bewegung, und wo in einem elastischen Rohr Ungleichförmigkeiten der Strömung vorhanden sind, da muss nothwendig die Wandung des- selben in Wellenbewegungen gerathen, die sich der Flüssigkeit mit- theilen. Angenommen, in einem Röhrenabschnitt nehme die Geschwin- digkeit der Flüssigkeit zu, so muss die unter diesem Abschnitt gele- gene Stelle der Röhre in Folge des vermehrten Einströmens sich aus- dehnen; nimmt dann die Geschwindigkeit des Einströmens ab, so muss sich umgekehrt das Lumen der Röhre zusammenziehen.
90 Wellenhöhle und Wellen- länge.
Je dehnbarer die Wandung des elastischen Rohrs ist, um so höher wird die in ihm verlaufende Flüssigkeitswelle, und um so kürzer deren Länge. Denn giebt die Wandung verhältnissmässig leicht dem Druck der Flüssigkeit nach, so wird der an der Einmün- dungsstelle gelegene Abschnitt der Röhre schnell so weit ausgedehnt, dass er die hineingetriebene Flüssigkeitsmenge vollständig zu fassen vermag. Sind dagegen die Wandungen unnachgiebiger, so ist der entstehende Wellenberg lang, aber weniger hoch. Entsprechend muss die Geschwindigkeit, mit welcher die Wellenbewegung sich fortpflanzt, zunehmen, je starrer die Röhre wird. Eine vollkommen starre Röhre bildet gleichsam die Grenze, indem in ihr die Bewegung mit unend- licher Geschwindigkeit sich fortpflanzt und die Länge der Welle un- endlich gross, ihre Höhe aber unendlich klein, d. h. die Wellenbewe- gung zu einer geradlinigen Fortbewegung der Flüssigkeit wird.
Die Ausdehnung, welche die Wandung einer elastischen Röhre erfährt, ist ausser von der Ausdehnbarkeit derselben auch von der Grösse des Drucks abhängig, welchen die eingetriebene Flüssigkeit ausübt. Nun entspricht aber der Druck an der Einflussöffnung der Summe der Widerstände, welche die Flüssigkeit bei ihrer Bewegung zu überwinden hat, und er nimmt demzufolge in dem Maasse ab, als bereits Widerstände überwunden sind. So sinkt z. B., wie wir ge- sehen haben, in einem verzweigten Röhrensystem der Druck beträcht- lich unterhalb den Verzweigungsstellen. Entsprechend muss demnach auch die Wellenbewegung unter den Verzweigungsstellen abnehmen.
Vergleichen wir die Bewegung einer in einem elastischen Röh- rensystem eingeschlossenen Flüssigkeit mit der Bewegung, wie sie unter sonst gleichen Bedingungen in einem System mit starren Wan- dungen stattfindet, so besteht sichtlich die Hauptdifferenz darin, dass in dem ganzen Verlauf des starren Röhrensystems die Bewegung der Flüssigkeit vollständig dem stossweisen Eindringen derselben an der Einflussöffnung entspricht, dass daher in einem gegebenen Zeitpunkt durch alle Querschnitte des Systems immer gleich viel Flüssigkeits- theilchen hindurchdringen, somit auch die Veränderungen der Ge- schwindigkeit während der einzelnen Stösse im ganzen System einan- der vollständig correspondiren, nämlich zuerst auf ein Maximum an-
Von der Schwere.
bewegung, und wo in einem elastischen Rohr Ungleichförmigkeiten der Strömung vorhanden sind, da muss nothwendig die Wandung des- selben in Wellenbewegungen gerathen, die sich der Flüssigkeit mit- theilen. Angenommen, in einem Röhrenabschnitt nehme die Geschwin- digkeit der Flüssigkeit zu, so muss die unter diesem Abschnitt gele- gene Stelle der Röhre in Folge des vermehrten Einströmens sich aus- dehnen; nimmt dann die Geschwindigkeit des Einströmens ab, so muss sich umgekehrt das Lumen der Röhre zusammenziehen.
90 Wellenhöhle und Wellen- länge.
Je dehnbarer die Wandung des elastischen Rohrs ist, um so höher wird die in ihm verlaufende Flüssigkeitswelle, und um so kürzer deren Länge. Denn giebt die Wandung verhältnissmässig leicht dem Druck der Flüssigkeit nach, so wird der an der Einmün- dungsstelle gelegene Abschnitt der Röhre schnell so weit ausgedehnt, dass er die hineingetriebene Flüssigkeitsmenge vollständig zu fassen vermag. Sind dagegen die Wandungen unnachgiebiger, so ist der entstehende Wellenberg lang, aber weniger hoch. Entsprechend muss die Geschwindigkeit, mit welcher die Wellenbewegung sich fortpflanzt, zunehmen, je starrer die Röhre wird. Eine vollkommen starre Röhre bildet gleichsam die Grenze, indem in ihr die Bewegung mit unend- licher Geschwindigkeit sich fortpflanzt und die Länge der Welle un- endlich gross, ihre Höhe aber unendlich klein, d. h. die Wellenbewe- gung zu einer geradlinigen Fortbewegung der Flüssigkeit wird.
