ohnſtreitig iſt doch die-
ſer Gedanke? denn, mit Wohlgefallen kann ja
der Gott, unter deſſen großen verehrungswürdi-
gen Eigenſchaften eine ewige heilige Ueberein-
ſtimmung herrſcht, deſſen allweiſeſter Wille, im-
mer ohne Irrthum und Vorurtheil und Verblen-
dung, ſicher und ohnfehlbar die Wahl des Beſten
trift; der Gott, der alle ſeine vernünftigen, un-
ſterblichen Geiſter, nach ſeinem erhabenſten an-
betungswürdigen Ebenbilde erſchaffen hat, mit
Wohlgefallen kann er es doch unmöglich bei uns
bemerken; wenn dieſe oder jene ſinnliche Begier-
de, auch nur den kleinſten Widerſpruch, gegen
die beßern Einſichten unſrer Vernunft erregt, die
er uns zur Rathgeberinn und Führerinn in allen
unſern Geſinnungen und Handlungen zugeſellt
hat; wenn auch nur dann und wann eine hefti-
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