Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Zeit macht sich jedoch, besonders in Paris, die Tendenz geltend,
wieder zu der früheren leichteren Bauart zurückzukehren. Man
will eben immer etwas Neues haben. Die Wagenmoden wechseln
aber aus nahe zur Hand liegenden Gründen nicht so schnell
und häufig wie die Kleiderschnitte. Die runden, tiefen Kasten
(vergl. Fig. 60) dürften daher noch geraume Zeit hindurch das
Feld behaupten. Dass bereits eine, vorläufig allerdings nur
schüchterne, Opposition gegen dieselben wahrgenommen werden
kann, steht jedoch fest und ist freudig zu begrüssen.

Die elegantesten, wie auch die extravagantesten Victorias
sieht man gegenwärtig in New-York, Boston und Chicago. Das
kommt daher, dass es dort zahlreiche Öl-, Schmalz- und sonstige
"Könige" giebt, die hauptsächlich ihren Frauen zu Liebe, sich
ehrliche Mühe geben, Staunenswertes auf dem Gebiete des
Luxus zu leisten. "Vor allem teurer und schöner wie in London,
Paris oder Wien!" heisst es in jenen Kreisen, sobald etwas
Neues für die Damen des Hauses angeschafft werden soll. Selbst-
verständlich kommt dies auch dem Fahrsport zu gute. Und da
nun die amerikanischen Wagenfabrikanten über ein vorzügliches
Material und sehr geschickte Arbeiter verfügen, werden wir
wohl demnächst unsere Equipagenmoden aus New-York beziehen
müssen, demselben New-York, das noch vor zehn Jahren kaum
ein einziges wirklich elegantes, nicht zur Kategorie der Buggies
gehörendes Fuhrwerk aufzuweisen vermochte.

Besonders mit der Garnierung eleganter Wagen wird in
Amerika ein unerhörter Luxus getrieben. So fuhr dort die auch
in Europa bekannt gewordene Miss Pullman in einer Victoria,
deren Garnierung aus Silberbrokat bestand. Wer sich das nicht
leisten kann, nimmt schwarzen Atlas, falls ihm nicht violett
besser zu Gesicht steht. Immer aber passt die Toilette der
Insassin bis auf die Handschuhe zur Garnierung des Wagens.
Dazu kommen dann noch möglichst viele, ebenfalls mit genauer
Berücksichtigung der Farben gewählte Blumen auf dem Schosse
der Dame und im rückwärtigen Teil des Wagens. Manche der

Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Zeit macht sich jedoch, besonders in Paris, die Tendenz geltend,
wieder zu der früheren leichteren Bauart zurückzukehren. Man
will eben immer etwas Neues haben. Die Wagenmoden wechseln
aber aus nahe zur Hand liegenden Gründen nicht so schnell
und häufig wie die Kleiderschnitte. Die runden, tiefen Kasten
(vergl. Fig. 60) dürften daher noch geraume Zeit hindurch das
Feld behaupten. Dass bereits eine, vorläufig allerdings nur
schüchterne, Opposition gegen dieselben wahrgenommen werden
kann, steht jedoch fest und ist freudig zu begrüssen.

Die elegantesten, wie auch die extravagantesten Victorias
sieht man gegenwärtig in New-York, Boston und Chicago. Das
kommt daher, dass es dort zahlreiche Öl-, Schmalz- und sonstige
„Könige“ giebt, die hauptsächlich ihren Frauen zu Liebe, sich
ehrliche Mühe geben, Staunenswertes auf dem Gebiete des
Luxus zu leisten. „Vor allem teurer und schöner wie in London,
Paris oder Wien!“ heisst es in jenen Kreisen, sobald etwas
Neues für die Damen des Hauses angeschafft werden soll. Selbst-
verständlich kommt dies auch dem Fahrsport zu gute. Und da
nun die amerikanischen Wagenfabrikanten über ein vorzügliches
Material und sehr geschickte Arbeiter verfügen, werden wir
wohl demnächst unsere Equipagenmoden aus New-York beziehen
müssen, demselben New-York, das noch vor zehn Jahren kaum
ein einziges wirklich elegantes, nicht zur Kategorie der Buggies
gehörendes Fuhrwerk aufzuweisen vermochte.

