Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.I. Die psychischen Elemente. der Empfindung im allgemeinen eine qualitative oder inten-sive Aenderung des Gefühlstons parallel geht. Zugleich ver- halten sich nun aber diese beziehungsweisen Aenderungen bei den Gefühlssystemen wesentlich abweichend von den ent- sprechenden Aenderungen in den Empfindungssystemen, so dass es deshalb auch unmöglich ist, etwa den Gefühlston als ein der Qualität und Intensität analoges drittes Bestimmungsstück der Empfindung zu betrachten. Aendert man nämlich die Empfindungsintensität, so ändert sich damit der Gefühlston nicht bloß intensiv, sondern auch qualitativ; und ändert man die Qualität der Empfindung, so ändert sich der Gefühlston nicht blos qualitativ, sondern auch intensiv. Steigert man z. B. die Empfindung Süß, so geht der Gefühlston aus einem angenehmen in einen unangenehmen über; und lässt man die Empfindung Süß allmählich bei gleicher Stärke in Sauer oder Bitter übergehen, so bemerkt man, dass das Saure, und noch mehr das Bittere, bei gleicher Empfindungsintensität eine stärkere Gefühlserregung als das Süße hervorbringt. Jede Empfindungsänderung ist also im allgemeinen von einer zweifachen Gefühlsänderung begleitet. Zugleich ist aber für die Art, wie hierbei Qualitäts- und Intensitätsänderung des Gefühlstons an einander gebunden sind, das in § 5 (S. 40) hervorgehobene Princip maßgebend, dass sich jede in einer Dimension vor sich gehende Ge- fühlsänderung nicht, wie die entsprechende Empfindungs- änderung, zwischen größten Unterschieden, sondern zwischen Gegensätzen bewegt. 4. In Folge dieses Princips entsprechen größten quali- I. Die psychischen Elemente. der Empfindung im allgemeinen eine qualitative oder inten-sive Aenderung des Gefühlstons parallel geht. Zugleich ver- halten sich nun aber diese beziehungsweisen Aenderungen bei den Gefühlssystemen wesentlich abweichend von den ent- sprechenden Aenderungen in den Empfindungssystemen, so dass es deshalb auch unmöglich ist, etwa den Gefühlston als ein der Qualität und Intensität analoges drittes Bestimmungsstück der Empfindung zu betrachten. Aendert man nämlich die Empfindungsintensität, so ändert sich damit der Gefühlston nicht bloß intensiv, sondern auch qualitativ; und ändert man die Qualität der Empfindung, so ändert sich der Gefühlston nicht blos qualitativ, sondern auch intensiv. Steigert man z. B. die Empfindung Süß, so geht der Gefühlston aus einem angenehmen in einen unangenehmen über; und lässt man die Empfindung Süß allmählich bei gleicher Stärke in Sauer oder Bitter übergehen, so bemerkt man, dass das Saure, und noch mehr das Bittere, bei gleicher Empfindungsintensität eine stärkere Gefühlserregung als das Süße hervorbringt. Jede Empfindungsänderung ist also im allgemeinen von einer zweifachen Gefühlsänderung begleitet. Zugleich ist aber für die Art, wie hierbei Qualitäts- und Intensitätsänderung des Gefühlstons an einander gebunden sind, das in § 5 (S. 40) hervorgehobene Princip maßgebend, dass sich jede in einer Dimension vor sich gehende Ge- fühlsänderung nicht, wie die entsprechende Empfindungs- änderung, zwischen größten Unterschieden, sondern zwischen Gegensätzen bewegt. 4. In Folge dieses Princips entsprechen größten quali- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0108" n="92"/><fw place="top" type="header">I. Die psychischen Elemente.