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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 14. Die Willensvorgänge.
lungen eines lebenden Wesens, die Willenshandlungen wie die
automatisch-reflectorischen Bewegungen, verbindet. Denn
setzt sich die gewohnheitsmäßige Einübung der Hand-
lungen weiter fort, so wird schließlich auch in der Trieb-
handlung das bestimmende Motiv immer schwächer und
vorübergehender. Der äußere Reiz, der ursprünglich die
als Motiv wirkende gefühlsstarke Vorstellung weckte, löst,
ehe er noch als Vorstellung aufgefasst werden konnte, die
Handlung aus. Auf diese Weise ist die Triebbewegung
endlich in eine automatische Bewegung übergegangen.
Je häufiger aber dieser Process sich wiederholt, um so
leichter kann die automatische Bewegung erfolgen, ohne
dass der Reiz auch nur empfunden wird, z. B. in tiefem
Schlaf oder bei völliger Ablenkung der Aufmerksamkeit.
Dann erscheint die Bewegung als ein rein physiologischer
Reflex des Reizes, und der Willensvorgang selbst ist zu
einem Reflexvorgang geworden.

Diese allmähliche Mechanisirung der Vorgänge,
die im wesentlichen in der Elimination aller zwischen dem
psychischen Anfangs- und Endpunkt gelegenen Mittelglieder
besteht, kann aber ebensowohl bei den ursprünglichen wie
bei vielen der secundären, durch Verdichtung von Willkür-
handlungen entstandenen Triebbewegungen eintreten. Es
ist nicht unwahrscheinlich, dass die Reflexbewegungen der
Thiere und des Menschen überhaupt diesen Ursprung haben.
Dafür spricht, abgesehen von der erörterten Mechanisirung
der Willenshandlungen durch Uebung, einerseits der zweck-
mäßige Charakter der Reflexe
, der auf ursprünglich
vorhanden gewesene Zweckvorstellungen als Motive hin-
weist, anderseits der Umstand, dass die Bewegungen der
niedersten Thiere durchgängig offenbar einfache Willenshand-
lungen, nicht Reflexe sind, so dass auch von dieser Seite
die häufig gemachte Annahme einer in entgegengesetzter

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§ 14. Die Willensvorgänge.
lungen eines lebenden Wesens, die Willenshandlungen wie die
automatisch-reflectorischen Bewegungen, verbindet. Denn
setzt sich die gewohnheitsmäßige Einübung der Hand-
lungen weiter fort, so wird schließlich auch in der Trieb-
handlung das bestimmende Motiv immer schwächer und
vorübergehender. Der äußere Reiz, der ursprünglich die
als Motiv wirkende gefühlsstarke Vorstellung weckte, löst,
ehe er noch als Vorstellung aufgefasst werden konnte, die
Handlung aus. Auf diese Weise ist die Triebbewegung
endlich in eine automatische Bewegung übergegangen.
Je häufiger aber dieser Process sich wiederholt, um so
leichter kann die automatische Bewegung erfolgen, ohne
dass der Reiz auch nur empfunden wird, z. B. in tiefem
Schlaf oder bei völliger Ablenkung der Aufmerksamkeit.
Dann erscheint die Bewegung als ein rein physiologischer
Reflex des Reizes, und der Willensvorgang selbst ist zu
einem Reflexvorgang geworden.

Diese allmähliche Mechanisirung der Vorgänge,
die im wesentlichen in der Elimination aller zwischen dem
psychischen Anfangs- und Endpunkt gelegenen Mittelglieder
besteht, kann aber ebensowohl bei den ursprünglichen wie
bei vielen der secundären, durch Verdichtung von Willkür-
handlungen entstandenen Triebbewegungen eintreten. Es
ist nicht unwahrscheinlich, dass die Reflexbewegungen der
Thiere und des Menschen überhaupt diesen Ursprung haben.
Dafür spricht, abgesehen von der erörterten Mechanisirung
der Willenshandlungen durch Uebung, einerseits der zweck-
mäßige Charakter der Reflexe
, der auf ursprünglich
vorhanden gewesene Zweckvorstellungen als Motive hin-
weist, anderseits der Umstand, dass die Bewegungen der
niedersten Thiere durchgängig offenbar einfache Willenshand-
lungen, nicht Reflexe sind, so dass auch von dieser Seite
die häufig gemachte Annahme einer in entgegengesetzter

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[227/0243] § 14. Die Willensvorgänge. lungen eines lebenden Wesens, die Willenshandlungen wie die automatisch-reflectorischen Bewegungen, verbindet. Denn setzt sich die gewohnheitsmäßige Einübung der Hand- lungen weiter fort, so wird schließlich auch in der Trieb- handlung das bestimmende Motiv immer schwächer und vorübergehender. Der äußere Reiz, der ursprünglich die als Motiv wirkende gefühlsstarke Vorstellung weckte, löst, ehe er noch als Vorstellung aufgefasst werden konnte, die Handlung aus. Auf diese Weise ist die Triebbewegung endlich in eine automatische Bewegung übergegangen. Je häufiger aber dieser Process sich wiederholt, um so leichter kann die automatische Bewegung erfolgen, ohne dass der Reiz auch nur empfunden wird, z. B. in tiefem Schlaf oder bei völliger Ablenkung der Aufmerksamkeit. Dann erscheint die Bewegung als ein rein physiologischer Reflex des Reizes, und der Willensvorgang selbst ist zu einem Reflexvorgang geworden. Diese allmähliche Mechanisirung der Vorgänge, die im wesentlichen in der Elimination aller zwischen dem psychischen Anfangs- und Endpunkt gelegenen Mittelglieder besteht, kann aber ebensowohl bei den ursprünglichen wie bei vielen der secundären, durch Verdichtung von Willkür- handlungen entstandenen Triebbewegungen eintreten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Reflexbewegungen der Thiere und des Menschen überhaupt diesen Ursprung haben. Dafür spricht, abgesehen von der erörterten Mechanisirung der Willenshandlungen durch Uebung, einerseits der zweck- mäßige Charakter der Reflexe, der auf ursprünglich vorhanden gewesene Zweckvorstellungen als Motive hin- weist, anderseits der Umstand, dass die Bewegungen der niedersten Thiere durchgängig offenbar einfache Willenshand- lungen, nicht Reflexe sind, so dass auch von dieser Seite die häufig gemachte Annahme einer in entgegengesetzter 15*

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/243>, abgerufen am 21.11.2024.