Besonders mit der Garnierung eleganter Wagen wird in
Amerika ein unerhörter Luxus getrieben. So fuhr dort die auch
in Europa bekannt gewordene Miss Pullman in einer Victoria,
deren Garnierung aus Silberbrokat bestand. Wer sich das nicht
leisten kann, nimmt schwarzen Atlas, falls ihm nicht violett
besser zu Gesicht steht. Immer aber passt die Toilette der
Insassin bis auf die Handschuhe zur Garnierung des Wagens.
Dazu kommen dann noch möglichst viele, ebenfalls mit genauer
Berücksichtigung der Farben gewählte Blumen auf dem Schosse
der Dame und im rückwärtigen Teil des Wagens. Manche der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="92"/><fw place="top" type="header">Die zweispännigen Luxus-Equipagen.</fw><lb/>
Zeit macht sich jedoch, besonders in Paris, die Tendenz geltend,<lb/>
wieder zu der früheren leichteren Bauart zurückzukehren. Man<lb/>
will eben immer etwas Neues haben. Die Wagenmoden wechseln<lb/>
aber aus nahe zur Hand liegenden Gründen nicht so schnell<lb/>
und häufig wie die Kleiderschnitte. Die runden, tiefen Kasten<lb/>
(vergl. Fig. 60) dürften daher noch geraume Zeit hindurch das<lb/>
Feld behaupten. Dass bereits eine, vorläufig allerdings nur<lb/>
schüchterne, Opposition gegen dieselben wahrgenommen werden<lb/>
kann, steht jedoch fest und ist freudig zu begrüssen.</p><lb/>
        <p>Die elegantesten, wie auch die extravagantesten Victorias<lb/>
sieht man gegenwärtig in New-York, Boston und Chicago. Das<lb/>
kommt daher, dass es dort zahlreiche Öl-, Schmalz- und sonstige<lb/>
&#x201E;Könige&#x201C; giebt, die hauptsächlich ihren Frauen zu Liebe, sich<lb/>
ehrliche Mühe geben, Staunenswertes auf dem Gebiete des<lb/>
Luxus zu leisten. &#x201E;Vor allem teurer und schöner wie in London,<lb/>
Paris oder Wien!&#x201C; heisst es in jenen Kreisen, sobald etwas<lb/>
Neues für die Damen des Hauses angeschafft werden soll. Selbst-<lb/>
verständlich kommt dies auch dem Fahrsport zu gute. Und da<lb/>
nun die amerikanischen Wagenfabrikanten über ein vorzügliches<lb/>
Material und sehr geschickte Arbeiter verfügen, werden wir<lb/>
wohl demnächst unsere Equipagenmoden aus New-York beziehen<lb/>
müssen, demselben New-York, das noch vor zehn Jahren kaum<lb/>
ein einziges wirklich elegantes, nicht zur Kategorie der Buggies<lb/>
gehörendes Fuhrwerk aufzuweisen vermochte.</p><lb/>
        <p>Besonders mit der Garnierung eleganter Wagen wird in<lb/>
Amerika ein unerhörter Luxus getrieben. So fuhr dort die auch<lb/>
in Europa bekannt gewordene Miss Pullman in einer Victoria,<lb/>
deren Garnierung aus Silberbrokat bestand. Wer sich das nicht<lb/>
leisten kann, nimmt schwarzen Atlas, falls ihm nicht violett<lb/>
besser zu Gesicht steht. Immer aber passt die Toilette der<lb/>
Insassin bis auf die Handschuhe zur Garnierung des Wagens.<lb/>
Dazu kommen dann noch möglichst viele, ebenfalls mit genauer<lb/>
Berücksichtigung der Farben gewählte Blumen auf dem Schosse<lb/>
der Dame und im rückwärtigen Teil des Wagens. Manche der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0106] Die zweispännigen Luxus-Equipagen. Zeit macht sich jedoch, besonders in Paris, die Tendenz geltend, wieder zu der früheren leichteren Bauart zurückzukehren. Man will eben immer etwas Neues haben. Die Wagenmoden wechseln aber aus nahe zur Hand liegenden Gründen nicht so schnell und häufig wie die Kleiderschnitte. Die runden, tiefen Kasten (vergl. Fig. 60) dürften daher noch geraume Zeit hindurch das Feld behaupten. Dass bereits eine, vorläufig allerdings nur schüchterne, Opposition gegen dieselben wahrgenommen werden kann, steht jedoch fest und ist freudig zu begrüssen. Die elegantesten, wie auch die extravagantesten Victorias sieht man gegenwärtig in New-York, Boston und Chicago. Das kommt daher, dass es dort zahlreiche Öl-, Schmalz- und sonstige „Könige“ giebt, die hauptsächlich ihren Frauen zu Liebe, sich ehrliche Mühe geben, Staunenswertes auf dem Gebiete des Luxus zu leisten. „Vor allem teurer und schöner wie in London, Paris oder Wien!“ heisst es in jenen Kreisen, sobald etwas Neues für die Damen des Hauses angeschafft werden soll. Selbst- verständlich kommt dies auch dem Fahrsport zu gute. Und da nun die amerikanischen Wagenfabrikanten über ein vorzügliches Material und sehr geschickte Arbeiter verfügen, werden wir wohl demnächst unsere Equipagenmoden aus New-York beziehen müssen, demselben New-York, das noch vor zehn Jahren kaum ein einziges wirklich elegantes, nicht zur Kategorie der Buggies gehörendes Fuhrwerk aufzuweisen vermochte. Besonders mit der Garnierung eleganter Wagen wird in Amerika ein unerhörter Luxus getrieben. So fuhr dort die auch in Europa bekannt gewordene Miss Pullman in einer Victoria, deren Garnierung aus Silberbrokat bestand. Wer sich das nicht leisten kann, nimmt schwarzen Atlas, falls ihm nicht violett besser zu Gesicht steht. Immer aber passt die Toilette der Insassin bis auf die Handschuhe zur Garnierung des Wagens. Dazu kommen dann noch möglichst viele, ebenfalls mit genauer Berücksichtigung der Farben gewählte Blumen auf dem Schosse der Dame und im rückwärtigen Teil des Wagens. Manche der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898/106
Zitationshilfe: Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898/106>, abgerufen am 21.11.2024.