Man bezeichnet diesen Satz als das Gesetz der Trägheit oder des Beharrungsvermögens.
Weitere physikalische Gesetze können nicht aus dem Causalge- setz unmittelbar mit zwingender Nothwendigkeit gefolgert werden. Aber es giebt noch eine Anzahl allgemeiner Naturgesetze, die unter Voraussetzung des Causalgesetzes die einfachsten Principien sind, die sich für das Geschehen in der Natur denken lassen, und die ausser- dem in einem solchen Zusammenhang stehen, dass jedes derselben alle andern mit Nothwendigkeit voraussetzt. Diese Gesetze sind, ebenso wie das Causalgesetz, mit allen Erfahrungen im Einklang, wäh- rend keine einzige denselben widerstreitet. Auch sie besitzen daher eine Gewissheit, die der überhaupt möglichen Gewissheit der Erfah- rung gleichkommt. Die Hauptprincipien, die wir hier unterscheiden können, sind folgende: 1) das Gesetz der Erhaltung der Materie, 2) das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung, 3) das Gesetz der geradlinigen Richtung der Kräfte, 4) das Gesetz der Zu- sammensetzung der Kräfte, 5) das Gesetz der Erhaltung der Kraft.
Das Gesetz der Erhaltung der Materie sagt aus, dass7 Gesetz der Er- haltung der Materie. weder Materie entstehen noch zerstört werden kann. Physik und Chemie haben die scheinbaren Widersprüche gegen dieses Gesetz, wie sie z. B. bei der Verbrennung, beim Uebergehen der Körper in den gasförmigen Aggregatzustand beobachtet werden, in wesentliche Stützen desselben umgewandelt; es gilt daher als die Grundlage der ganzen Naturlehre. Das Gesetz besitzt aber schon nach dem Satz der Causa- lität eine grosse Wahrscheinlichkeit, da ein Entstehen oder Vergehen von Materie jedenfalls auf keine physikalische Ursache zurückgeführt werden könnte, somit nur eine unbekannte, ausserweltliche Ursache für ein derartiges Geschehen möglich wäre.
Aus dem Princip der Erhaltung der Materie ergibt sich mit un- mittelbarer Evidenz der Satz, dass die Veränderungen in der Natur in Bewegungen bestehen. Denn da zu der vorhandenen Materie nichts hinzukommen und nichts von ihr hinweggenommen wer- den kann, so kann auch jede Veränderung derselben nur auf einem Ortswechsel ihrer Theile beruhen.
Das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegen-8 Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung. wirkung sagt aus, dass, wenn zwei Körper mit Kräften auf einander wirken, die Wirkung des ersten auf den zweiten Körper gleich der Wirkung des zweiten auf den ersten Körper ist. Ein Magnet und ein Stück Eisen ziehen z. B. mit gleichen Kräften gegenseitig sich an. Wenn wir einen Druck auf einen Körper ausüben, so erfahren wir einen ebenso starken Gegendruck. Ein auf der Erde befindlicher Kör- der übt vermöge der Gravitation eine gleich grosse Anziehungskraft
Die allgemeinsten Naturgesetze.
Man bezeichnet diesen Satz als das Gesetz der Trägheit oder des Beharrungsvermögens.
Weitere physikalische Gesetze können nicht aus dem Causalge- setz unmittelbar mit zwingender Nothwendigkeit gefolgert werden. Aber es giebt noch eine Anzahl allgemeiner Naturgesetze, die unter Voraussetzung des Causalgesetzes die einfachsten Principien sind, die sich für das Geschehen in der Natur denken lassen, und die ausser- dem in einem solchen Zusammenhang stehen, dass jedes derselben alle andern mit Nothwendigkeit voraussetzt. Diese Gesetze sind, ebenso wie das Causalgesetz, mit allen Erfahrungen im Einklang, wäh- rend keine einzige denselben widerstreitet. Auch sie besitzen daher eine Gewissheit, die der überhaupt möglichen Gewissheit der Erfah- rung gleichkommt. Die Hauptprincipien, die wir hier unterscheiden können, sind folgende: 1) das Gesetz der Erhaltung der Materie, 2) das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung, 3) das Gesetz der geradlinigen Richtung der Kräfte, 4) das Gesetz der Zu- sammensetzung der Kräfte, 5) das Gesetz der Erhaltung der Kraft.
