Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.Von der Schwere. unter dem Einfluss ihrer eigenen Schwere, sondern gleichzeitig unterdem Einfluss des Drucks, welchen jene Flüssigkeitssäule o s l r auf sie ausübt. Da nun der Druck, welchen jede über o s befindliche Schichte ausübt, von der Schwere der Schichte herrührt, so ist offen- bar dieser Druck gerade so gross wie die Einwirkung, welche die Schwere auf o s selbst successiv ausgeübt hätte, wenn diese Flüssig- keitsschichte die Höhe h herabgefallen wäre. Die Flüssigkeitssäule o s l r stellt also eine Kraft dar, durch welche die Schichte o s mit einer Geschwindigkeit hervorfliessen muss, die gleich jener Geschwin- digkeit ist, welche diese Schichte durch den Fall von der Höhe h er- halten hätte. Lassen wir das Niveau m n constant, indem wir fort- während neue Flüssigkeit nachfüllen, so bleibt auch die Kraft bei o s constant, und der ganze Flüssigkeitsstrom verlässt sonach mit einer constanten, der Druckhöhe h entsprechenden Geschwindigkeit das Ge- fäss. Man bezeichnet diesen Lehrsatz über die Geschwindigkeit aus Gefässen ausströmender Flüssigkeiten nach seinem Entdecker als das Toricelli'sche Theorem. Dieses Theorem ist jedoch unter einer Vorraussetzung abgeleitet, Die Menge von Flüssigkeit, die in einer gegebenen Zeit t aus einem Ge- Von der Schwere. unter dem Einfluss ihrer eigenen Schwere, sondern gleichzeitig unterdem Einfluss des Drucks, welchen jene Flüssigkeitssäule o s l r auf sie ausübt. Da nun der Druck, welchen jede über o s befindliche Schichte ausübt, von der Schwere der Schichte herrührt, so ist offen- bar dieser Druck gerade so gross wie die Einwirkung, welche die Schwere auf o s selbst successiv ausgeübt hätte, wenn diese Flüssig- keitsschichte die Höhe h herabgefallen wäre. Die Flüssigkeitssäule o s l r stellt also eine Kraft dar, durch welche die Schichte o s mit einer Geschwindigkeit hervorfliessen muss, die gleich jener Geschwin- digkeit ist, welche diese Schichte durch den Fall von der Höhe h er- halten hätte. Lassen wir das Niveau m n constant, indem wir fort- während neue Flüssigkeit nachfüllen, so bleibt auch die Kraft bei o s constant, und der ganze Flüssigkeitsstrom verlässt sonach mit einer constanten, der Druckhöhe h entsprechenden Geschwindigkeit das Ge- fäss. Man bezeichnet diesen Lehrsatz über die Geschwindigkeit aus Gefässen ausströmender Flüssigkeiten nach seinem Entdecker als das Toricelli’sche Theorem. Dieses Theorem ist jedoch unter einer Vorraussetzung abgeleitet, Die Menge von Flüssigkeit, die in einer gegebenen Zeit t aus einem Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0130" n="108"/><fw place="top" type="header">Von der Schwere.</fw><lb/> unter dem Einfluss ihrer eigenen Schwere, sondern gleichzeitig unter<lb/> dem Einfluss des Drucks, welchen jene Flüssigkeitssäule o s l r auf<lb/> sie ausübt. Da nun der Druck, welchen jede über o s befindliche<lb/> Schichte ausübt, von der Schwere der Schichte herrührt, so ist offen-<lb/> bar dieser Druck gerade so gross wie die Einwirkung, welche die<lb/> Schwere auf o s selbst successiv ausgeübt hätte, wenn diese Flüssig-<lb/> keitsschichte die Höhe h herabgefallen wäre. 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Diese Verlangsamung macht sich als eine sehr<lb/> rasch geschehende Verjüngung des Strahls unterhalb der Ausfluss-<lb/> öffnung geltend. Die Verjüngung erreicht ihr Maximum an jener Stelle,<lb/> wo die von beiden Seiten kommenden Flüssigkeitsfäden sich treffen,<lb/> und sie beträgt so viel, dass der Querschnitt des Stromes an dieser<lb/> Stelle nur ungefähr ⅔ des Querschnitts der Ausflussöffnung ein-<lb/> nimmt. Von der Stelle der Verjüngung des Strahls an verhält sich<lb/> dann derselbe gerade so, wie dies nach dem Toricelli’schen Theorem<lb/> erwartet werden müsste, wenn die Verjüngungsstelle selbst die Aus-<lb/> flussöffnung wäre.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Menge von Flüssigkeit</hi>, die in einer gegebenen Zeit t aus einem Ge-<lb/> fäss strömt, in welchem die Höhe der Flüssigkeit h ist und die Ausflussöffnung den<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0130]
Von der Schwere.
unter dem Einfluss ihrer eigenen Schwere, sondern gleichzeitig unter
dem Einfluss des Drucks, welchen jene Flüssigkeitssäule o s l r auf
sie ausübt. Da nun der Druck, welchen jede über o s befindliche
Schichte ausübt, von der Schwere der Schichte herrührt, so ist offen-
bar dieser Druck gerade so gross wie die Einwirkung, welche die
Schwere auf o s selbst successiv ausgeübt hätte, wenn diese Flüssig-
keitsschichte die Höhe h herabgefallen wäre. Die Flüssigkeitssäule
o s l r stellt also eine Kraft dar, durch welche die Schichte o s mit
einer Geschwindigkeit hervorfliessen muss, die gleich jener Geschwin-
digkeit ist, welche diese Schichte durch den Fall von der Höhe h er-
halten hätte. Lassen wir das Niveau m n constant, indem wir fort-
während neue Flüssigkeit nachfüllen, so bleibt auch die Kraft bei o s
constant, und der ganze Flüssigkeitsstrom verlässt sonach mit einer
constanten, der Druckhöhe h entsprechenden Geschwindigkeit das Ge-
fäss. Man bezeichnet diesen Lehrsatz über die Geschwindigkeit aus
Gefässen ausströmender Flüssigkeiten nach seinem Entdecker als das
Toricelli’sche Theorem.
Dieses Theorem ist jedoch unter einer Vorraussetzung abgeleitet,
die in der Wirklichkeit nicht strenge realisirt ist. Es ist nämlich da-
bei angenommen, dass die seitlich von der Flüssigkeitssäule o s l r
gelegenen Theilchen in den Strahl o s l r eintreten, ohne sich in
ihrer Bewegung zu hemmen. Dies ist aber unrichtig: wenn die Theil-
chen x und v (Fig. 44) die Wege x y und v y zurückgelegt haben,
so müssen dieselben, indem sie bei y zusammentreffen, in ihrer Bewe-
gung um so mehr sich hemmen, je mehr ihre Wege von der vertica-
len Richtung abweichen. Denn man kann sich die Bewegung eines
jeden Theilchens in eine verticale und in eine horizontale Componente,
x u und u y, zerlegt denken, wobei je zwei entgegengesetzt gerichtete
horizontale Componenten sich aufheben. Da nun die Wege dieser
seitlich gelegenen Theilchen offenbar um so mehr von der verticalen
Richtung abweichen, je grösser die Oeffnung des Gefässes ist, so wird
eine mit der Grösse der Oeffnung zunehmende Verlangsamung des
Ausflusses stattfinden. Diese Verlangsamung macht sich als eine sehr
rasch geschehende Verjüngung des Strahls unterhalb der Ausfluss-
öffnung geltend. Die Verjüngung erreicht ihr Maximum an jener Stelle,
wo die von beiden Seiten kommenden Flüssigkeitsfäden sich treffen,
und sie beträgt so viel, dass der Querschnitt des Stromes an dieser
Stelle nur ungefähr ⅔ des Querschnitts der Ausflussöffnung ein-
nimmt. Von der Stelle der Verjüngung des Strahls an verhält sich
dann derselbe gerade so, wie dies nach dem Toricelli’schen Theorem
erwartet werden müsste, wenn die Verjüngungsstelle selbst die Aus-
flussöffnung wäre.
Die Menge von Flüssigkeit, die in einer gegebenen Zeit t aus einem Ge-
fäss strömt, in welchem die Höhe der Flüssigkeit h ist und die Ausflussöffnung den
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