Die Ausdehnung, welche die Wandung einer elastischen Röhre erfährt, ist ausser von der Ausdehnbarkeit derselben auch von der Grösse des Drucks abhängig, welchen die eingetriebene Flüssigkeit ausübt. Nun entspricht aber der Druck an der Einflussöffnung der Summe der Widerstände, welche die Flüssigkeit bei ihrer Bewegung zu überwinden hat, und er nimmt demzufolge in dem Maasse ab, als bereits Widerstände überwunden sind. So sinkt z. B., wie wir ge- sehen haben, in einem verzweigten Röhrensystem der Druck beträcht- lich unterhalb den Verzweigungsstellen. Entsprechend muss demnach auch die Wellenbewegung unter den Verzweigungsstellen abnehmen.
Vergleichen wir die Bewegung einer in einem elastischen Röh- rensystem eingeschlossenen Flüssigkeit mit der Bewegung, wie sie unter sonst gleichen Bedingungen in einem System mit starren Wan- dungen stattfindet, so besteht sichtlich die Hauptdifferenz darin, dass in dem ganzen Verlauf des starren Röhrensystems die Bewegung der Flüssigkeit vollständig dem stossweisen Eindringen derselben an der Einflussöffnung entspricht, dass daher in einem gegebenen Zeitpunkt durch alle Querschnitte des Systems immer gleich viel Flüssigkeits- theilchen hindurchdringen, somit auch die Veränderungen der Ge- schwindigkeit während der einzelnen Stösse im ganzen System einan- der vollständig correspondiren, nämlich zuerst auf ein Maximum an-
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[128/0150]
Von der Schwere.
bewegung, und wo in einem elastischen Rohr Ungleichförmigkeiten
der Strömung vorhanden sind, da muss nothwendig die Wandung des-
selben in Wellenbewegungen gerathen, die sich der Flüssigkeit mit-
theilen. Angenommen, in einem Röhrenabschnitt nehme die Geschwin-
digkeit der Flüssigkeit zu, so muss die unter diesem Abschnitt gele-
gene Stelle der Röhre in Folge des vermehrten Einströmens sich aus-
dehnen; nimmt dann die Geschwindigkeit des Einströmens ab, so
muss sich umgekehrt das Lumen der Röhre zusammenziehen.
Je dehnbarer die Wandung des elastischen Rohrs ist, um so
höher wird die in ihm verlaufende Flüssigkeitswelle, und um so
kürzer deren Länge. Denn giebt die Wandung verhältnissmässig
leicht dem Druck der Flüssigkeit nach, so wird der an der Einmün-
dungsstelle gelegene Abschnitt der Röhre schnell so weit ausgedehnt,
dass er die hineingetriebene Flüssigkeitsmenge vollständig zu fassen
vermag. Sind dagegen die Wandungen unnachgiebiger, so ist der
entstehende Wellenberg lang, aber weniger hoch. Entsprechend muss
die Geschwindigkeit, mit welcher die Wellenbewegung sich fortpflanzt,
zunehmen, je starrer die Röhre wird. Eine vollkommen starre Röhre
bildet gleichsam die Grenze, indem in ihr die Bewegung mit unend-
licher Geschwindigkeit sich fortpflanzt und die Länge der Welle un-
endlich gross, ihre Höhe aber unendlich klein, d. h. die Wellenbewe-
gung zu einer geradlinigen Fortbewegung der Flüssigkeit wird.
Die Ausdehnung, welche die Wandung einer elastischen Röhre
erfährt, ist ausser von der Ausdehnbarkeit derselben auch von der
Grösse des Drucks abhängig, welchen die eingetriebene Flüssigkeit
ausübt. Nun entspricht aber der Druck an der Einflussöffnung der
Summe der Widerstände, welche die Flüssigkeit bei ihrer Bewegung
zu überwinden hat, und er nimmt demzufolge in dem Maasse ab, als
bereits Widerstände überwunden sind. So sinkt z. B., wie wir ge-
sehen haben, in einem verzweigten Röhrensystem der Druck beträcht-
lich unterhalb den Verzweigungsstellen. Entsprechend muss demnach
auch die Wellenbewegung unter den Verzweigungsstellen abnehmen.
Vergleichen wir die Bewegung einer in einem elastischen Röh-
rensystem eingeschlossenen Flüssigkeit mit der Bewegung, wie sie
unter sonst gleichen Bedingungen in einem System mit starren Wan-
dungen stattfindet, so besteht sichtlich die Hauptdifferenz darin, dass
in dem ganzen Verlauf des starren Röhrensystems die Bewegung der
Flüssigkeit vollständig dem stossweisen Eindringen derselben an der
Einflussöffnung entspricht, dass daher in einem gegebenen Zeitpunkt
durch alle Querschnitte des Systems immer gleich viel Flüssigkeits-
theilchen hindurchdringen, somit auch die Veränderungen der Ge-
schwindigkeit während der einzelnen Stösse im ganzen System einan-
der vollständig correspondiren, nämlich zuerst auf ein Maximum an-
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/150>, abgerufen am 04.12.2024.
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