Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Wärme.
Manche vorausgesetzt haben, dass das Atomgewicht dieser Körper nur
halb so gross angenommen werden müsse. Eine isolirte Ausnahme
bildet die Kohle, bei der, wenn man die specifische Wärme der thieri-
schen Kohle zu Grunde legt, das Product A C = 19,5, also ungefähr
= 1/2 der gewöhnlichen Constante ist; die für die Kohle in den an-
deren Zuständen gefundenen Werthe von C geben gar keine Producte,
welche zu den anderen eine einfache Beziehung zeigen. Wir können
hiernach das Gesetz von Dulong und Petit exacter so aussprechen:
die äquivalenten Mengen der chemisch einfachen Körper haben in der Re-
gel entweder gleiche specifische Wärmen oder solche, die im Verhältniss
von 1 : 2 stehen. Das nämliche Gesetz gilt nach Neumann und Reg-
nault
auch für ähnlich zusammengesetzte Verbindungen. Sowohl
bei ihnen jedoch wie bei den einfachen Körpern ist jene Constanz des
Productes A C, wie Regnault nachgewiesen hat, nicht in voller
Strenge richtig. Dies geht schon daraus hervor, dass die specifischen
Wärmen keineswegs vollkommen constant sind. (§. 263). Die Pro-
ducte A C zeigen daher im selben Sinne wie die letzteren Schwan-
kungen.

Noch beträchtlichere Einschränkungen erfährt das Gesetz bei den
gasförmigen Körpern. Dasselbe ist nur bei den permanenten Gasen
annähernd verwirklicht, während namentlich die leicht condensirbaren,
wie Brom und Jod, mehr oder weniger erheblich davon abweichen.
Da chemisch äquivalente Mengen zweier Gase ausserdem entweder
gleiche Volumina haben oder solche, die in einem einfachen Verhält-
nisse zu einander stehen, so folgt, dass, insoweit das obige Gesetz
gilt, die Wärmecapacitäten der Gase entweder einander gleich sind
oder im selben Verhältnisse zu einander stehen wie die Aequivalent-
volumina.

Die chemische Atomtheorie nimmt an, dass das Atomgewicht
wirklich das relative Gewicht eines Atoms bedeute, dass also in den
Aequivalentgewichten immer eine gleiche Anzahl von Atomen enthal-
ten sei. Ist diese Voraussetzung richtig, so hat das obige Gesetz eine
sehr einfache Bedeutung: es haben dann die Atome aller einfachen
Körper entweder gleiche specifische Wärmen oder solche, die im Ver-
hältnisse von 1 : 2 stehen, und die Schwankungen der specifischen
Wärme, die wir trotzdem beobachten, müssen auf Veränderungen in
dem physikalischen Zustande der Körper bezogen werden, welche je-
nes einfache, durch die chemische Beschaffenheit bedingte Verhält-
niss modificiren. Wir würden vielleicht völlige Gleichheit der specifi-
schen Wärme der Atome beobachten, wenn es uns möglich wäre diese
genau im selben physikalischen Zustande zu untersuchen. Offenbar
sind die Körper einer solchen Identität des physikalischen Zustandes
am nächsten entweder als feste Körper oder bei jener Moleculardistanz,
die dem Zustand der permanenten Gase entspricht.


Von der Wärme.
Manche vorausgesetzt haben, dass das Atomgewicht dieser Körper nur
halb so gross angenommen werden müsse. Eine isolirte Ausnahme
bildet die Kohle, bei der, wenn man die specifische Wärme der thieri-
schen Kohle zu Grunde legt, das Product A C = 19,5, also ungefähr
= ½ der gewöhnlichen Constante ist; die für die Kohle in den an-
deren Zuständen gefundenen Werthe von C geben gar keine Producte,
welche zu den anderen eine einfache Beziehung zeigen. Wir können
hiernach das Gesetz von Dulong und Petit exacter so aussprechen:
die äquivalenten Mengen der chemisch einfachen Körper haben in der Re-
gel entweder gleiche specifische Wärmen oder solche, die im Verhältniss
von 1 : 2 stehen. Das nämliche Gesetz gilt nach Neumann und Reg-
nault
auch für ähnlich zusammengesetzte Verbindungen. Sowohl
bei ihnen jedoch wie bei den einfachen Körpern ist jene Constanz des
Productes A C, wie Regnault nachgewiesen hat, nicht in voller
Strenge richtig. Dies geht schon daraus hervor, dass die specifischen
Wärmen keineswegs vollkommen constant sind. (§. 263). Die Pro-
ducte A C zeigen daher im selben Sinne wie die letzteren Schwan-
kungen.

