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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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zum Tage deines Anschauns, dich im Gedächt-
niß halten. "Folge mir nach!" rufe mir täg-
lich deine Stimme, von deinem Grabe wie vom
Throne deiner Herrlichkeit. Aber sie fordert
mehr, als Betrachtung und Gebet; mehr, als
Thränen der Rührung und des Danks; mehr,
als bloße Entschließungen: sie fordert Thaten
der Nachahmung.
Auch mir hast du ein Vor-
bild hinterlaßen: ich will deinen Fußstapfen fol-
gen. Heute sind Thränen und Gelübde mein
Opfer bei deinem Grabe: künftig will ich auf
dies Grab, das mit so unvergeßlichen Verdiensten
umringt ist, viel gute Thaten für jenen Tag der
Erndte streun. -- "Folge mir nach!" so wird
auch mir, wenn meine Stunde gekommen ist,
einst deine Stimme, zum Eingange in mein
Grab rufen. Wohl mir! wenn auch ich dann,
nach vollbrachter Arbeit, wie du, in sanftem
Frieden schlummern kann! Wohl mir! hat die
Welt mich auch verkannt, bin ich nur in deinen
Augen werth!
Wohl mir! könnt ich auch mir
ein Ehren-Gedächtniß stiften, das der Verwe-
sung trotzt, weil es die Unsterblichkeit erwartet!
Nicht das Gedächtniß der Pracht, in welcher
man meinen entseelten Leichnam kleiden und zu sei-
ner Ruhestätte begleiten mögte; nicht das Ge-

dächt-



zum Tage deines Anſchauns, dich im Gedächt-
niß halten. “Folge mir nach!” rufe mir täg-
lich deine Stimme, von deinem Grabe wie vom
Throne deiner Herrlichkeit. Aber ſie fordert
mehr, als Betrachtung und Gebet; mehr, als
Thränen der Rührung und des Danks; mehr,
als bloße Entſchließungen: ſie fordert Thaten
der Nachahmung.
Auch mir haſt du ein Vor-
bild hinterlaßen: ich will deinen Fußſtapfen fol-
gen. Heute ſind Thränen und Gelübde mein
Opfer bei deinem Grabe: künftig will ich auf
dies Grab, das mit ſo unvergeßlichen Verdienſten
umringt iſt, viel gute Thaten für jenen Tag der
Erndte ſtreun. — “Folge mir nach!” ſo wird
auch mir, wenn meine Stunde gekommen iſt,
einſt deine Stimme, zum Eingange in mein
Grab rufen. Wohl mir! wenn auch ich dann,
nach vollbrachter Arbeit, wie du, in ſanftem
Frieden ſchlummern kann! Wohl mir! hat die
Welt mich auch verkannt, bin ich nur in deinen
Augen werth!
Wohl mir! könnt ich auch mir
ein Ehren-Gedächtniß ſtiften, das der Verwe-
ſung trotzt, weil es die Unſterblichkeit erwartet!
Nicht das Gedächtniß der Pracht, in welcher
man meinen entſeelten Leichnam kleiden und zu ſei-
ner Ruheſtätte begleiten mögte; nicht das Ge-

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[319/0371] zum Tage deines Anſchauns, dich im Gedächt- niß halten. “Folge mir nach!” rufe mir täg- lich deine Stimme, von deinem Grabe wie vom Throne deiner Herrlichkeit. Aber ſie fordert mehr, als Betrachtung und Gebet; mehr, als Thränen der Rührung und des Danks; mehr, als bloße Entſchließungen: ſie fordert Thaten der Nachahmung. Auch mir haſt du ein Vor- bild hinterlaßen: ich will deinen Fußſtapfen fol- gen. Heute ſind Thränen und Gelübde mein Opfer bei deinem Grabe: künftig will ich auf dies Grab, das mit ſo unvergeßlichen Verdienſten umringt iſt, viel gute Thaten für jenen Tag der Erndte ſtreun. — “Folge mir nach!” ſo wird auch mir, wenn meine Stunde gekommen iſt, einſt deine Stimme, zum Eingange in mein Grab rufen. Wohl mir! wenn auch ich dann, nach vollbrachter Arbeit, wie du, in ſanftem Frieden ſchlummern kann! Wohl mir! hat die Welt mich auch verkannt, bin ich nur in deinen Augen werth! Wohl mir! könnt ich auch mir ein Ehren-Gedächtniß ſtiften, das der Verwe- ſung trotzt, weil es die Unſterblichkeit erwartet! Nicht das Gedächtniß der Pracht, in welcher man meinen entſeelten Leichnam kleiden und zu ſei- ner Ruheſtätte begleiten mögte; nicht das Ge- dächt-

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/371>, abgerufen am 28.09.2024.