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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.
dass sie sämmtlich auf die Stelle des deutlichsten Sehens fallen,
die physiologischen Bedingungen also die Apperception einer
größeren Anzahl von Eindrücken, als sie vermöge des begrenzten
Umfangs der Aufmerksamkeit möglich ist, nicht hindern würden.
Dem Auge muss zu diesem Zweck vor der momentanen Erleuch-
tung ein Fixationspunkt in der Mitte der die Eindrücke enthal-
tenden Fläche gegeben werden. Man kann dann unmittelbar nach
der Ausführung des Versuchs constatiren, dass, wenn die Ein-
richtungen in der geeigneten Weise getroffen sind, der Umfang
der im physiologischen Sinne deutlich gesehenen Objecte größer
gewesen ist als der Umfang der Aufmerksamkeit. Man kann
nämlich, wenn z. B. der momentane Eindruck aus Buchstaben
bestand, einzelne der im Moment der Erleuchtung nur undeutlich
aufgefassten Buchstaben nachträglich lesen, indem man sich ein
Erinnerungsbild des Eindrucks zurückruft. Da dieses Erinnerungs-
bild zeitlich scharf getrennt ist von dem Eindruck selbst, so
wird aber dadurch die Bestimmung des Umfangs der Aufmerksam-
keit selbst nicht gestört; vielmehr ist es bei sorgfältiger subjec-
tiver Beobachtung leicht möglich, den Zustand des Bewusstseins
im Moment des Eindrucks zu fixiren und von solchen nach-
folgenden Erinnerungsacten zu unterscheiden, die stets durch
merkliche Zwischenzeiten getrennt sind. Die auf diese Weise
ausgeführten Versuche lehren, dass der Umfang der Aufmerksam-
keit keine constante Größe ist, sondern dass er, auch wenn die
Spannung der Aufmerksamkeit annähernd die nämliche maximale
Größe hat, theils von der einfachen oder zusammengesetzten
Beschaffenheit der Eindrücke, theils von ihrer Geläufigkeit ab-
hängt. Die einfachsten räumlichen Eindrücke sind Punkte von
beliebiger Vertheilung: von ihnen können im Maximum 6 auf
einmal appercipirt werden. Von etwas zusammengesetzteren Ein-
drücken von bekannter Beschaffenheit, wie einfachen Linien,
Ziffern, Buchstaben, werden in der Regel nur 3--4, unter gün-
stigsten Bedingungen 5 simultan appercipirt. Für den Tastsinn
scheint dieselbe Grenze zu gelten mit dem Unterschied, dass bei
ihm nur die einfachsten dieser Eindrücke, die Punkte, günstigen
Falls in der Sechszahl momentan zusammengefasst werden können.
Bei geläufigen Eindrücken von verwickelterer Beschaffenheit sinkt
auch beim Gesichtssinn die Anzahl der Vorstellungen, während
dagegen die der einzelnen Elemente bedeutend zunimmt. So