Noch beträchtlichere Einschränkungen erfährt das Gesetz bei den
gasförmigen Körpern. Dasselbe ist nur bei den permanenten Gasen
annähernd verwirklicht, während namentlich die leicht condensirbaren,
wie Brom und Jod, mehr oder weniger erheblich davon abweichen.
Da chemisch äquivalente Mengen zweier Gase ausserdem entweder
gleiche Volumina haben oder solche, die in einem einfachen Verhält-
nisse zu einander stehen, so folgt, dass, insoweit das obige Gesetz
gilt, die Wärmecapacitäten der Gase entweder einander gleich sind
oder im selben Verhältnisse zu einander stehen wie die Aequivalent-
volumina.

Die chemische Atomtheorie nimmt an, dass das Atomgewicht
wirklich das relative Gewicht eines Atoms bedeute, dass also in den
Aequivalentgewichten immer eine gleiche Anzahl von Atomen enthal-
ten sei. Ist diese Voraussetzung richtig, so hat das obige Gesetz eine
sehr einfache Bedeutung: es haben dann die Atome aller einfachen
Körper entweder gleiche specifische Wärmen oder solche, die im Ver-
hältnisse von 1 : 2 stehen, und die Schwankungen der specifischen
Wärme, die wir trotzdem beobachten, müssen auf Veränderungen in
dem physikalischen Zustande der Körper bezogen werden, welche je-
nes einfache, durch die chemische Beschaffenheit bedingte Verhält-
niss modificiren. Wir würden vielleicht völlige Gleichheit der specifi-
schen Wärme der Atome beobachten, wenn es uns möglich wäre diese
genau im selben physikalischen Zustande zu untersuchen. Offenbar
sind die Körper einer solchen Identität des physikalischen Zustandes
am nächsten entweder als feste Körper oder bei jener Moleculardistanz,
die dem Zustand der permanenten Gase entspricht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0422" n="400"/><fw place="top" type="header">Von der Wärme.</fw><lb/>
Manche vorausgesetzt haben, dass das Atomgewicht dieser Körper nur<lb/>
halb so gross angenommen werden müsse. Eine isolirte Ausnahme<lb/>
bildet die Kohle, bei der, wenn man die specifische Wärme der thieri-<lb/>
schen Kohle zu Grunde legt, das Product A C = 19,5, also ungefähr<lb/>
= ½ der gewöhnlichen Constante ist; die für die Kohle in den an-<lb/>
deren Zuständen gefundenen Werthe von C geben gar keine Producte,<lb/>
welche zu den anderen eine einfache Beziehung zeigen. Wir können<lb/>
hiernach das Gesetz von <hi rendition="#g">Dulong</hi> und <hi rendition="#g">Petit</hi> exacter so aussprechen:<lb/>
die äquivalenten Mengen der chemisch einfachen Körper haben in der Re-<lb/>
gel entweder gleiche specifische Wärmen oder solche, die im Verhältniss<lb/>
von 1 : 2 stehen. Das nämliche Gesetz gilt nach <hi rendition="#g">Neumann</hi> und <hi rendition="#g">Reg-<lb/>
nault</hi> auch für ähnlich zusammengesetzte Verbindungen. Sowohl<lb/>
bei ihnen jedoch wie bei den einfachen Körpern ist jene Constanz des<lb/>
Productes A C, wie <hi rendition="#g">Regnault</hi> nachgewiesen hat, nicht in voller<lb/>
Strenge richtig. Dies geht schon daraus hervor, dass die specifischen<lb/>
Wärmen keineswegs vollkommen constant sind. (§. 263). Die Pro-<lb/>
ducte A C zeigen daher im selben Sinne wie die letzteren Schwan-<lb/>
kungen.</p><lb/>
          <p>Noch beträchtlichere Einschränkungen erfährt das Gesetz bei den<lb/>
gasförmigen Körpern. Dasselbe ist nur bei den permanenten Gasen<lb/>
annähernd verwirklicht, während namentlich die leicht condensirbaren,<lb/>
wie Brom und Jod, mehr oder weniger erheblich davon abweichen.<lb/>
Da chemisch äquivalente Mengen zweier Gase ausserdem entweder<lb/>
gleiche Volumina haben oder solche, die in einem einfachen Verhält-<lb/>
nisse zu einander stehen, so folgt, dass, insoweit das obige Gesetz<lb/>
gilt, die Wärmecapacitäten der Gase entweder einander gleich sind<lb/>
oder im selben Verhältnisse zu einander stehen wie die Aequivalent-<lb/>
volumina.</p><lb/>
          <p>Die chemische Atomtheorie nimmt an, dass das Atomgewicht<lb/>
wirklich das relative Gewicht eines Atoms bedeute, dass also in den<lb/>
