zeitig von der Menge der gebildeten und nach aussen abgegebenen Wärme abhängig. Die Wärmeabgabe geschieht hauptsächlich durch Leitung und Strahlung an die Umgebung; ein weiterer Theil der ge- bildeten Wärme verschwindet aber auch durch Wasserverdunstung an der Körperoberfläche, ein dritter durch die Verdunstung aus den Lun- gen und durch die Erwärmung der Athmungsluft, ein vierter endlich durch die Erwärmung der kälteren eingeführten Nahrungsmittel und Getränke. Der überwiegend grösste Theil dieser Wärmeverluste trifft die Leitung, Strahlung und Wasserverdunstung an der Körperober- fläche, die sich nicht wohl von einander trennen lassen, und die man beim Menschen zusammen auf über 77 Proc. des gesammten Wärme- verlustes schätzt.
Wenn die Bedingungen der Bildung und Ableitung der Wärme constant bleiben, so muss sehr bald auch die Temperatur constant werden. Bei diesem Zustand des Gleichgewichts ist dann nothwen- dig die in einer gewissen Zeit abgegebene Wärme gleich der in der nämlichen Zeit gebildeten. Wenn also 1,87 Wärmeeinheiten gebildet werden, so gehen auch ebenso viel durch Strahlung, Leitung an die Umgebung, Verdunstung u. s. w. verloren. Dagegen darf daraus dass die Temperatur unverändert bleibt nicht unbedingt auf eine Unverän- derlichkeit der Wärmebildung und des Wärmeverlustes geschlossen werden. Denn ist eine Steigerung der Wärmebildung mit einer ent- sprechenden Zunahme der Wärmeableitung oder eine verminderte Wärmebildung mit einer Abnahme der Wärmeableitung verknüpft, so wird trotzdem die Temperatur unverändert bleiben. In der That com- pensiren in dem Körper der warmblütigen Thiere sehr häufig die Be- dingungen der Bildung und der Ableitung der Wärme sich gegenseitig, und es wird dadurch erreicht, dass die Wärme ihrer innern Organe nur sehr wenig variirt. Bei den s. g. kaltblütigen oder wechsel- warmen Thieren dagegen findet diese Compensation nicht statt, oder sie ist wenigstens eine unzureichende, theils weil diese Thiere über- haupt weniger Wärme bilden, theils weil sie beträchtlicheren Wärme- verlusten unterworfen sind. Der geringere Wärmebildungsprocess der Kaltblüter giebt sich daran zu erkennen, dass ihre Temperatur in der Regel nur um wenige Grade diejenige ihrer Umgebung übertrifft; sie kann aber sogar unter dieselbe sinken, wenn durch bedeutende Wasser- verdunstung an der Körperoberfläche grössere Wärmeverluste statt- finden. Sehr viele der kaltblütigen Thiere leben immer oder zeitweise im Wasser, also in einem Medium, welches sehr die Wärmeableitung begünstigt und somit zur Erhaltung einer constanten Eigenwärme einen sehr intensiven Verbrennungsprocess und eine Beschaffenheit der Kör- peroberfläche erfordert, welche möglichst die Ableitung beschränkt, wie z. B. geringe Oberfläche im Verhältniss zum Körpervolum, dicke Lagen schlecht leitenden Fettes unter der Haut, Bedingungen, die
Von der Wärme.
zeitig von der Menge der gebildeten und nach aussen abgegebenen Wärme abhängig. Die Wärmeabgabe geschieht hauptsächlich durch Leitung und Strahlung an die Umgebung; ein weiterer Theil der ge- bildeten Wärme verschwindet aber auch durch Wasserverdunstung an der Körperoberfläche, ein dritter durch die Verdunstung aus den Lun- gen und durch die Erwärmung der Athmungsluft, ein vierter endlich durch die Erwärmung der kälteren eingeführten Nahrungsmittel und Getränke. Der überwiegend grösste Theil dieser Wärmeverluste trifft die Leitung, Strahlung und Wasserverdunstung an der Körperober- fläche, die sich nicht wohl von einander trennen lassen, und die man beim Menschen zusammen auf über 77 Proc. des gesammten Wärme- verlustes schätzt.
