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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Wärme.
Wärme latent und folglich freie Wärme dem Körper entzogen. Den-
selben Einfluss, welchen die äussere Temperatur auf die Wandungen
der Hautgefässe hat, übt sie auf die Wandungen und wahrscheinlich
auch auf die Secretionsnerven der Schweissdrüsen aus: in der Kälte
wird daher die Absonderung derselben beschränkt, in der Wärme be-
schleunigt, und der im selben Sinn geschehende Einfluss auf die Blut-
zufuhr begünstigt diese Wirkung. Abgesehen von diesen fortwährend
thätigen Compensationsvorrichtungen vermögen manche Thiere den
bedeutenderen Schwankungen der Aussenwärme in verschiedenen
Klimaten und Jahreszeiten sich durch wechselnde Behaarung und Be-
fiederung anzupassen. Dem Menschen dient zum selben Zweck seine
Kleidung. Da nach §. 278 die Wärmeabgabe proportional dem Tem-
peraturunterschied des erwärmten Körpers und seiner Umgebung zu-
nimmt, so beschränken wir in der Kälte die Strahlung und Leitung
sowohl durch die Umkleidung der auch sonst bedeckten Theile des
Körpers mit schlechteren Wärmeleitern wie durch die Bedeckung sonst
unbekleideter Körpertheile. Was nicht auf diese Weise durch Ver-
minderung der Wärmeabfuhr erreicht wird, muss durch gesteigerte
Wärmebildung, also durch vermehrte Zufuhr verbrennlicher Stoffe aus-
geglichen werden.

Die Compensationsvorrichtungen der Haut, namentlich die Gefässe, werden in
sehr lebhafte Mitleidenschaft gezogen in fieberhaften Zuständen. Im Frost- und Wärme-
stadium des Fiebers verhalten sich die Hautgefässe gerade so, als wenn sie dort unter
der Einwirkung einer plötzlichen äusseren Temperaturerniedrigung, hier einer Tem-
peraturerhöhung stünden. In der That wird bei der bedeutenden Gefässverengerung
die Haut während des Froststadiums kälter; in Folge dessen muss dann aber die
innere Wärme steigen. Die nachfolgende Fieberhitze ist theils durch die Erhöhung
der innern Temperatur in Folge gehemmter Ableitung, theils aber auch durch eine
gesteigerte Wärmebildung bedingt. Dass, wie Bärensprung gefunden hat, schon
während des Froststadiums die Temperatur in der Achselhöhle steigt, ist für eine ge-
steigerte Temperatur an der Hautoberfläche nicht beweisend, indem, wie oben bemerkt,
das Thermometer in der Achselhöhle bald die innere Temperatur des Körpers nahezu
annehmen muss. Es fällt daher auch die hierauf gestützte Behauptung des genannten
Beobachters, dass wir schon eine gesteigerte Wärmeausstrahlung als Kälte empfinden,
eine Behauptung, die überdies mit den sonstigen Erfahrungen über unsere Wärme-
empfindungen nicht im Einklang steht.



Von der Wärme.
Wärme latent und folglich freie Wärme dem Körper entzogen. Den-
selben Einfluss, welchen die äussere Temperatur auf die Wandungen
der Hautgefässe hat, übt sie auf die Wandungen und wahrscheinlich
auch auf die Secretionsnerven der Schweissdrüsen aus: in der Kälte
wird daher die Absonderung derselben beschränkt, in der Wärme be-
schleunigt, und der im selben Sinn geschehende Einfluss auf die Blut-
zufuhr begünstigt diese Wirkung. Abgesehen von diesen fortwährend
thätigen Compensationsvorrichtungen vermögen manche Thiere den
bedeutenderen Schwankungen der Aussenwärme in verschiedenen
Klimaten und Jahreszeiten sich durch wechselnde Behaarung und Be-
fiederung anzupassen. Dem Menschen dient zum selben Zweck seine
Kleidung. Da nach §. 278 die Wärmeabgabe proportional dem Tem-
peraturunterschied des erwärmten Körpers und seiner Umgebung zu-
nimmt, so beschränken wir in der Kälte die Strahlung und Leitung
sowohl durch die Umkleidung der auch sonst bedeckten Theile des
Körpers mit schlechteren Wärmeleitern wie durch die Bedeckung sonst
unbekleideter Körpertheile. Was nicht auf diese Weise durch Ver-
minderung der Wärmeabfuhr erreicht wird, muss durch gesteigerte
Wärmebildung, also durch vermehrte Zufuhr verbrennlicher Stoffe aus-
geglichen werden.

Die Compensationsvorrichtungen der Haut, namentlich die Gefässe, werden in
sehr lebhafte Mitleidenschaft gezogen in fieberhaften Zuständen. Im Frost- und Wärme-
stadium des Fiebers verhalten sich die Hautgefässe gerade so, als wenn sie dort unter
der Einwirkung einer plötzlichen äusseren Temperaturerniedrigung, hier einer Tem-
peraturerhöhung stünden. In der That wird bei der bedeutenden Gefässverengerung
die Haut während des Froststadiums kälter; in Folge dessen muss dann aber die
innere Wärme steigen. Die nachfolgende Fieberhitze ist theils durch die Erhöhung
der innern Temperatur in Folge gehemmter Ableitung, theils aber auch durch eine
gesteigerte Wärmebildung bedingt. Dass, wie Bärensprung gefunden hat, schon
während des Froststadiums die Temperatur in der Achselhöhle steigt, ist für eine ge-
steigerte Temperatur an der Hautoberfläche nicht beweisend, indem, wie oben bemerkt,
das Thermometer in der Achselhöhle bald die innere Temperatur des Körpers nahezu
annehmen muss. Es fällt daher auch die hierauf gestützte Behauptung des genannten
Beobachters, dass wir schon eine gesteigerte Wärmeausstrahlung als Kälte empfinden,
eine Behauptung, die überdies mit den sonstigen Erfahrungen über unsere Wärme-
empfindungen nicht im Einklang steht.



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[432/0454] Von der Wärme. Wärme latent und folglich freie Wärme dem Körper entzogen. Den- selben Einfluss, welchen die äussere Temperatur auf die Wandungen der Hautgefässe hat, übt sie auf die Wandungen und wahrscheinlich auch auf die Secretionsnerven der Schweissdrüsen aus: in der Kälte wird daher die Absonderung derselben beschränkt, in der Wärme be- schleunigt, und der im selben Sinn geschehende Einfluss auf die Blut- zufuhr begünstigt diese Wirkung. Abgesehen von diesen fortwährend thätigen Compensationsvorrichtungen vermögen manche Thiere den bedeutenderen Schwankungen der Aussenwärme in verschiedenen Klimaten und Jahreszeiten sich durch wechselnde Behaarung und Be- fiederung anzupassen. Dem Menschen dient zum selben Zweck seine Kleidung. Da nach §. 278 die Wärmeabgabe proportional dem Tem- peraturunterschied des erwärmten Körpers und seiner Umgebung zu- nimmt, so beschränken wir in der Kälte die Strahlung und Leitung sowohl durch die Umkleidung der auch sonst bedeckten Theile des Körpers mit schlechteren Wärmeleitern wie durch die Bedeckung sonst unbekleideter Körpertheile. Was nicht auf diese Weise durch Ver- minderung der Wärmeabfuhr erreicht wird, muss durch gesteigerte Wärmebildung, also durch vermehrte Zufuhr verbrennlicher Stoffe aus- geglichen werden. Die Compensationsvorrichtungen der Haut, namentlich die Gefässe, werden in sehr lebhafte Mitleidenschaft gezogen in fieberhaften Zuständen. Im Frost- und Wärme- stadium des Fiebers verhalten sich die Hautgefässe gerade so, als wenn sie dort unter der Einwirkung einer plötzlichen äusseren Temperaturerniedrigung, hier einer Tem- peraturerhöhung stünden. In der That wird bei der bedeutenden Gefässverengerung die Haut während des Froststadiums kälter; in Folge dessen muss dann aber die innere Wärme steigen. Die nachfolgende Fieberhitze ist theils durch die Erhöhung der innern Temperatur in Folge gehemmter Ableitung, theils aber auch durch eine gesteigerte Wärmebildung bedingt. