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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 13. Die Affecte.
während zugleich die Puls- wie die Athmungsbewegungen
schwächer werden, und der Tonus der äußeren Muskeln bis
zu lähmungsartiger Erschlaffung abnimmt: asthenische
Affecte
. Ein letzter Unterschied, der aber nicht wohl zur
Aufstellung einer selbständigen Gattung physischer Affect-
wirkungen Anlass geben kann, da es sich bei ihm nur um
Modificationen der die sthenischen und asthenischen Affecte
charakterisirenden Erscheinungen handelt, beruht endlich
4) auf der größeren oder geringeren Schnelligkeit, mit
der die Zunahme oder die Hemmung der Innervation auf-
tritt: schnelle und langsame Affecte.

6a. Während die ältere Psychologie meist in der Weise der
vielgerühmten Affectenlehre Spinoza's allerlei logische Reflexionen
über die Affecte für eine Theorie oder gar für eine Schilderung
der Affecte selbst ausgab, haben in der neueren Zeit vorzugsweise
die Ausdrucksbewegungen sowie die sonstigen Begleiterscheinungen
der Affecte in Puls, Athmung, Gefäßinnervation die Aufmerk-
samkeit auf sich gelenkt. Aber diesen bei richtiger Deutung in
der That werthvollen Erscheinungen wies man häufig eine gänz-
lich verkehrte Rolle an, indem man sie für Hülfsmittel hielt,
mittelst deren die psychologische Natur der Gemüthsbewegungen
erforscht werden könne. Auf Grund dieser Annahme entstand
dann eine ausschließlich auf die physischen Merkmale gestützte
Classification der Affecte, bei der man der seltsamen Theorie
huldigte, die Affecte seien bloße Wirkungen der Ausdrucks-
bewegungen, der Affect der Trauer bestehe also z. B. nur aus
den Empfindungen, die die mimischen Bewegungen des Weinens
begleiten, u. s. w. In etwas gemäßigterer Weise hat man den
Ausdrucksbewegungen ihre Bedeutung für die Affecte dadurch
zu wahren gesucht, dass man ihr Vorhandensein als das allgemeine
Merkmal für die Unterscheidung derselben von den Gefühlen be-
trachtete. Auch dies ist jedoch um so weniger berechtigt, als ja
ähnliche physische Ausdruckserscheinungen schon bei den Gefühlen
vorkommen, und der Umstand, ob diese Symptome äußerlich
mehr oder weniger deutlich sichtbar werden, offenbar nicht ent-
scheidend sein kann. Der wesentliche Unterschied des Affects

§ 13. Die Affecte.
während zugleich die Puls- wie die Athmungsbewegungen
schwächer werden, und der Tonus der äußeren Muskeln bis
zu lähmungsartiger Erschlaffung abnimmt: asthenische
Affecte
. Ein letzter Unterschied, der aber nicht wohl zur
Aufstellung einer selbständigen Gattung physischer Affect-
wirkungen Anlass geben kann, da es sich bei ihm nur um
Modificationen der die sthenischen und asthenischen Affecte
charakterisirenden Erscheinungen handelt, beruht endlich
4) auf der größeren oder geringeren Schnelligkeit, mit
der die Zunahme oder die Hemmung der Innervation auf-
tritt: schnelle und langsame Affecte.

6a. Während die ältere Psychologie meist in der Weise der
vielgerühmten Affectenlehre Spinoza’s allerlei logische Reflexionen
über die Affecte für eine Theorie oder gar für eine Schilderung
der Affecte selbst ausgab, haben in der neueren Zeit vorzugsweise
die Ausdrucksbewegungen sowie die sonstigen Begleiterscheinungen
der Affecte in Puls, Athmung, Gefäßinnervation die Aufmerk-
samkeit auf sich gelenkt. Aber diesen bei richtiger Deutung in
der That werthvollen Erscheinungen wies man häufig eine gänz-
lich verkehrte Rolle an, indem man sie für Hülfsmittel hielt,
mittelst deren die psychologische Natur der Gemüthsbewegungen
erforscht werden könne. Auf Grund dieser Annahme entstand
dann eine ausschließlich auf die physischen Merkmale gestützte
Classification der Affecte, bei der man der seltsamen Theorie
huldigte, die Affecte seien bloße Wirkungen der Ausdrucks-
bewegungen, der Affect der Trauer bestehe also z. B. nur aus
den Empfindungen, die die mimischen Bewegungen des Weinens
begleiten, u. s. w. In etwas gemäßigterer Weise hat man den
Ausdrucksbewegungen ihre Bedeutung für die Affecte dadurch
zu wahren gesucht, dass man ihr Vorhandensein als das allgemeine
Merkmal für die Unterscheidung derselben von den Gefühlen be-
trachtete. Auch dies ist jedoch um so weniger berechtigt, als ja
ähnliche physische Ausdruckserscheinungen schon bei den Gefühlen
vorkommen, und der Umstand, ob diese Symptome äußerlich
mehr oder weniger deutlich sichtbar werden, offenbar nicht ent-
scheidend sein kann. Der wesentliche Unterschied des Affects

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[205/0221] § 13. Die Affecte. während zugleich die Puls- wie die Athmungsbewegungen schwächer werden, und der Tonus der äußeren Muskeln bis zu lähmungsartiger Erschlaffung abnimmt: asthenische Affecte. Ein letzter Unterschied, der aber nicht wohl zur Aufstellung einer selbständigen Gattung physischer Affect- wirkungen Anlass geben kann, da es sich bei ihm nur um Modificationen der die sthenischen und asthenischen Affecte charakterisirenden Erscheinungen handelt, beruht endlich 4) auf der größeren oder geringeren Schnelligkeit, mit der die Zunahme oder die Hemmung der Innervation auf- tritt: schnelle und langsame Affecte. 6a. Während die ältere Psychologie meist in der Weise der vielgerühmten Affectenlehre Spinoza’s allerlei logische Reflexionen über die Affecte für eine Theorie oder gar für eine Schilderung der Affecte selbst ausgab, haben in der neueren Zeit vorzugsweise die Ausdrucksbewegungen sowie die sonstigen Begleiterscheinungen der Affecte in Puls, Athmung, Gefäßinnervation die Aufmerk- samkeit auf sich gelenkt. Aber diesen bei richtiger Deutung in der That werthvollen Erscheinungen wies man häufig eine gänz- lich verkehrte Rolle an, indem man sie für Hülfsmittel hielt, mittelst deren die psychologische Natur der Gemüthsbewegungen erforscht werden könne. Auf Grund dieser Annahme entstand dann eine ausschließlich auf die physischen Merkmale gestützte Classification der Affecte, bei der man der seltsamen Theorie huldigte, die Affecte seien bloße Wirkungen der Ausdrucks- bewegungen, der Affect der Trauer bestehe also z. B. nur aus den Empfindungen, die die mimischen Bewegungen des Weinens begleiten, u. s. w. In etwas gemäßigterer Weise hat man den Ausdrucksbewegungen ihre Bedeutung für die Affecte dadurch zu wahren gesucht, dass man ihr Vorhandensein als das allgemeine Merkmal für die Unterscheidung derselben von den Gefühlen be- trachtete. Auch dies ist jedoch um so weniger berechtigt, als ja ähnliche physische Ausdruckserscheinungen schon bei den Gefühlen vorkommen, und der Umstand, ob diese Symptome äußerlich mehr oder weniger deutlich sichtbar werden, offenbar nicht ent- scheidend sein kann. Der wesentliche Unterschied des Affects

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/221>, abgerufen am 24.11.2024.