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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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II. Die psychischen Gebilde.
Sehfelde bildet nämlich einen Reiz für den Innervations-
mechanismus des Auges, so dass sich die Blicklinie reflec-
torisch auf denselben einzustellen strebt. In dieser reflec-
torischen Beziehung excentrisch gelegener Lichtreize zur
Netzhautmitte liegt einestheils wahrscheinlich eine wesent-
liche Bedingung zur Ausbildung der oben erwähnten Synergie
der Augenbewegungen; anderseits erklärt sie die große
Schwierigkeit der Beobachtung indirect gesehener Objecte.
Diese Schwierigkeit entspringt offenbar daraus, dass die
Richtung der Aufmerksamkeit auf einen seitlich gelegenen
Punkt die Reflexwirksamkeit desselben im Vergleich mit
andern, nicht in ähnlicher Weise bevorzugten Punkten ver-
größert. In Folge der dominirenden Bedeutung, die so das
Netzhautcentrum bei den Bewegungen des Auges gewinnt,
wird nothwendig der Blickpunkt zum Mittelpunkt der Orien-
tirung im Sehfeld, und alle Entfernungen in diesem werden
dadurch einem einheitlichen Maße unterworfen, dass sie
sämmtlich in Bezug auf den Blickpunkt bestimmt werden.
Indem nun die Localzeichen immer erst durch die äußeren
Lichteindrücke ausgelöst werden, beide zusammen aber die
nach dem Netzhautcentrum orientirten Augenbewegungen
bestimmen, stellt sich so der ganze Vorgang der räumlichen
Ordnung als ein Process der Verschmelzung dreier verschie-
dener Empfindungselemente dar, nämlich der in der Be-
schaffenheit der äußeren Reize begründeten Empfindungs-
qualitäten, der von den Orten der Reizeinwirkung abhängigen
qualitativen Localzeichen und der durch die Beziehung der
gereizten Punkte zum Netzhautcentrum bestimmten intensiv
abgestuften Bewegungsempfindungen. Dabei können die letz-
teren entweder, und dies ist das ursprüngliche, die wirk-
liche Bewegung begleiten; oder sie können sich bei ruhen-
dem Auge als bloße Bewegungsantriebe von bestimmter
Größe geltend machen. Wegen der regelmäßigen Zuordnung

II. Die psychischen Gebilde.
Sehfelde bildet nämlich einen Reiz für den Innervations-
mechanismus des Auges, so dass sich die Blicklinie reflec-
torisch auf denselben einzustellen strebt. In dieser reflec-
torischen Beziehung excentrisch gelegener Lichtreize zur
Netzhautmitte liegt einestheils wahrscheinlich eine wesent-
liche Bedingung zur Ausbildung der oben erwähnten Synergie
der Augenbewegungen; anderseits erklärt sie die große
Schwierigkeit der Beobachtung indirect gesehener Objecte.
Diese Schwierigkeit entspringt offenbar daraus, dass die
Richtung der Aufmerksamkeit auf einen seitlich gelegenen
Punkt die Reflexwirksamkeit desselben im Vergleich mit
andern, nicht in ähnlicher Weise bevorzugten Punkten ver-
größert. In Folge der dominirenden Bedeutung, die so das
Netzhautcentrum bei den Bewegungen des Auges gewinnt,
wird nothwendig der Blickpunkt zum Mittelpunkt der Orien-
tirung im Sehfeld, und alle Entfernungen in diesem werden
dadurch einem einheitlichen Maße unterworfen, dass sie
sämmtlich in Bezug auf den Blickpunkt bestimmt werden.
Indem nun die Localzeichen immer erst durch die äußeren
Lichteindrücke ausgelöst werden, beide zusammen aber die
nach dem Netzhautcentrum orientirten Augenbewegungen
bestimmen, stellt sich so der ganze Vorgang der räumlichen
Ordnung als ein Process der Verschmelzung dreier verschie-
dener Empfindungselemente dar, nämlich der in der Be-
schaffenheit der äußeren Reize begründeten Empfindungs-
qualitäten, der von den Orten der Reizeinwirkung abhängigen
qualitativen Localzeichen und der durch die Beziehung der
gereizten Punkte zum Netzhautcentrum bestimmten intensiv
abgestuften Bewegungsempfindungen. Dabei können die letz-
teren entweder, und dies ist das ursprüngliche, die wirk-
liche Bewegung begleiten; oder sie können sich bei ruhen-
dem Auge als bloße Bewegungsantriebe von bestimmter
Größe geltend machen. Wegen der regelmäßigen Zuordnung

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[152/0168] II. Die psychischen Gebilde. Sehfelde bildet nämlich einen Reiz für den Innervations- mechanismus des Auges, so dass sich die Blicklinie reflec- torisch auf denselben einzustellen strebt. In dieser reflec- torischen Beziehung excentrisch gelegener Lichtreize zur Netzhautmitte liegt einestheils wahrscheinlich eine wesent- liche Bedingung zur Ausbildung der oben erwähnten Synergie der Augenbewegungen; anderseits erklärt sie die große Schwierigkeit der Beobachtung indirect gesehener Objecte. Diese Schwierigkeit entspringt offenbar daraus, dass die Richtung der Aufmerksamkeit auf einen seitlich gelegenen Punkt die Reflexwirksamkeit desselben im Vergleich mit andern, nicht in ähnlicher Weise bevorzugten Punkten ver- größert. In Folge der dominirenden Bedeutung, die so das Netzhautcentrum bei den Bewegungen des Auges gewinnt, wird nothwendig der Blickpunkt zum Mittelpunkt der Orien- tirung im Sehfeld, und alle Entfernungen in diesem werden dadurch einem einheitlichen Maße unterworfen, dass sie sämmtlich in Bezug auf den Blickpunkt bestimmt werden. Indem nun die Localzeichen immer erst durch die äußeren Lichteindrücke ausgelöst werden, beide zusammen aber die nach dem Netzhautcentrum orientirten Augenbewegungen bestimmen, stellt sich so der ganze Vorgang der räumlichen Ordnung als ein Process der Verschmelzung dreier verschie- dener Empfindungselemente dar, nämlich der in der Be- schaffenheit der äußeren Reize begründeten Empfindungs- qualitäten, der von den Orten der Reizeinwirkung abhängigen qualitativen Localzeichen und der durch die Beziehung der gereizten Punkte zum Netzhautcentrum bestimmten intensiv abgestuften Bewegungsempfindungen. Dabei können die letz- teren entweder, und dies ist das ursprüngliche, die wirk- liche Bewegung begleiten; oder sie können sich bei ruhen- dem Auge als bloße Bewegungsantriebe von bestimmter Größe geltend machen. Wegen der regelmäßigen Zuordnung

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/168>, abgerufen am 24.11.2024.