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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Schwere.
als horizontale Wurfkraft, und der austretende Strahl beschreibt daher
den Bogen einer Parabel. (S. §. 26 u. 57.)


78
Stromlauf in
einer cylindri-
schen Röhre.

Wesentlich modificirt werden die Erscheinungen des Ausströmens
der Flüssigkeiten, wenn die Ausflussöffnung des Gefässes zunächst in
eine Röhre übergeht, aus der dann erst der wirkliche Ausfluss statt-
findet; dies gilt namentlich für den gewöhnlichen und uns hier auch
allein interessirenden Fall, wo die Flüssigkeit die Wandung der
Röhre benetzt. Aus einem Wassergefäss (Fig. 45), in dessen Seiten-

[Abbildung] Fig. 45.
wand sich eine kreisförmige Oeff-
nung m n befindet, würde, wenn
diese Oeffnung unmittelbar nach
aussen mündete, ein ausserhalb
der Oeffnung sehr rasch auf 2/3 ih-
res Lumens sich verjüngender Flüs-
sigkeitsstrahl austreten. Wird nun
aber an die Oeffnung m n eine cy-
lindrische Röhre m r angesetzt, an
deren Wandung das Wasser adhä-
rirt, so wird, indem die Flüssig-
keitstheilchen von der Röhrenwandung angezogen werden, die Bahn
derselben sogleich in eine zur Axe der Röhre parallele übergehen,
ihre gegenseitige Bewegungsstörung muss sich daher durch die Ad-
häsion an der Wandung bedeutend verringern, und es wird jetzt,
falls nicht durch das Ansetzen der Röhre andere Bewegungswider-
stände von erheblicher Grösse eintreten, die Verlangsamung der Be-
wegung eine viel kleinere sein, als wenn sich keine Röhre an dem
Gefäss befände. In der That beobachtet man, dass, wenn eine kurze
cylindrische Ausflussröhre an das Gefäss angesetzt wird, die Ausfluss-
geschwindigkeit nur etwa um 1/10 geringer ist, als sie das von jeder
Bewegungsstörung abschende Toricellische Theorem erfordern würde.

Geht dagegen die Oeffnung des Gefässes in eine längere Röhre
über, so bedingt nun die Adhäsion an der Wandung selbst einen
merklichen Widerstand für die Bewegung der Flüssigkeit. Unmittel-
bar an der Wandung der Röhre bleibt nämlich eine ruhende Schichte
von Flüssigkeitstheilchen haften, an welcher die bewegte Flüssigkeit
sich reibt und dadurch eine Verzögerung ihrer Geschwindigkeit er-
fährt. Dieser Widerstand muss offenbar unter sonst gleichen Bedin-
gungen wachsen mit der Länge der Röhre. Nun muss aber zugleich
die Geschwindigkeit der Flüssigkeit in der ganzen Länge der Röhre
gleichförmig sein, da die Flüssigkeit aus dem Gefäss nur im selben
Maass in die Röhre nachströmen kann, als sie aus dieser ausströmt.
Es wird also die Geschwindigkeit des Stroms durch den Widerstand
in der ganzen Röhre um gleich viel verzögert. An der Einflussöffnung

Von der Schwere.
als horizontale Wurfkraft, und der austretende Strahl beschreibt daher
den Bogen einer Parabel. (S. §. 26 u. 57.)


78
Stromlauf in
einer cylindri-
schen Röhre.

Wesentlich modificirt werden die Erscheinungen des Ausströmens
der Flüssigkeiten, wenn die Ausflussöffnung des Gefässes zunächst in
eine Röhre übergeht, aus der dann erst der wirkliche Ausfluss statt-
findet; dies gilt namentlich für den gewöhnlichen und uns hier auch
allein interessirenden Fall, wo die Flüssigkeit die Wandung der
Röhre benetzt. Aus einem Wassergefäss (Fig. 45), in dessen Seiten-

[Abbildung] Fig. 45.
wand sich eine kreisförmige Oeff-
nung m n befindet, würde, wenn
diese Oeffnung unmittelbar nach
aussen mündete, ein ausserhalb
der Oeffnung sehr rasch auf ⅔ ih-
res Lumens sich verjüngender Flüs-
sigkeitsstrahl austreten. Wird nun
aber an die Oeffnung m n eine cy-
lindrische Röhre m r angesetzt, an
deren Wandung das Wasser adhä-
rirt, so wird, indem die Flüssig-
keitstheilchen von der Röhrenwandung angezogen werden, die Bahn
derselben sogleich in eine zur Axe der Röhre parallele übergehen,
ihre gegenseitige Bewegungsstörung muss sich daher durch die Ad-
häsion an der Wandung bedeutend verringern, und es wird jetzt,
falls nicht durch das Ansetzen der Röhre andere Bewegungswider-
stände von erheblicher Grösse eintreten, die Verlangsamung der Be-
wegung eine viel kleinere sein, als wenn sich keine Röhre an dem
Gefäss befände. In der That beobachtet man, dass, wenn eine kurze
cylindrische Ausflussröhre an das Gefäss angesetzt wird, die Ausfluss-
geschwindigkeit nur etwa um 1/10 geringer ist, als sie das von jeder
Bewegungsstörung abschende Toricellische Theorem erfordern würde.