Wenn die Bedingungen der Bildung und Ableitung der Wärme constant bleiben, so muss sehr bald auch die Temperatur constant werden. Bei diesem Zustand des Gleichgewichts ist dann nothwen- dig die in einer gewissen Zeit abgegebene Wärme gleich der in der nämlichen Zeit gebildeten. Wenn also 1,87 Wärmeeinheiten gebildet werden, so gehen auch ebenso viel durch Strahlung, Leitung an die Umgebung, Verdunstung u. s. w. verloren. Dagegen darf daraus dass die Temperatur unverändert bleibt nicht unbedingt auf eine Unverän- derlichkeit der Wärmebildung und des Wärmeverlustes geschlossen werden. Denn ist eine Steigerung der Wärmebildung mit einer ent- sprechenden Zunahme der Wärmeableitung oder eine verminderte Wärmebildung mit einer Abnahme der Wärmeableitung verknüpft, so wird trotzdem die Temperatur unverändert bleiben. In der That com- pensiren in dem Körper der warmblütigen Thiere sehr häufig die Be- dingungen der Bildung und der Ableitung der Wärme sich gegenseitig, und es wird dadurch erreicht, dass die Wärme ihrer innern Organe nur sehr wenig variirt. Bei den s. g. kaltblütigen oder wechsel- warmen Thieren dagegen findet diese Compensation nicht statt, oder sie ist wenigstens eine unzureichende, theils weil diese Thiere über- haupt weniger Wärme bilden, theils weil sie beträchtlicheren Wärme- verlusten unterworfen sind. Der geringere Wärmebildungsprocess der Kaltblüter giebt sich daran zu erkennen, dass ihre Temperatur in der Regel nur um wenige Grade diejenige ihrer Umgebung übertrifft; sie kann aber sogar unter dieselbe sinken, wenn durch bedeutende Wasser- verdunstung an der Körperoberfläche grössere Wärmeverluste statt- finden. Sehr viele der kaltblütigen Thiere leben immer oder zeitweise im Wasser, also in einem Medium, welches sehr die Wärmeableitung begünstigt und somit zur Erhaltung einer constanten Eigenwärme einen sehr intensiven Verbrennungsprocess und eine Beschaffenheit der Kör- peroberfläche erfordert, welche möglichst die Ableitung beschränkt, wie z. B. geringe Oberfläche im Verhältniss zum Körpervolum, dicke Lagen schlecht leitenden Fettes unter der Haut, Bedingungen, die
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[430/0452]
Von der Wärme.
zeitig von der Menge der gebildeten und nach aussen abgegebenen
Wärme abhängig. Die Wärmeabgabe geschieht hauptsächlich durch
Leitung und Strahlung an die Umgebung; ein weiterer Theil der ge-
bildeten Wärme verschwindet aber auch durch Wasserverdunstung an
der Körperoberfläche, ein dritter durch die Verdunstung aus den Lun-
gen und durch die Erwärmung der Athmungsluft, ein vierter endlich
durch die Erwärmung der kälteren eingeführten Nahrungsmittel und
Getränke. Der überwiegend grösste Theil dieser Wärmeverluste trifft
die Leitung, Strahlung und Wasserverdunstung an der Körperober-
fläche, die sich nicht wohl von einander trennen lassen, und die man
beim Menschen zusammen auf über 77 Proc. des gesammten Wärme-
verlustes schätzt.
Wenn die Bedingungen der Bildung und Ableitung der Wärme
constant bleiben, so muss sehr bald auch die Temperatur constant
werden. Bei diesem Zustand des Gleichgewichts ist dann nothwen-
dig die in einer gewissen Zeit abgegebene Wärme gleich der in der
nämlichen Zeit gebildeten. Wenn also 1,87 Wärmeeinheiten gebildet
werden, so gehen auch ebenso viel durch Strahlung, Leitung an die
Umgebung, Verdunstung u. s. w. verloren. Dagegen darf daraus dass
die Temperatur unverändert bleibt nicht unbedingt auf eine Unverän-
derlichkeit der Wärmebildung und des Wärmeverlustes geschlossen
werden. Denn ist eine Steigerung der Wärmebildung mit einer ent-
sprechenden Zunahme der Wärmeableitung oder eine verminderte
Wärmebildung mit einer Abnahme der Wärmeableitung verknüpft, so
wird trotzdem die Temperatur unverändert bleiben. In der That com-
pensiren in dem Körper der warmblütigen Thiere sehr häufig die Be-
dingungen der Bildung und der Ableitung der Wärme sich gegenseitig,
und es wird dadurch erreicht, dass die Wärme ihrer innern Organe
nur sehr wenig variirt. Bei den s. g. kaltblütigen oder wechsel-
warmen Thieren dagegen findet diese Compensation nicht statt, oder
sie ist wenigstens eine unzureichende, theils weil diese Thiere über-
haupt weniger Wärme bilden, theils weil sie beträchtlicheren Wärme-
verlusten unterworfen sind. Der geringere Wärmebildungsprocess der
Kaltblüter giebt sich daran zu erkennen, dass ihre Temperatur in der
Regel nur um wenige Grade diejenige ihrer Umgebung übertrifft; sie
kann aber sogar unter dieselbe sinken, wenn durch bedeutende Wasser-
verdunstung an der Körperoberfläche grössere Wärmeverluste statt-
finden. Sehr viele der kaltblütigen Thiere leben immer oder zeitweise
im Wasser, also in einem Medium, welches sehr die Wärmeableitung
begünstigt und somit zur Erhaltung einer constanten Eigenwärme einen
sehr intensiven Verbrennungsprocess und eine Beschaffenheit der Kör-
peroberfläche erfordert, welche möglichst die Ableitung beschränkt,
wie z. B. geringe Oberfläche im Verhältniss zum Körpervolum, dicke
Lagen schlecht leitenden Fettes unter der Haut, Bedingungen, die
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/452>, abgerufen am 05.12.2024.
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