Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.§ 15. Bewusstsein und Aufmerksamkeit. Auffassung des Inhalts selbst, unter der zweiten die in derRegel damit verbundene bestimmtere Abgrenzung gegenüber andern psychischen Inhalten verstehen. Den durch eigen- thümliche Gefühle charakterisirten Zustand, der die klarere Auffassung eines psychischen Inhalts begleitet, nennen wir die Aufmerksamkeit, den einzelnen Vorgang, durch den irgend ein psychischer Inhalt zu klarer Auffassung gebracht wird, die Apperception. Dieser stellen wir die sonstige, ohne den begleitenden Zustand der Aufmerksamkeit vorhan- dene Auffassung von Inhalten als die Perception gegen- über. Die Inhalte, denen die Aufmerksamkeit zugewandt ist, bezeichnen wir, nach Analogie des äußeren optischen Blick- punktes, als den Blickpunkt des Bewusstseins oder den inneren Blickpunkt, die Gesammtheit der in einem gegebenen Moment vorhandenen Inhalte dagegen als das Blickfeld des Bewusstseins oder das innere Blick- feld. Der Uebergang irgend eines psychischen Vorgangs in den unbewussten Zustand endlich wird das Sinken unter die Schwelle des Bewusstseins, das Entstehen irgend eines Vorganges die Erhebung über die Schwelle des Bewusstseins genannt. Natürlich sind alles dies bildliche Ausdrücke, die nicht wörtlich genommen werden dürfen. Ihre Anwendung empfiehlt sich aber wegen der anschau- lichen Kürze, die sie bei der Schilderung der Bewusstseins- vorgänge gestatten. 5. Sucht man sich nun unter Zuhülfenahme der er- § 15. Bewusstsein und Aufmerksamkeit. Auffassung des Inhalts selbst, unter der zweiten die in derRegel damit verbundene bestimmtere Abgrenzung gegenüber andern psychischen Inhalten verstehen. Den durch eigen- thümliche Gefühle charakterisirten Zustand, der die klarere Auffassung eines psychischen Inhalts begleitet, nennen wir die Aufmerksamkeit, den einzelnen Vorgang, durch den irgend ein psychischer Inhalt zu klarer Auffassung gebracht wird, die Apperception. Dieser stellen wir die sonstige, ohne den begleitenden Zustand der Aufmerksamkeit vorhan- dene Auffassung von Inhalten als die Perception gegen- über. Die Inhalte, denen die Aufmerksamkeit zugewandt ist, bezeichnen wir, nach Analogie des äußeren optischen Blick- punktes, als den Blickpunkt des Bewusstseins oder den inneren Blickpunkt, die Gesammtheit der in einem gegebenen Moment vorhandenen Inhalte dagegen als das Blickfeld des Bewusstseins oder das innere Blick- feld. Der Uebergang irgend eines psychischen Vorgangs in den unbewussten Zustand endlich wird das Sinken unter die Schwelle des Bewusstseins, das Entstehen irgend eines Vorganges die Erhebung über die Schwelle des Bewusstseins genannt. Natürlich sind alles dies bildliche Ausdrücke, die nicht wörtlich genommen werden dürfen. Ihre Anwendung empfiehlt sich aber wegen der anschau- lichen Kürze, die sie bei der Schilderung der Bewusstseins- vorgänge gestatten. 5. 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§ 15. Bewusstsein und Aufmerksamkeit.
Auffassung des Inhalts selbst, unter der zweiten die in der
Regel damit verbundene bestimmtere Abgrenzung gegenüber
andern psychischen Inhalten verstehen. Den durch eigen-
thümliche Gefühle charakterisirten Zustand, der die klarere
Auffassung eines psychischen Inhalts begleitet, nennen wir
die Aufmerksamkeit, den einzelnen Vorgang, durch den
irgend ein psychischer Inhalt zu klarer Auffassung gebracht
wird, die Apperception. Dieser stellen wir die sonstige,
ohne den begleitenden Zustand der Aufmerksamkeit vorhan-
dene Auffassung von Inhalten als die Perception gegen-
über. Die Inhalte, denen die Aufmerksamkeit zugewandt ist,
bezeichnen wir, nach Analogie des äußeren optischen Blick-
punktes, als den Blickpunkt des Bewusstseins oder den
inneren Blickpunkt, die Gesammtheit der in einem
gegebenen Moment vorhandenen Inhalte dagegen als das
Blickfeld des Bewusstseins oder das innere Blick-
feld. Der Uebergang irgend eines psychischen Vorgangs in
den unbewussten Zustand endlich wird das Sinken unter
die Schwelle des Bewusstseins, das Entstehen irgend
eines Vorganges die Erhebung über die Schwelle des
Bewusstseins genannt. Natürlich sind alles dies bildliche
Ausdrücke, die nicht wörtlich genommen werden dürfen.
Ihre Anwendung empfiehlt sich aber wegen der anschau-
lichen Kürze, die sie bei der Schilderung der Bewusstseins-
vorgänge gestatten.
5. Sucht man sich nun unter Zuhülfenahme der er-
wähnten bildlichen Bezeichnungen den Wechsel der psychi-
schen Gebilde in ihrem Zusammenhang zu vergegenwärtigen,
so stellt sich dieser als ein fortwährendes Gehen und
Kommen dar, bei dem irgend welche Gebilde zunächst in
das innere Blickfeld, dann aus diesem in den inneren Blick-
punkt eintreten, um hierauf wieder, bevor sie ganz ver-
schwinden, in jenes zurückzukehren. Neben diesem Wechsel
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