giebt, die zu den musikalischen Klängen gerechnet werden, und trotz- dem Partialtöne enthalten, deren Schwingungen nicht das Verhältniss kleiner ganzer Zahlen haben. Solche unharmonische Partialtöne hört man z. B. beim Anschlagen der Stimmgabel und aller Saitenin- strumente. Sie sind meistens sehr hohe Töne und werden neben den tieferen harmonischen Theiltönen, die den eigentlichen Klang bilden, vernachlässigt.
Die Stärke der einzelnen einfachen Töne, welche einen Klang zu-115 Partialtöne des Klangs. Ana- lyse des Klangs. Klänge der mu- sikalischen In- strumente. Vo- calklänge. sammensetzen, ist beträchtlich verschieden: hierdurch unterscheidet sich der Klang von dem harmonischen Zusammenklingen mehrerer Töne. Der Klang stimmt aber darin überein mit dem Zu- sammenklang, dass er nicht bloss objectiv aus einem Grundton und mehreren höheren Nebentönen zusammengesetzt werden kann, sondern dass wir auch durch Aufmerksamheit oder durch Herbeiziehung be- sonderer Hülfsmittel uns in den Stand setzen können die sämmtlichen Theiltöne, die einen Klang bilden, aus demselben herauszuhören.
Die objective Existenz der Partialtöne eines Klangs lässt sich beweisen, indem man die Gesetze des Mittönens zur Anwendung bringt. Körper von geringer Masse, z. B. gespannte Saiten oder Mem- branen, gerathen, wenn derjenige Ton, den sie selbst beim Anschlagen geben, erschallt, leicht in Mitschwingung, indem sich die Bewegung der Luft auf sie überträgt. Erschallt nun ein Klang, der den Eigenton der Saite oder Membran, wenn auch nur als schwächeren Partialton ent- hält, so kann ein Mitschwingen eintreten, und man hört dann den be- treffenden Partialton verstärkt durch die mitschwingende Saite oder Membran. Noch objectiver lässt der Versuch auf folgende Weise sich anstellen. Man legt in einem Clavier auf irgend eine Saite ein kleines Holzsplitterchen und schlägt dann eine andere Saite an, welche einen der Untertöne der ersten Saite giebt; man legt also z. B. das Splitter- chen auf c' und schlägt c, F oder C u. s. w. an. Im Moment fliegt dann durch das eintretende Mitschwingen von c' das Splitterchen weg.
Durch eine Methode, die im Princip mit diesen Versuchen des Mittönens völlig übereinstimmt, lässt sich auch subjectiv, durch die Empfindung, jeder Klang in seine einzelnen Partialtöne zerlegen. Wir können nämlich nur desshalb die einzelnen Partialtöne nicht alle un- mittelbar wahrnehmen, weil sie in der Regel zu schwach sind. Wir richten daher unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich auf den tiefsten, welcher zugleich der stärkste ist, den Grundton, und bestimmen nach diesem die Tonhöhe, während die höheren Partialtöne, die Ober- töne, lediglich die eigenthümliche Klangfärbung ausmachen. Wie nun eine Saite in Mitschwingungen geräth, wenn in der Umgebung der Eigenton derselben erzeugt wird, so können auch in dem Luftraum einer Röhre, einer Kugel u. dgl., der mit der äusseren Luft communi-
Von den Tönen und musikalischen Klängen.
giebt, die zu den musikalischen Klängen gerechnet werden, und trotz- dem Partialtöne enthalten, deren Schwingungen nicht das Verhältniss kleiner ganzer Zahlen haben. Solche unharmonische Partialtöne hört man z. B. beim Anschlagen der Stimmgabel und aller Saitenin- strumente. Sie sind meistens sehr hohe Töne und werden neben den tieferen harmonischen Theiltönen, die den eigentlichen Klang bilden, vernachlässigt.
Die Stärke der einzelnen einfachen Töne, welche einen Klang zu-115 Partialtöne des Klangs. Ana- lyse des Klangs. Klänge der mu- sikalischen In- strumente. Vo- calklänge. sammensetzen, ist beträchtlich verschieden: hierdurch unterscheidet sich der Klang von dem harmonischen Zusammenklingen mehrerer Töne. Der Klang stimmt aber darin überein mit dem Zu- sammenklang, dass er nicht bloss objectiv aus einem Grundton und mehreren höheren Nebentönen zusammengesetzt werden kann, sondern dass wir auch durch Aufmerksamheit oder durch Herbeiziehung be- sonderer Hülfsmittel uns in den Stand setzen können die sämmtlichen Theiltöne, die einen Klang bilden, aus demselben herauszuhören.