Das Gesetz der Erhaltung der Materie sagt aus, dass7 Gesetz der Er- haltung der Materie. weder Materie entstehen noch zerstört werden kann. Physik und Chemie haben die scheinbaren Widersprüche gegen dieses Gesetz, wie sie z. B. bei der Verbrennung, beim Uebergehen der Körper in den gasförmigen Aggregatzustand beobachtet werden, in wesentliche Stützen desselben umgewandelt; es gilt daher als die Grundlage der ganzen Naturlehre. Das Gesetz besitzt aber schon nach dem Satz der Causa- lität eine grosse Wahrscheinlichkeit, da ein Entstehen oder Vergehen von Materie jedenfalls auf keine physikalische Ursache zurückgeführt werden könnte, somit nur eine unbekannte, ausserweltliche Ursache für ein derartiges Geschehen möglich wäre.
Aus dem Princip der Erhaltung der Materie ergibt sich mit un- mittelbarer Evidenz der Satz, dass die Veränderungen in der Natur in Bewegungen bestehen. Denn da zu der vorhandenen Materie nichts hinzukommen und nichts von ihr hinweggenommen wer- den kann, so kann auch jede Veränderung derselben nur auf einem Ortswechsel ihrer Theile beruhen.
Das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegen-8 Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung. wirkung sagt aus, dass, wenn zwei Körper mit Kräften auf einander wirken, die Wirkung des ersten auf den zweiten Körper gleich der Wirkung des zweiten auf den ersten Körper ist. Ein Magnet und ein Stück Eisen ziehen z. B. mit gleichen Kräften gegenseitig sich an. Wenn wir einen Druck auf einen Körper ausüben, so erfahren wir einen ebenso starken Gegendruck. Ein auf der Erde befindlicher Kör- der übt vermöge der Gravitation eine gleich grosse Anziehungskraft
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Die allgemeinsten Naturgesetze.
Man bezeichnet diesen Satz als das Gesetz der Trägheit oder des
Beharrungsvermögens.
Weitere physikalische Gesetze können nicht aus dem Causalge-
setz unmittelbar mit zwingender Nothwendigkeit gefolgert werden.
Aber es giebt noch eine Anzahl allgemeiner Naturgesetze, die unter
Voraussetzung des Causalgesetzes die einfachsten Principien sind, die
sich für das Geschehen in der Natur denken lassen, und die ausser-
dem in einem solchen Zusammenhang stehen, dass jedes derselben
alle andern mit Nothwendigkeit voraussetzt. Diese Gesetze sind,
ebenso wie das Causalgesetz, mit allen Erfahrungen im Einklang, wäh-
rend keine einzige denselben widerstreitet. Auch sie besitzen daher
eine Gewissheit, die der überhaupt möglichen Gewissheit der Erfah-
rung gleichkommt. Die Hauptprincipien, die wir hier unterscheiden
können, sind folgende: 1) das Gesetz der Erhaltung der Materie,
2) das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung, 3) das
Gesetz der geradlinigen Richtung der Kräfte, 4) das Gesetz der Zu-
sammensetzung der Kräfte, 5) das Gesetz der Erhaltung der Kraft.
Das Gesetz der Erhaltung der Materie sagt aus, dass
weder Materie entstehen noch zerstört werden kann. Physik und
Chemie haben die scheinbaren Widersprüche gegen dieses Gesetz, wie
sie z. B. bei der Verbrennung, beim Uebergehen der Körper in den
gasförmigen Aggregatzustand beobachtet werden, in wesentliche Stützen
desselben umgewandelt; es gilt daher als die Grundlage der ganzen
Naturlehre. Das Gesetz besitzt aber schon nach dem Satz der Causa-
lität eine grosse Wahrscheinlichkeit, da ein Entstehen oder Vergehen
von Materie jedenfalls auf keine physikalische Ursache zurückgeführt
werden könnte, somit nur eine unbekannte, ausserweltliche Ursache
für ein derartiges Geschehen möglich wäre.
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Gesetz der Er-
haltung der
Materie.
Aus dem Princip der Erhaltung der Materie ergibt sich mit un-
mittelbarer Evidenz der Satz, dass die Veränderungen in der
Natur in Bewegungen bestehen. Denn da zu der vorhandenen
Materie nichts hinzukommen und nichts von ihr hinweggenommen wer-
den kann, so kann auch jede Veränderung derselben nur auf einem
Ortswechsel ihrer Theile beruhen.
Das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegen-
wirkung sagt aus, dass, wenn zwei Körper mit Kräften auf einander
wirken, die Wirkung des ersten auf den zweiten Körper gleich der
Wirkung des zweiten auf den ersten Körper ist. Ein Magnet und ein
Stück Eisen ziehen z. B. mit gleichen Kräften gegenseitig sich an.
Wenn wir einen Druck auf einen Körper ausüben, so erfahren wir
einen ebenso starken Gegendruck. Ein auf der Erde befindlicher Kör-
der übt vermöge der Gravitation eine gleich grosse Anziehungskraft
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Gesetz der
Gleichheit von
Wirkung und
Gegenwirkung.
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/29>, abgerufen am 25.11.2024.
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