</fw><lb/> der Empfindung im allgemeinen eine qualitative oder inten-<lb/> sive Aenderung des Gefühlstons parallel geht. Zugleich ver-<lb/> halten sich nun aber diese beziehungsweisen Aenderungen<lb/> bei den Gefühlssystemen wesentlich abweichend von den ent-<lb/> sprechenden Aenderungen in den Empfindungssystemen, so dass<lb/> es deshalb auch unmöglich ist, etwa den Gefühlston als ein<lb/> der Qualität und Intensität analoges drittes Bestimmungsstück<lb/> der Empfindung zu betrachten. Aendert man nämlich die<lb/> Empfindungsintensität, so ändert sich damit der Gefühlston<lb/> nicht bloß intensiv, sondern auch qualitativ; und ändert man<lb/> die Qualität der Empfindung, so ändert sich der Gefühlston<lb/> nicht blos qualitativ, sondern auch intensiv. Steigert man<lb/> z. B. die Empfindung Süß, so geht der Gefühlston aus einem<lb/> angenehmen in einen unangenehmen über; und lässt man<lb/> die Empfindung Süß allmählich bei gleicher Stärke in Sauer<lb/> oder Bitter übergehen, so bemerkt man, dass das Saure, und<lb/> noch mehr das Bittere, bei gleicher Empfindungsintensität<lb/> eine stärkere Gefühlserregung als das Süße hervorbringt.<lb/><hi rendition="#g">Jede Empfindungsänderung ist also im allgemeinen<lb/> von einer zweifachen Gefühlsänderung begleitet</hi>.<lb/> Zugleich ist aber für die Art, wie hierbei Qualitäts- und<lb/> Intensitätsänderung des Gefühlstons an einander gebunden<lb/> sind, das in § 5 (S. 40) hervorgehobene Princip maßgebend,<lb/> dass sich jede in <hi rendition="#g">einer</hi> Dimension vor sich gehende Ge-<lb/> fühlsänderung nicht, wie die entsprechende Empfindungs-<lb/> änderung, zwischen größten Unterschieden, sondern zwischen<lb/><hi rendition="#g">Gegensätzen</hi> bewegt.</p><lb/> <p>4. In Folge dieses Princips entsprechen größten quali-<lb/> tativen Unterschieden der Empfindung <hi rendition="#g">qualitativ</hi> größte<lb/> Gegensätze, <hi rendition="#g">intensiv</hi> aber Maximalwerthe des Gefühls,<lb/> die entweder von gleicher Größe sind oder sich, je nach<lb/> der besonderen Eigenthümlichkeit der qualitativen Gegen-<lb/> sätze, wenigstens der Gleichheit nähern; und der Mitte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0108]
I. Die psychischen Elemente.
der Empfindung im allgemeinen eine qualitative oder inten-
sive Aenderung des Gefühlstons parallel geht. Zugleich ver-
halten sich nun aber diese beziehungsweisen Aenderungen
bei den Gefühlssystemen wesentlich abweichend von den ent-
sprechenden Aenderungen in den Empfindungssystemen, so dass
es deshalb auch unmöglich ist, etwa den Gefühlston als ein
der Qualität und Intensität analoges drittes Bestimmungsstück
der Empfindung zu betrachten. Aendert man nämlich die
Empfindungsintensität, so ändert sich damit der Gefühlston
nicht bloß intensiv, sondern auch qualitativ; und ändert man
die Qualität der Empfindung, so ändert sich der Gefühlston
nicht blos qualitativ, sondern auch intensiv. Steigert man
z. B. die Empfindung Süß, so geht der Gefühlston aus einem
angenehmen in einen unangenehmen über; und lässt man
die Empfindung Süß allmählich bei gleicher Stärke in Sauer
oder Bitter übergehen, so bemerkt man, dass das Saure, und
noch mehr das Bittere, bei gleicher Empfindungsintensität
eine stärkere Gefühlserregung als das Süße hervorbringt.
Jede Empfindungsänderung ist also im allgemeinen
von einer zweifachen Gefühlsänderung begleitet.
Zugleich ist aber für die Art, wie hierbei Qualitäts- und
Intensitätsänderung des Gefühlstons an einander gebunden
sind, das in § 5 (S. 40) hervorgehobene Princip maßgebend,
dass sich jede in einer Dimension vor sich gehende Ge-
fühlsänderung nicht, wie die entsprechende Empfindungs-
änderung, zwischen größten Unterschieden, sondern zwischen
Gegensätzen bewegt.
4. In Folge dieses Princips entsprechen größten quali-
tativen Unterschieden der Empfindung qualitativ größte
Gegensätze, intensiv aber Maximalwerthe des Gefühls,
die entweder von gleicher Größe sind oder sich, je nach
der besonderen Eigenthümlichkeit der qualitativen Gegen-
sätze, wenigstens der Gleichheit nähern; und der Mitte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |