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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 15. Bewusstsein und Aufmerksamkeit.
denen es sich bewegt, theils eine Willensrichtung enthält,
theils die Größe der in einem gegebenen Moment vorhan-
denen Willensenergie zum Ausdruck bringt, theils endlich
einer bestimmten Phase des Willensvorgangs selbst ent-
spricht. Die Willensrichtung ist nämlich offenbar an-
gedeutet in den Hauptrichtungen der Lust und Unlust, die
unmittelbar einem irgendwie qualitativ differenzirten Streben
oder Widerstreben entsprechen. Die Willensenergie
findet ihren Ausdruck in den Hauptrichtungen der Erregung
und Beruhigung; entgegengesetzte Phasen eines Willens-
vorganges werden endlich durch die Gefühlsgegensätze der
Spannung und Lösung bezeichnet.

11. Erweist sich auf diese Weise das Wollen als die
Grundthatsache, in der alle die Vorgänge wurzeln, deren
psychische Elemente die Gefühle sind, so tritt auf der
andern Seite diese Grundthatsache in dem Vorgang der
Apperception, an dem die psychologische Analyse alle
Merkmale eines Willensactes nachweist, in directe Beziehung
zu den auf der räumlichen Ordnung der Empfindungen be-
ruhenden Vorstellungsinhalten der Erfahrung. Indem nun
die Willensvorgänge als in sich zusammenhängende und bei
aller Verschiedenheit ihrer Inhalte gleichartige Vorgänge
aufgefasst werden, entsteht ein unmittelbares Gefühl dieses
Zusammenhangs, das insbesondere auf das engste an das
alles Wollen begleitende Gefühl der Thätigkeit geknüpft
ist, das sich aber zugleich in Folge der oben erwähnten
Beziehungen des Wollens über die Gesammtheit der Be-
wusstseinsinhalte erstreckt. Dieses Gefühl des Zusammen-
hangs aller individuellen psychischen Erlebnisse bezeichnen
wir als das "Ich". Es ist ein Gefühl, nicht eine Vor-
stellung, wie es häufig genannt wird. Es ist jedoch, wie
alle Gefühle, zugleich an gewisse Empfindungen und Vor-
stellungen gebunden: diese in nächste Beziehung zu dem

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§ 15. Bewusstsein und Aufmerksamkeit.
denen es sich bewegt, theils eine Willensrichtung enthält,
theils die Größe der in einem gegebenen Moment vorhan-
denen Willensenergie zum Ausdruck bringt, theils endlich
einer bestimmten Phase des Willensvorgangs selbst ent-
spricht. Die Willensrichtung ist nämlich offenbar an-
gedeutet in den Hauptrichtungen der Lust und Unlust, die
unmittelbar einem irgendwie qualitativ differenzirten Streben
oder Widerstreben entsprechen. Die Willensenergie
findet ihren Ausdruck in den Hauptrichtungen der Erregung
und Beruhigung; entgegengesetzte Phasen eines Willens-
vorganges werden endlich durch die Gefühlsgegensätze der
Spannung und Lösung bezeichnet.

11. Erweist sich auf diese Weise das Wollen als die
Grundthatsache, in der alle die Vorgänge wurzeln, deren
psychische Elemente die Gefühle sind, so tritt auf der
andern Seite diese Grundthatsache in dem Vorgang der
Apperception, an dem die psychologische Analyse alle
Merkmale eines Willensactes nachweist, in directe Beziehung
zu den auf der räumlichen Ordnung der Empfindungen be-
ruhenden Vorstellungsinhalten der Erfahrung. Indem nun
die Willensvorgänge als in sich zusammenhängende und bei
aller Verschiedenheit ihrer Inhalte gleichartige Vorgänge
aufgefasst werden, entsteht ein unmittelbares Gefühl dieses
Zusammenhangs, das insbesondere auf das engste an das
alles Wollen begleitende Gefühl der Thätigkeit geknüpft
ist, das sich aber zugleich in Folge der oben erwähnten
Beziehungen des Wollens über die Gesammtheit der Be-
wusstseinsinhalte erstreckt. Dieses Gefühl des Zusammen-
hangs aller individuellen psychischen Erlebnisse bezeichnen
wir als das »Ich«. Es ist ein Gefühl, nicht eine Vor-
stellung, wie es häufig genannt wird. Es ist jedoch, wie
alle Gefühle, zugleich an gewisse Empfindungen und Vor-
stellungen gebunden: diese in nächste Beziehung zu dem

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[259/0275] § 15. Bewusstsein und Aufmerksamkeit. denen es sich bewegt, theils eine Willensrichtung enthält, theils die Größe der in einem gegebenen Moment vorhan- denen Willensenergie zum Ausdruck bringt, theils endlich einer bestimmten Phase des Willensvorgangs selbst ent- spricht. Die Willensrichtung ist nämlich offenbar an- gedeutet in den Hauptrichtungen der Lust und Unlust, die unmittelbar einem irgendwie qualitativ differenzirten Streben oder Widerstreben entsprechen. Die Willensenergie findet ihren Ausdruck in den Hauptrichtungen der Erregung und Beruhigung; entgegengesetzte Phasen eines Willens- vorganges werden endlich durch die Gefühlsgegensätze der Spannung und Lösung bezeichnet. 11. Erweist sich auf diese Weise das Wollen als die Grundthatsache, in der alle die Vorgänge wurzeln, deren psychische Elemente die Gefühle sind, so tritt auf der andern Seite diese Grundthatsache in dem Vorgang der Apperception, an dem die psychologische Analyse alle Merkmale eines Willensactes nachweist, in directe Beziehung zu den auf der räumlichen Ordnung der Empfindungen be- ruhenden Vorstellungsinhalten der Erfahrung. Indem nun die Willensvorgänge als in sich zusammenhängende und bei aller Verschiedenheit ihrer Inhalte gleichartige Vorgänge aufgefasst werden, entsteht ein unmittelbares Gefühl dieses Zusammenhangs, das insbesondere auf das engste an das alles Wollen begleitende Gefühl der Thätigkeit geknüpft ist, das sich aber zugleich in Folge der oben erwähnten Beziehungen des Wollens über die Gesammtheit der Be- wusstseinsinhalte erstreckt. Dieses Gefühl des Zusammen- hangs aller individuellen psychischen Erlebnisse bezeichnen wir als das »Ich«. Es ist ein Gefühl, nicht eine Vor- stellung, wie es häufig genannt wird. Es ist jedoch, wie alle Gefühle, zugleich an gewisse Empfindungen und Vor- stellungen gebunden: diese in nächste Beziehung zu dem 17*

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/275>, abgerufen am 22.11.2024.