Aequivalentgewichten immer eine gleiche Anzahl von Atomen enthal-<lb/>
ten sei. Ist diese Voraussetzung richtig, so hat das obige Gesetz eine<lb/>
sehr einfache Bedeutung: es haben dann die Atome aller einfachen<lb/>
Körper entweder gleiche specifische Wärmen oder solche, die im Ver-<lb/>
hältnisse von 1 : 2 stehen, und die Schwankungen der specifischen<lb/>
Wärme, die wir trotzdem beobachten, müssen auf Veränderungen in<lb/>
dem physikalischen Zustande der Körper bezogen werden, welche je-<lb/>
nes einfache, durch die chemische Beschaffenheit bedingte Verhält-<lb/>
niss modificiren. Wir würden vielleicht völlige Gleichheit der specifi-<lb/>
schen Wärme der Atome beobachten, wenn es uns möglich wäre diese<lb/>
genau im selben physikalischen Zustande zu untersuchen. Offenbar<lb/>
sind die Körper einer solchen Identität des physikalischen Zustandes<lb/>
am nächsten entweder als feste Körper oder bei jener Moleculardistanz,<lb/>
die dem Zustand der permanenten Gase entspricht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0422] Von der Wärme. Manche vorausgesetzt haben, dass das Atomgewicht dieser Körper nur halb so gross angenommen werden müsse. Eine isolirte Ausnahme bildet die Kohle, bei der, wenn man die specifische Wärme der thieri- schen Kohle zu Grunde legt, das Product A C = 19,5, also ungefähr = ½ der gewöhnlichen Constante ist; die für die Kohle in den an- deren Zuständen gefundenen Werthe von C geben gar keine Producte, welche zu den anderen eine einfache Beziehung zeigen. Wir können hiernach das Gesetz von Dulong und Petit exacter so aussprechen: die äquivalenten Mengen der chemisch einfachen Körper haben in der Re- gel entweder gleiche specifische Wärmen oder solche, die im Verhältniss von 1 : 2 stehen. Das nämliche Gesetz gilt nach Neumann und Reg- nault auch für ähnlich zusammengesetzte Verbindungen. Sowohl bei ihnen jedoch wie bei den einfachen Körpern ist jene Constanz des Productes A C, wie Regnault nachgewiesen hat, nicht in voller Strenge richtig. Dies geht schon daraus hervor, dass die specifischen Wärmen keineswegs vollkommen constant sind. (§. 263). Die Pro- ducte A C zeigen daher im selben Sinne wie die letzteren Schwan- kungen. Noch beträchtlichere Einschränkungen erfährt das Gesetz bei den gasförmigen Körpern. Dasselbe ist nur bei den permanenten Gasen annähernd verwirklicht, während namentlich die leicht condensirbaren, wie Brom und Jod, mehr oder weniger erheblich davon abweichen. Da chemisch äquivalente Mengen zweier Gase ausserdem entweder gleiche Volumina haben oder solche, die in einem einfachen Verhält- nisse zu einander stehen, so folgt, dass, insoweit das obige Gesetz gilt, die Wärmecapacitäten der Gase entweder einander gleich sind oder im selben Verhältnisse zu einander stehen wie die Aequivalent- volumina. Die chemische Atomtheorie nimmt an, dass das Atomgewicht wirklich das relative Gewicht eines Atoms bedeute, dass also in den Aequivalentgewichten immer eine gleiche Anzahl von Atomen enthal- ten sei. Ist diese Voraussetzung richtig, so hat das obige Gesetz eine sehr einfache Bedeutung: es haben dann die Atome aller einfachen Körper entweder gleiche specifische Wärmen oder solche, die im Ver- hältnisse von 1 : 2 stehen, und die Schwankungen der specifischen Wärme, die wir trotzdem beobachten, müssen auf Veränderungen in dem physikalischen Zustande der Körper bezogen werden, welche je- nes einfache, durch die chemische Beschaffenheit bedingte Verhält- niss modificiren. Wir würden vielleicht völlige Gleichheit der specifi- schen Wärme der Atome beobachten, wenn es uns möglich wäre diese genau im selben physikalischen Zustande zu untersuchen. Offenbar sind die Körper einer solchen Identität des physikalischen Zustandes am nächsten entweder als feste Körper oder bei jener Moleculardistanz, die dem Zustand der permanenten Gase entspricht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/422
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/422>, abgerufen am 05.12.2024.