III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.
dass sie sämmtlich auf die Stelle des deutlichsten Sehens fallen,
die physiologischen Bedingungen also die Apperception einer
größeren Anzahl von Eindrücken, als sie vermöge des begrenzten
Umfangs der Aufmerksamkeit möglich ist, nicht hindern würden.
Dem Auge muss zu diesem Zweck vor der momentanen Erleuch-
tung ein Fixationspunkt in der Mitte der die Eindrücke enthal-
tenden Fläche gegeben werden. Man kann dann unmittelbar nach
der Ausführung des Versuchs constatiren, dass, wenn die Ein-
richtungen in der geeigneten Weise getroffen sind, der Umfang
der im physiologischen Sinne deutlich gesehenen Objecte größer
gewesen ist als der Umfang der Aufmerksamkeit. Man kann
nämlich, wenn z. B. der momentane Eindruck aus Buchstaben
bestand, einzelne der im Moment der Erleuchtung nur undeutlich
aufgefassten Buchstaben nachträglich lesen, indem man sich ein
Erinnerungsbild des Eindrucks zurückruft. Da dieses Erinnerungs-
bild zeitlich scharf getrennt ist von dem Eindruck selbst, so
wird aber dadurch die Bestimmung des Umfangs der Aufmerksam-
keit selbst nicht gestört; vielmehr ist es bei sorgfältiger subjec-
tiver Beobachtung leicht möglich, den Zustand des Bewusstseins
im Moment des Eindrucks zu fixiren und von solchen nach-
folgenden Erinnerungsacten zu unterscheiden, die stets durch
merkliche Zwischenzeiten getrennt sind. Die auf diese Weise
ausgeführten Versuche lehren, dass der Umfang der Aufmerksam-
keit keine constante Größe ist, sondern dass er, auch wenn die
Spannung der Aufmerksamkeit annähernd die nämliche maximale
Größe hat, theils von der einfachen oder zusammengesetzten
Beschaffenheit der Eindrücke, theils von ihrer Geläufigkeit ab-
hängt. Die einfachsten räumlichen Eindrücke sind Punkte von
beliebiger Vertheilung: von ihnen können im Maximum 6 auf
einmal appercipirt werden. Von etwas zusammengesetzteren Ein-
drücken von bekannter Beschaffenheit, wie einfachen Linien,
Ziffern, Buchstaben, werden in der Regel nur 3—4, unter gün-
stigsten Bedingungen 5 simultan appercipirt. Für den Tastsinn
scheint dieselbe Grenze zu gelten mit dem Unterschied, dass bei
ihm nur die einfachsten dieser Eindrücke, die Punkte, günstigen
Falls in der Sechszahl momentan zusammengefasst werden können.
Bei geläufigen Eindrücken von verwickelterer Beschaffenheit sinkt
auch beim Gesichtssinn die Anzahl der Vorstellungen, während
dagegen die der einzelnen Elemente bedeutend zunimmt. So

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[248/0264] III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. dass sie sämmtlich auf die Stelle des deutlichsten Sehens fallen, die physiologischen Bedingungen also die Apperception einer größeren Anzahl von Eindrücken, als sie vermöge des begrenzten Umfangs der Aufmerksamkeit möglich ist, nicht hindern würden. Dem Auge muss zu diesem Zweck vor der momentanen Erleuch- tung ein Fixationspunkt in der Mitte der die Eindrücke enthal- tenden Fläche gegeben werden. Man kann dann unmittelbar nach der Ausführung des Versuchs constatiren, dass, wenn die Ein- richtungen in der geeigneten Weise getroffen sind, der Umfang der im physiologischen Sinne deutlich gesehenen Objecte größer gewesen ist als der Umfang der Aufmerksamkeit. Man kann nämlich, wenn z. B. der momentane Eindruck aus Buchstaben bestand, einzelne der im Moment der Erleuchtung nur undeutlich aufgefassten Buchstaben nachträglich lesen, indem man sich ein Erinnerungsbild des Eindrucks zurückruft. Da dieses Erinnerungs- bild zeitlich scharf getrennt ist von dem Eindruck selbst, so wird aber dadurch die Bestimmung des Umfangs der Aufmerksam- keit selbst nicht gestört; vielmehr ist es bei sorgfältiger subjec- tiver Beobachtung leicht möglich, den Zustand des Bewusstseins im Moment des Eindrucks zu fixiren und von solchen nach- folgenden Erinnerungsacten zu unterscheiden, die stets durch merkliche Zwischenzeiten getrennt sind. Die auf diese Weise ausgeführten Versuche lehren, dass der Umfang der Aufmerksam- keit keine constante Größe ist, sondern dass er, auch wenn die Spannung der Aufmerksamkeit annähernd die nämliche maximale Größe hat, theils von der einfachen oder zusammengesetzten Beschaffenheit der Eindrücke, theils von ihrer Geläufigkeit ab- hängt. Die einfachsten räumlichen Eindrücke sind Punkte von beliebiger Vertheilung: von ihnen können im Maximum 6 auf einmal appercipirt werden. Von etwas zusammengesetzteren Ein- drücken von bekannter Beschaffenheit, wie einfachen Linien, Ziffern, Buchstaben, werden in der Regel nur 3—4, unter gün- stigsten Bedingungen 5 simultan appercipirt. Für den Tastsinn scheint dieselbe Grenze zu gelten mit dem Unterschied, dass bei ihm nur die einfachsten dieser Eindrücke, die Punkte, günstigen Falls in der Sechszahl momentan zusammengefasst werden können. Bei geläufigen Eindrücken von verwickelterer Beschaffenheit sinkt auch beim Gesichtssinn die Anzahl der Vorstellungen, während dagegen die der einzelnen Elemente bedeutend zunimmt. So

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/264>, abgerufen am 22.11.2024.