Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 16. Die Associationen.
dann zugleich die simultane der successiven Association
weichen, indem Auffassung und Erkennung zu zwei auf ein-
ander folgenden Vorgängen werden. In gleichem Maße tritt
nun aber auch erst das Erkennungsgefühl als ein speci-
fisches Gefühl hervor, das zwar dem Bekanntheitsgefühl
verwandt ist, sich aber doch, gemäß den abweichenden Be-
dingungen seiner Entstehung, namentlich durch seinen zeit-
lichen Verlauf charakteristisch unterscheidet.

b. Die Erinnerungsvorgänge.

18. Nach einer wesentlich andern Richtung entwickelt
sich der einfache Wiedererkennungsvorgang, wenn jene Hin-
dernisse sofortiger Assimilation, die den Uebergang der simul-
tanen in eine successive Association veranlassen, so groß
sind, dass die der neuen Wahrnehmung widerstreitenden
Vorstellungselemente, entweder nachdem der Wiedererkenn-
ungsvorgang abgelaufen ist oder auch ohne dass es zu einem
solchen kommt, zu einem besondern Vorstellungsgebilde sich
vereinigen, das direct auf einen früher stattgefundenen Ein-
druck bezogen wird. Der so eintretende Vorgang ist ein
Erinnerungsvorgang, und die auf diese Weise zur Apper-
ception gelangende Vorstellung heißt eine Erinnerungs-
vorstellung
oder ein Erinnerungsbild.

18a. Die Erinnerungsvorgänge sind es, auf die die Asso-
ciationspsychologie zumeist die Anwendung des Begriffs der
Association beschränkt hat. Da sie aber, wie die obige Dar-
stellung zeigt, Associationen sind, die unter besonders ver-
wickelten Bedingungen stattfinden, so wurde dadurch ein gene-
tisches Verständniss der Associationen von vornherein unmöglich
gemacht, und es ist daher begreiflich, dass die herkömmliche
Associationslehre sich im wesentlichen auf eine nach logischen,
nicht nach psychologischen Gesichtspunkten unternommene Ein-
theilung der bei den Erinnerungsvorgängen zu beobachtenden
verschiedenen Arten von Associationsproducten beschränkt. Eine

§ 16. Die Associationen.
dann zugleich die simultane der successiven Association
weichen, indem Auffassung und Erkennung zu zwei auf ein-
ander folgenden Vorgängen werden. In gleichem Maße tritt
nun aber auch erst das Erkennungsgefühl als ein speci-
fisches Gefühl hervor, das zwar dem Bekanntheitsgefühl
verwandt ist, sich aber doch, gemäß den abweichenden Be-
dingungen seiner Entstehung, namentlich durch seinen zeit-
lichen Verlauf charakteristisch unterscheidet.

b. Die Erinnerungsvorgänge.

18. Nach einer wesentlich andern Richtung entwickelt
sich der einfache Wiedererkennungsvorgang, wenn jene Hin-
dernisse sofortiger Assimilation, die den Uebergang der simul-
tanen in eine successive Association veranlassen, so groß
sind, dass die der neuen Wahrnehmung widerstreitenden
Vorstellungselemente, entweder nachdem der Wiedererkenn-
ungsvorgang abgelaufen ist oder auch ohne dass es zu einem
solchen kommt, zu einem besondern Vorstellungsgebilde sich
vereinigen, das direct auf einen früher stattgefundenen Ein-
druck bezogen wird. Der so eintretende Vorgang ist ein
Erinnerungsvorgang, und die auf diese Weise zur Apper-
ception gelangende Vorstellung heißt eine Erinnerungs-
vorstellung
oder ein Erinnerungsbild.

