Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.IV. Die psychischen Entwicklungen. jene Beschränkung überhaupt ursprünglich nicht sowohl aufeiner quantitativen Abnahme der Phantasiebegabung als viel- mehr auf einer Hemmung durch das begriffsmäßige Denken beruht, worauf dann freilich durch die vorwaltende Uebung des letzteren schließlich die Phanthasiethätigkeit ihrerseits durch Mangel an Uebung beeinträchtigt werden kann. Dies scheint durch das Verhalten des Naturmenschen bestätigt zu werden, der zeitlebens einen dem kindlichen verwandten phantastischen Spieltrieb zu bethätigen pflegt. 10. Aus der ursprünglichen phantasiemäßigen Form des IV. Die psychischen Entwicklungen. jene Beschränkung überhaupt ursprünglich nicht sowohl aufeiner quantitativen Abnahme der Phantasiebegabung als viel- mehr auf einer Hemmung durch das begriffsmäßige Denken beruht, worauf dann freilich durch die vorwaltende Uebung des letzteren schließlich die Phanthasiethätigkeit ihrerseits durch Mangel an Uebung beeinträchtigt werden kann. Dies scheint durch das Verhalten des Naturmenschen bestätigt zu werden, der zeitlebens einen dem kindlichen verwandten phantastischen Spieltrieb zu bethätigen pflegt. 10. Aus der ursprünglichen phantasiemäßigen Form des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0362" n="346"/><fw place="top" type="header">IV. Die psychischen Entwicklungen.</fw><lb/> jene Beschränkung überhaupt ursprünglich nicht sowohl auf<lb/> einer quantitativen Abnahme der Phantasiebegabung als viel-<lb/> mehr auf einer Hemmung durch das begriffsmäßige Denken<lb/> beruht, worauf dann freilich durch die vorwaltende Uebung<lb/> des letzteren schließlich die Phanthasiethätigkeit ihrerseits<lb/> durch Mangel an Uebung beeinträchtigt werden kann. Dies<lb/> scheint durch das Verhalten des Naturmenschen bestätigt zu<lb/> werden, der zeitlebens einen dem kindlichen verwandten<lb/> phantastischen Spieltrieb zu bethätigen pflegt.</p><lb/> <p>10. Aus der ursprünglichen phantasiemäßigen Form des<lb/> Denkens entwickeln sich sehr allmählich die <hi rendition="#g">Verstandes-<lb/> functionen</hi>, indem in der früher (S. 310 f.) angegebenen<lb/> Weise die in der Wahrnehmung gegebenen oder durch combi-<lb/> nirende Phantasiethätigkeit gebildeten Gesammtvorstellungen<lb/> in ihre <hi rendition="#g">begrifflichen</hi> Bestandtheile, wie Gegenstände und<lb/> Eigenschaften, Gegenstände und Handlungen, Verhältnisse<lb/> verschiedener Gegenstände zu einander, gegliedert werden.<lb/> Das entscheidende Symptom für die Entstehung der Ver-<lb/> standesfunctionen ist daher die Bildung von <hi rendition="#g">Begriffen</hi>,<lb/> wogegen Handlungen, die von Seiten des Beobachters mit-<lb/> telst einer logischen Reflexion erklärt werden können, durch-<lb/> aus nicht die Existenz einer solchen beweisen, da sie,<lb/> gerade so wie bei den Thieren, sehr häufig offenbar aus<lb/> Associationen abzuleiten sind. Aus demselben Grunde kann<lb/> die Sprache ohne ein eigentlich begriffsmäßiges Denken in<lb/> ihren ersten Anfängen vorhanden sein, da ursprünglich das<lb/> Wort zunächst nur einen concreten sinnlichen Eindruck<lb/> bezeichnet. Dagegen ist ein vollkommenerer Gebrauch<lb/> der Sprache allerdings nicht möglich, ohne dass begriffs-<lb/> mäßige, wenn auch noch durchaus concret sinnliche Zer-<lb/> legungen, Beziehungen und Uebertragungen der Vorstel-<lb/> lungen stattfinden. Demgemäß fällt denn auch schließlich<lb/> die Entwicklung der Verstandesfunctionen mit der Sprache<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [346/0362]
IV. Die psychischen Entwicklungen.
jene Beschränkung überhaupt ursprünglich nicht sowohl auf
einer quantitativen Abnahme der Phantasiebegabung als viel-
mehr auf einer Hemmung durch das begriffsmäßige Denken
beruht, worauf dann freilich durch die vorwaltende Uebung
des letzteren schließlich die Phanthasiethätigkeit ihrerseits
durch Mangel an Uebung beeinträchtigt werden kann. Dies
scheint durch das Verhalten des Naturmenschen bestätigt zu
werden, der zeitlebens einen dem kindlichen verwandten
phantastischen Spieltrieb zu bethätigen pflegt.
10. Aus der ursprünglichen phantasiemäßigen Form des
Denkens entwickeln sich sehr allmählich die Verstandes-
functionen, indem in der früher (S. 310 f.) angegebenen
Weise die in der Wahrnehmung gegebenen oder durch combi-
nirende Phantasiethätigkeit gebildeten Gesammtvorstellungen
in ihre begrifflichen Bestandtheile, wie Gegenstände und
Eigenschaften, Gegenstände und Handlungen, Verhältnisse
verschiedener Gegenstände zu einander, gegliedert werden.
Das entscheidende Symptom für die Entstehung der Ver-
standesfunctionen ist daher die Bildung von Begriffen,
wogegen Handlungen, die von Seiten des Beobachters mit-
telst einer logischen Reflexion erklärt werden können, durch-
aus nicht die Existenz einer solchen beweisen, da sie,
gerade so wie bei den Thieren, sehr häufig offenbar aus
Associationen abzuleiten sind. Aus demselben Grunde kann
die Sprache ohne ein eigentlich begriffsmäßiges Denken in
ihren ersten Anfängen vorhanden sein, da ursprünglich das
Wort zunächst nur einen concreten sinnlichen Eindruck
bezeichnet. Dagegen ist ein vollkommenerer Gebrauch
der Sprache allerdings nicht möglich, ohne dass begriffs-
mäßige, wenn auch noch durchaus concret sinnliche Zer-
legungen, Beziehungen und Uebertragungen der Vorstel-
lungen stattfinden. Demgemäß fällt denn auch schließlich
die Entwicklung der Verstandesfunctionen mit der Sprache
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