Die objective Existenz der Partialtöne eines Klangs lässt sich beweisen, indem man die Gesetze des Mittönens zur Anwendung bringt. Körper von geringer Masse, z. B. gespannte Saiten oder Mem- branen, gerathen, wenn derjenige Ton, den sie selbst beim Anschlagen geben, erschallt, leicht in Mitschwingung, indem sich die Bewegung der Luft auf sie überträgt. Erschallt nun ein Klang, der den Eigenton der Saite oder Membran, wenn auch nur als schwächeren Partialton ent- hält, so kann ein Mitschwingen eintreten, und man hört dann den be- treffenden Partialton verstärkt durch die mitschwingende Saite oder Membran. Noch objectiver lässt der Versuch auf folgende Weise sich anstellen. Man legt in einem Clavier auf irgend eine Saite ein kleines Holzsplitterchen und schlägt dann eine andere Saite an, welche einen der Untertöne der ersten Saite giebt; man legt also z. B. das Splitter- chen auf c' und schlägt c, F oder C u. s. w. an. Im Moment fliegt dann durch das eintretende Mitschwingen von c' das Splitterchen weg.
Durch eine Methode, die im Princip mit diesen Versuchen des Mittönens völlig übereinstimmt, lässt sich auch subjectiv, durch die Empfindung, jeder Klang in seine einzelnen Partialtöne zerlegen. Wir können nämlich nur desshalb die einzelnen Partialtöne nicht alle un- mittelbar wahrnehmen, weil sie in der Regel zu schwach sind. Wir richten daher unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich auf den tiefsten, welcher zugleich der stärkste ist, den Grundton, und bestimmen nach diesem die Tonhöhe, während die höheren Partialtöne, die Ober- töne, lediglich die eigenthümliche Klangfärbung ausmachen. Wie nun eine Saite in Mitschwingungen geräth, wenn in der Umgebung der Eigenton derselben erzeugt wird, so können auch in dem Luftraum einer Röhre, einer Kugel u. dgl., der mit der äusseren Luft communi-
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Von den Tönen und musikalischen Klängen.
giebt, die zu den musikalischen Klängen gerechnet werden, und trotz-
dem Partialtöne enthalten, deren Schwingungen nicht das Verhältniss
kleiner ganzer Zahlen haben. Solche unharmonische Partialtöne
hört man z. B. beim Anschlagen der Stimmgabel und aller Saitenin-
strumente. Sie sind meistens sehr hohe Töne und werden neben den
tieferen harmonischen Theiltönen, die den eigentlichen Klang bilden,
vernachlässigt.
Die Stärke der einzelnen einfachen Töne, welche einen Klang zu-
sammensetzen, ist beträchtlich verschieden: hierdurch unterscheidet
sich der Klang von dem harmonischen Zusammenklingen
mehrerer Töne. Der Klang stimmt aber darin überein mit dem Zu-
sammenklang, dass er nicht bloss objectiv aus einem Grundton und
mehreren höheren Nebentönen zusammengesetzt werden kann, sondern
dass wir auch durch Aufmerksamheit oder durch Herbeiziehung be-
sonderer Hülfsmittel uns in den Stand setzen können die sämmtlichen
Theiltöne, die einen Klang bilden, aus demselben herauszuhören.
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Partialtöne des
Klangs. Ana-
lyse des Klangs.
Klänge der mu-
sikalischen In-
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calklänge.
Die objective Existenz der Partialtöne eines Klangs lässt
sich beweisen, indem man die Gesetze des Mittönens zur Anwendung
bringt. Körper von geringer Masse, z. B. gespannte Saiten oder Mem-
branen, gerathen, wenn derjenige Ton, den sie selbst beim Anschlagen
geben, erschallt, leicht in Mitschwingung, indem sich die Bewegung der
Luft auf sie überträgt. Erschallt nun ein Klang, der den Eigenton der
Saite oder Membran, wenn auch nur als schwächeren Partialton ent-
hält, so kann ein Mitschwingen eintreten, und man hört dann den be-
treffenden Partialton verstärkt durch die mitschwingende Saite oder
Membran. Noch objectiver lässt der Versuch auf folgende Weise sich
anstellen. Man legt in einem Clavier auf irgend eine Saite ein kleines
Holzsplitterchen und schlägt dann eine andere Saite an, welche einen
der Untertöne der ersten Saite giebt; man legt also z. B. das Splitter-
chen auf c' und schlägt c, F oder C u. s. w. an. Im Moment fliegt
dann durch das eintretende Mitschwingen von c' das Splitterchen weg.
Durch eine Methode, die im Princip mit diesen Versuchen des
Mittönens völlig übereinstimmt, lässt sich auch subjectiv, durch die
Empfindung, jeder Klang in seine einzelnen Partialtöne zerlegen. Wir
können nämlich nur desshalb die einzelnen Partialtöne nicht alle un-
mittelbar wahrnehmen, weil sie in der Regel zu schwach sind. Wir
richten daher unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich auf den tiefsten,
welcher zugleich der stärkste ist, den Grundton, und bestimmen
nach diesem die Tonhöhe, während die höheren Partialtöne, die Ober-
töne, lediglich die eigenthümliche Klangfärbung ausmachen. Wie nun
eine Saite in Mitschwingungen geräth, wenn in der Umgebung der
Eigenton derselben erzeugt wird, so können auch in dem Luftraum
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/189>, abgerufen am 04.12.2024.
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