18a. Die Erinnerungsvorgänge sind es, auf die die Asso-
ciationspsychologie zumeist die Anwendung des Begriffs der
Association beschränkt hat. Da sie aber, wie die obige Dar-
stellung zeigt, Associationen sind, die unter besonders ver-
wickelten Bedingungen stattfinden, so wurde dadurch ein gene-
tisches Verständniss der Associationen von vornherein unmöglich
gemacht, und es ist daher begreiflich, dass die herkömmliche
Associationslehre sich im wesentlichen auf eine nach logischen,
nicht nach psychologischen Gesichtspunkten unternommene Ein-
theilung der bei den Erinnerungsvorgängen zu beobachtenden
verschiedenen Arten von Associationsproducten beschränkt. Eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0299" n="283"/><fw place="top" type="header">§ 16. Die Associationen.</fw><lb/>
dann zugleich die simultane der successiven Association<lb/>
weichen, indem Auffassung und Erkennung zu zwei auf ein-<lb/>
ander folgenden Vorgängen werden. In gleichem Maße tritt<lb/>
nun aber auch erst das <hi rendition="#g">Erkennungsgefühl</hi> als ein speci-<lb/>
fisches Gefühl hervor, das zwar dem Bekanntheitsgefühl<lb/>
verwandt ist, sich aber doch, gemäß den abweichenden Be-<lb/>
dingungen seiner Entstehung, namentlich durch seinen zeit-<lb/>
lichen Verlauf charakteristisch unterscheidet.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>b. <hi rendition="#g">Die Erinnerungsvorgänge</hi>.</head><lb/>
              <p>18. Nach einer wesentlich andern Richtung entwickelt<lb/>
sich der einfache Wiedererkennungsvorgang, wenn jene Hin-<lb/>
dernisse sofortiger Assimilation, die den Uebergang der simul-<lb/>
tanen in eine successive Association veranlassen, so groß<lb/>
sind, dass die der neuen Wahrnehmung widerstreitenden<lb/>
Vorstellungselemente, entweder nachdem der Wiedererkenn-<lb/>
ungsvorgang abgelaufen ist oder auch ohne dass es zu einem<lb/>
solchen kommt, zu einem besondern Vorstellungsgebilde sich<lb/>
vereinigen, das direct auf einen früher stattgefundenen Ein-<lb/>
druck bezogen wird. Der so eintretende Vorgang ist ein<lb/><hi rendition="#g">Erinnerungsvorgang</hi>, und die auf diese Weise zur Apper-<lb/>
ception gelangende Vorstellung heißt eine <hi rendition="#g">Erinnerungs-<lb/>
vorstellung</hi> oder ein <hi rendition="#g">Erinnerungsbild</hi>.</p><lb/>
              <p>18a. Die Erinnerungsvorgänge sind es, auf die die Asso-<lb/>
ciationspsychologie zumeist die Anwendung des Begriffs der<lb/>
Association beschränkt hat. Da sie aber, wie die obige Dar-<lb/>
stellung zeigt, Associationen sind, die unter besonders ver-<lb/>
wickelten Bedingungen stattfinden, so wurde dadurch ein gene-<lb/>
tisches Verständniss der Associationen von vornherein unmöglich<lb/>
gemacht, und es ist daher begreiflich, dass die herkömmliche<lb/>
Associationslehre sich im wesentlichen auf eine nach logischen,<lb/>
nicht nach psychologischen Gesichtspunkten unternommene Ein-<lb/>
theilung der bei den Erinnerungsvorgängen zu beobachtenden<lb/>
verschiedenen Arten von Associationsproducten beschränkt. Eine<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0299] § 16. Die Associationen. dann zugleich die simultane der successiven Association weichen, indem Auffassung und Erkennung zu zwei auf ein- ander folgenden Vorgängen werden. In gleichem Maße tritt nun aber auch erst das Erkennungsgefühl als ein speci- fisches Gefühl hervor, das zwar dem Bekanntheitsgefühl verwandt ist, sich aber doch, gemäß den abweichenden Be- dingungen seiner Entstehung, namentlich durch seinen zeit- lichen Verlauf charakteristisch unterscheidet. b. Die Erinnerungsvorgänge. 18. Nach einer wesentlich andern Richtung entwickelt sich der einfache Wiedererkennungsvorgang, wenn jene Hin- dernisse sofortiger Assimilation, die den Uebergang der simul- tanen in eine successive Association veranlassen, so groß sind, dass die der neuen Wahrnehmung widerstreitenden Vorstellungselemente, entweder nachdem der Wiedererkenn- ungsvorgang abgelaufen ist oder auch ohne dass es zu einem solchen kommt, zu einem besondern Vorstellungsgebilde sich vereinigen, das direct auf einen früher stattgefundenen Ein- druck bezogen wird. Der so eintretende Vorgang ist ein Erinnerungsvorgang, und die auf diese Weise zur Apper- ception gelangende Vorstellung heißt eine Erinnerungs- vorstellung oder ein Erinnerungsbild. 18a. Die Erinnerungsvorgänge sind es, auf die die Asso- ciationspsychologie zumeist die Anwendung des Begriffs der Association beschränkt hat. Da sie aber, wie die obige Dar- stellung zeigt, Associationen sind, die unter besonders ver- wickelten Bedingungen stattfinden, so wurde dadurch ein gene- tisches Verständniss der Associationen von vornherein unmöglich gemacht, und es ist daher begreiflich, dass die herkömmliche Associationslehre sich im wesentlichen auf eine nach logischen, nicht nach psychologischen Gesichtspunkten unternommene Ein- theilung der bei den Erinnerungsvorgängen zu beobachtenden verschiedenen Arten von Associationsproducten beschränkt. Eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/299
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/299>, abgerufen am 22.11.2024.