§ 5. Hauptformen und allgemeine Eigenschaften der psychischen Elemente.
1. Da alle psychischen Erfahrungsinhalte von zusam- mengesetzter Beschaffenheit sind, so sind psychische Ele- mente im Sinne absolut einfacher und unzerlegbarer Be- standtheile des psychischen Geschehens die Erzeugnisse nicht nur einer Analyse, sondern auch einer Abstraction, die nur dadurch möglich ist, dass die Elemente thatsächlich in wech- selnder Weise mit einander verbunden sind. Befindet sich ein Element a in einem ersten Fall zusammen mit andern Elementen b, c, d ..., in einem zweiten mit b', c', d' ... u. s. w., so kann eben deshalb, weil keines der Elemente b, b', c, c' ... constant an a gebunden ist, von ihnen allen abstrahirt werden. Wenn wir z. B. einen einfachen Ton von bestimmter Höhe und Stärke hören, so kann derselbe bald nach dieser, bald nach jener Richtung des Raumes verlegt, und es kann bald dieser, bald jener andere Ton zugleich gehört werden. Weil es aber weder eine con- stante räumliche Richtung noch einen constanten Begleitton gibt, so lässt sich von diesen variablen Bestandtheilen ab- strahiren, so dass der einzelne Ton allein als psychisches Element zurückbleibt.
2. Der Thatsache, dass die unmittelbare Erfahrung nach § 1 (2) zwei Factoren enthält, einen objectiven Erfahrungs- inhalt und das erfahrende Subject, entsprechen zwei Arten
Wundt, Psychologie. 3
I. Die psychischen Elemente.
§ 5. Hauptformen und allgemeine Eigenschaften der psychischen Elemente.
1. Da alle psychischen Erfahrungsinhalte von zusam- mengesetzter Beschaffenheit sind, so sind psychische Ele- mente im Sinne absolut einfacher und unzerlegbarer Be- standtheile des psychischen Geschehens die Erzeugnisse nicht nur einer Analyse, sondern auch einer Abstraction, die nur dadurch möglich ist, dass die Elemente thatsächlich in wech- selnder Weise mit einander verbunden sind. Befindet sich ein Element a in einem ersten Fall zusammen mit andern Elementen b, c, d …, in einem zweiten mit b′, c′, d′ … u. s. w., so kann eben deshalb, weil keines der Elemente b, b′, c, c′ … constant an a gebunden ist, von ihnen allen abstrahirt werden. Wenn wir z. B. einen einfachen Ton von bestimmter Höhe und Stärke hören, so kann derselbe bald nach dieser, bald nach jener Richtung des Raumes verlegt, und es kann bald dieser, bald jener andere Ton zugleich gehört werden. Weil es aber weder eine con- stante räumliche Richtung noch einen constanten Begleitton gibt, so lässt sich von diesen variablen Bestandtheilen ab- strahiren, so dass der einzelne Ton allein als psychisches Element zurückbleibt.
2. Der Thatsache, dass die unmittelbare Erfahrung nach § 1 (2) zwei Factoren enthält, einen objectiven Erfahrungs- inhalt und das erfahrende Subject, entsprechen zwei Arten
Wundt, Psychologie. 3
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[[33]/0049]
I. Die psychischen Elemente.
§ 5. Hauptformen und allgemeine Eigenschaften
der psychischen Elemente.
1. Da alle psychischen Erfahrungsinhalte von zusam-
mengesetzter Beschaffenheit sind, so sind psychische Ele-
mente im Sinne absolut einfacher und unzerlegbarer Be-
standtheile des psychischen Geschehens die Erzeugnisse nicht
nur einer Analyse, sondern auch einer Abstraction, die nur
dadurch möglich ist, dass die Elemente thatsächlich in wech-
selnder Weise mit einander verbunden sind. Befindet sich
ein Element a in einem ersten Fall zusammen mit andern
Elementen b, c, d …, in einem zweiten mit b′, c′, d′ …
u. s. w., so kann eben deshalb, weil keines der Elemente
b, b′, c, c′ … constant an a gebunden ist, von ihnen allen
abstrahirt werden. Wenn wir z. B. einen einfachen Ton
von bestimmter Höhe und Stärke hören, so kann derselbe
bald nach dieser, bald nach jener Richtung des Raumes
verlegt, und es kann bald dieser, bald jener andere Ton
zugleich gehört werden. Weil es aber weder eine con-
stante räumliche Richtung noch einen constanten Begleitton
gibt, so lässt sich von diesen variablen Bestandtheilen ab-
strahiren, so dass der einzelne Ton allein als psychisches
Element zurückbleibt.
2. Der Thatsache, dass die unmittelbare Erfahrung nach
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inhalt und das erfahrende Subject, entsprechen zwei Arten
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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. [33]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/49>, abgerufen am 21.11.2024.
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