Geht dagegen die Oeffnung des Gefässes in eine längere Röhre
über, so bedingt nun die Adhäsion an der Wandung selbst einen
merklichen Widerstand für die Bewegung der Flüssigkeit. Unmittel-
bar an der Wandung der Röhre bleibt nämlich eine ruhende Schichte
von Flüssigkeitstheilchen haften, an welcher die bewegte Flüssigkeit
sich reibt und dadurch eine Verzögerung ihrer Geschwindigkeit er-
fährt. Dieser Widerstand muss offenbar unter sonst gleichen Bedin-
gungen wachsen mit der Länge der Röhre. Nun muss aber zugleich
die Geschwindigkeit der Flüssigkeit in der ganzen Länge der Röhre
gleichförmig sein, da die Flüssigkeit aus dem Gefäss nur im selben
Maass in die Röhre nachströmen kann, als sie aus dieser ausströmt.
Es wird also die Geschwindigkeit des Stroms durch den Widerstand
in der ganzen Röhre um gleich viel verzögert. An der Einflussöffnung

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[110/0132] Von der Schwere. als horizontale Wurfkraft, und der austretende Strahl beschreibt daher den Bogen einer Parabel. (S. §. 26 u. 57.) Wesentlich modificirt werden die Erscheinungen des Ausströmens der Flüssigkeiten, wenn die Ausflussöffnung des Gefässes zunächst in eine Röhre übergeht, aus der dann erst der wirkliche Ausfluss statt- findet; dies gilt namentlich für den gewöhnlichen und uns hier auch allein interessirenden Fall, wo die Flüssigkeit die Wandung der Röhre benetzt. Aus einem Wassergefäss (Fig. 45), in dessen Seiten- [Abbildung Fig. 45.] wand sich eine kreisförmige Oeff- nung m n befindet, würde, wenn diese Oeffnung unmittelbar nach aussen mündete, ein ausserhalb der Oeffnung sehr rasch auf ⅔ ih- res Lumens sich verjüngender Flüs- sigkeitsstrahl austreten. Wird nun aber an die Oeffnung m n eine cy- lindrische Röhre m r angesetzt, an deren Wandung das Wasser adhä- rirt, so wird, indem die Flüssig- keitstheilchen von der Röhrenwandung angezogen werden, die Bahn derselben sogleich in eine zur Axe der Röhre parallele übergehen, ihre gegenseitige Bewegungsstörung muss sich daher durch die Ad- häsion an der Wandung bedeutend verringern, und es wird jetzt, falls nicht durch das Ansetzen der Röhre andere Bewegungswider- stände von erheblicher Grösse eintreten, die Verlangsamung der Be- wegung eine viel kleinere sein, als wenn sich keine Röhre an dem Gefäss befände. In der That beobachtet man, dass, wenn eine kurze cylindrische Ausflussröhre an das Gefäss angesetzt wird, die Ausfluss- geschwindigkeit nur etwa um 1/10 geringer ist, als sie das von jeder Bewegungsstörung abschende Toricellische Theorem erfordern würde. Geht dagegen die Oeffnung des Gefässes in eine längere Röhre über, so bedingt nun die Adhäsion an der Wandung selbst einen merklichen Widerstand für die Bewegung der Flüssigkeit. Unmittel- bar an der Wandung der Röhre bleibt nämlich eine ruhende Schichte von Flüssigkeitstheilchen haften, an welcher die bewegte Flüssigkeit sich reibt und dadurch eine Verzögerung ihrer Geschwindigkeit er- fährt. Dieser Widerstand muss offenbar unter sonst gleichen Bedin- gungen wachsen mit der Länge der Röhre. Nun muss aber zugleich die Geschwindigkeit der Flüssigkeit in der ganzen Länge der Röhre gleichförmig sein, da die Flüssigkeit aus dem Gefäss nur im selben Maass in die Röhre nachströmen kann, als sie aus dieser ausströmt. Es wird also die Geschwindigkeit des Stroms durch den Widerstand in der ganzen Röhre um gleich viel verzögert. An der Einflussöffnung

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/132>, abgerufen am 04.12.2024.