Gleichwohl lassen sich auch bei der Zeit die beiden in der Wirklichkeit immer verbundenen Bedingungen, das Verhältniss der Elemente zu einander und dasjenige zum vorstellenden Sub- jecte, von einander sondern, insofern jede von ihnen mit be- stimmten Eigenschaften der Zeitvorstellungen zusammenhängt. In der That hat jene Unterscheidung der Bedingungen schon vor einer genaueren psychologischen Analyse der Zeitvorstellungen in bestimmten Bezeichnungen der Sprache für gewisse Formen des Zeitverlaufs ihren Ausdruck gefunden. Achtet man nämlich bloß auf das Verhältniss der Zeitelemente zu einander ohne Rücksicht auf ihr Verhältniss zum Subject, so kommt man zur Unterscheidung von Arten des Zeitverlaufs, wie z. B. kurz dauernd, lang dauernd, sich regelmäßig wiederholend, unregel- mäßig wechselnd u. s. w. Achtet man dagegen bloß auf das Verhältniss zum Subject unter Abstraction von den objectiven Verlaufsformen, so ergeben sich als die Hauptformen dieses Ver- hältnisses die Zeitstufen des Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen.
A. Die zeitlichen Tastvorstellungen.
3. Die ursprüngliche Entwicklung der zeitlichen Vor- stellungen gehört dem Tastsinne an, dessen Empfindungen demnach das allgemeine Substrat für die Entstehung so- wohl der räumlichen wie der zeitlichen Ordnungen der Vor- stellungselemente abgeben (S. 122, 3). Während aber die raumbildenden Functionen des Tastsinns von den äußeren Tastempfindungen ausgehen, sind die inneren, die die Tastbewegungen begleiten, die primären Inhalte der ur- sprünglichsten zeitlichen Vorstellungen.
Eine wichtige physiologische Grundlage für die Ent- stehung dieser Vorstellungen bilden die mechanischen Eigenschaften der tastenden Bewegungsorgane. Indem diese, die Arme und Beine, durch Muskelwirkungen in den Gelenken der Schulter und der Hüfte gedreht werden können und dabei zugleich der nach abwärts ziehenden Wirkung der Schwere unterworfen sind, sind im allgemeinen zweierlei
II. Die psychischen Gebilde.
Gleichwohl lassen sich auch bei der Zeit die beiden in der Wirklichkeit immer verbundenen Bedingungen, das Verhältniss der Elemente zu einander und dasjenige zum vorstellenden Sub- jecte, von einander sondern, insofern jede von ihnen mit be- stimmten Eigenschaften der Zeitvorstellungen zusammenhängt. In der That hat jene Unterscheidung der Bedingungen schon vor einer genaueren psychologischen Analyse der Zeitvorstellungen in bestimmten Bezeichnungen der Sprache für gewisse Formen des Zeitverlaufs ihren Ausdruck gefunden. Achtet man nämlich bloß auf das Verhältniss der Zeitelemente zu einander ohne Rücksicht auf ihr Verhältniss zum Subject, so kommt man zur Unterscheidung von Arten des Zeitverlaufs, wie z. B. kurz dauernd, lang dauernd, sich regelmäßig wiederholend, unregel- mäßig wechselnd u. s. w. Achtet man dagegen bloß auf das Verhältniss zum Subject unter Abstraction von den objectiven Verlaufsformen, so ergeben sich als die Hauptformen dieses Ver- hältnisses die Zeitstufen des Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen.
A. Die zeitlichen Tastvorstellungen.
3. Die ursprüngliche Entwicklung der zeitlichen Vor- stellungen gehört dem Tastsinne an, dessen Empfindungen demnach das allgemeine Substrat für die Entstehung so- wohl der räumlichen wie der zeitlichen Ordnungen der Vor- stellungselemente abgeben (S. 122, 3). Während aber die raumbildenden Functionen des Tastsinns von den äußeren Tastempfindungen ausgehen, sind die inneren, die die Tastbewegungen begleiten, die primären Inhalte der ur- sprünglichsten zeitlichen Vorstellungen.
Eine wichtige physiologische Grundlage für die Ent- stehung dieser Vorstellungen bilden die mechanischen Eigenschaften der tastenden Bewegungsorgane. Indem diese, die Arme und Beine, durch Muskelwirkungen in den Gelenken der Schulter und der Hüfte gedreht werden können und dabei zugleich der nach abwärts ziehenden Wirkung der Schwere unterworfen sind, sind im allgemeinen zweierlei
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II. Die psychischen Gebilde.
Gleichwohl lassen sich auch bei der Zeit die beiden in der
Wirklichkeit immer verbundenen Bedingungen, das Verhältniss
der Elemente zu einander und dasjenige zum vorstellenden Sub-
jecte, von einander sondern, insofern jede von ihnen mit be-
stimmten Eigenschaften der Zeitvorstellungen zusammenhängt. In
der That hat jene Unterscheidung der Bedingungen schon vor
einer genaueren psychologischen Analyse der Zeitvorstellungen
in bestimmten Bezeichnungen der Sprache für gewisse Formen
des Zeitverlaufs ihren Ausdruck gefunden. Achtet man nämlich
bloß auf das Verhältniss der Zeitelemente zu einander ohne
Rücksicht auf ihr Verhältniss zum Subject, so kommt man zur
Unterscheidung von Arten des Zeitverlaufs, wie z. B. kurz
dauernd, lang dauernd, sich regelmäßig wiederholend, unregel-
mäßig wechselnd u. s. w. Achtet man dagegen bloß auf das
Verhältniss zum Subject unter Abstraction von den objectiven
Verlaufsformen, so ergeben sich als die Hauptformen dieses Ver-
hältnisses die Zeitstufen des Vergangenen, Gegenwärtigen und
Zukünftigen.
A. Die zeitlichen Tastvorstellungen.
3. Die ursprüngliche Entwicklung der zeitlichen Vor-
stellungen gehört dem Tastsinne an, dessen Empfindungen
demnach das allgemeine Substrat für die Entstehung so-
wohl der räumlichen wie der zeitlichen Ordnungen der Vor-
stellungselemente abgeben (S. 122, 3). Während aber die
raumbildenden Functionen des Tastsinns von den äußeren
Tastempfindungen ausgehen, sind die inneren, die die
Tastbewegungen begleiten, die primären Inhalte der ur-
sprünglichsten zeitlichen Vorstellungen.
Eine wichtige physiologische Grundlage für die Ent-
stehung dieser Vorstellungen bilden die mechanischen
Eigenschaften der tastenden Bewegungsorgane. Indem diese,
die Arme und Beine, durch Muskelwirkungen in den Gelenken
der Schulter und der Hüfte gedreht werden können und
dabei zugleich der nach abwärts ziehenden Wirkung der
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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/186>, abgerufen am 21.11.2024.
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