von der Herrschaft sündlicher Begierden, nach der Erlösung von so unzähligen Leiden der Sün- de, in dieser und jener Welt, zu streben? Wenn wir es nicht fühlen, wie unendlich viel Barmher- zigkeit wir von unserm Vater bedürfen: wie ab- geneigt und träge werden wir seyn, unsern Brü- dern Barmherzigkeit zu beweisen; wie leicht macht Eigennutz und Geiz unser Herz hart gegen die Thränen der Dürftigen, und die Seufzer der Verlassenen; wie leicht beherrscht uns der Zorn, unserm Mitbruder, von dem wir uns beleidigt glauben, Vergebung und Freundschaft zu versa- gen! und wer darf mit einem solchen Herzen Barmherzigkeit bei Gott hoffen? -- Wenn wir uns schon selig genug [i]n dem Besitz der Güter dieser Erde halten, und es nicht fühlen, daß die Welt mit ihrer Lust vergeht: dann werden wir ja immerdar unsern Schatz in lauter ver- gänglichen flüchtigen Freuden suchen, und uns zu spät mit Schrecken betrogen sehn. Wenn wir es nicht fühlen, daß Gott der höchste Trö- ster ist in aller Noth: dann werden wir unter den Leiden der Erde, bald Ruhe in uns selbst, bald Zuflucht bei Menschen, bald Hülfe in Sün- den suchen, und so, auf einen zerbrechlichen Rohrstab nach dem andern gestützt, spät oder
früh,
von der Herrſchaft ſündlicher Begierden, nach der Erlöſung von ſo unzähligen Leiden der Sün- de, in dieſer und jener Welt, zu ſtreben? Wenn wir es nicht fühlen, wie unendlich viel Barmher- zigkeit wir von unſerm Vater bedürfen: wie ab- geneigt und träge werden wir ſeyn, unſern Brü- dern Barmherzigkeit zu beweiſen; wie leicht macht Eigennutz und Geiz unſer Herz hart gegen die Thränen der Dürftigen, und die Seufzer der Verlaſſenen; wie leicht beherrſcht uns der Zorn, unſerm Mitbruder, von dem wir uns beleidigt glauben, Vergebung und Freundſchaft zu verſa- gen! und wer darf mit einem ſolchen Herzen Barmherzigkeit bei Gott hoffen? — Wenn wir uns ſchon ſelig genug [i]n dem Beſitz der Güter dieſer Erde halten, und es nicht fühlen, daß die Welt mit ihrer Luſt vergeht: dann werden wir ja immerdar unſern Schatz in lauter ver- gänglichen flüchtigen Freuden ſuchen, und uns zu ſpät mit Schrecken betrogen ſehn. Wenn wir es nicht fühlen, daß Gott der höchſte Trö- ſter iſt in aller Noth: dann werden wir unter den Leiden der Erde, bald Ruhe in uns ſelbſt, bald Zuflucht bei Menſchen, bald Hülfe in Sün- den ſuchen, und ſo, auf einen zerbrechlichen Rohrſtab nach dem andern geſtützt, ſpät oder
früh,
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von der Herrſchaft ſündlicher Begierden, nach
der Erlöſung von ſo unzähligen Leiden der Sün-
de, in dieſer und jener Welt, zu ſtreben? Wenn
wir es nicht fühlen, wie unendlich viel Barmher-
zigkeit wir von unſerm Vater bedürfen: wie ab-
geneigt und träge werden wir ſeyn, unſern Brü-
dern Barmherzigkeit zu beweiſen; wie leicht macht
Eigennutz und Geiz unſer Herz hart gegen die
Thränen der Dürftigen, und die Seufzer der
Verlaſſenen; wie leicht beherrſcht uns der Zorn,
unſerm Mitbruder, von dem wir uns beleidigt
glauben, Vergebung und Freundſchaft zu verſa-
gen! und wer darf mit einem ſolchen Herzen
Barmherzigkeit bei Gott hoffen? — Wenn wir
uns ſchon ſelig genug in dem Beſitz der Güter
dieſer Erde halten, und es nicht fühlen, daß
die Welt mit ihrer Luſt vergeht: dann werden
wir ja immerdar unſern Schatz in lauter ver-
gänglichen flüchtigen Freuden ſuchen, und uns
zu ſpät mit Schrecken betrogen ſehn. Wenn
wir es nicht fühlen, daß Gott der höchſte Trö-
ſter iſt in aller Noth: dann werden wir unter
den Leiden der Erde, bald Ruhe in uns ſelbſt,
bald Zuflucht bei Menſchen, bald Hülfe in Sün-
den ſuchen, und ſo, auf einen zerbrechlichen
Rohrſtab nach dem andern geſtützt, ſpät oder
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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/186>, abgerufen am 21.02.2025.
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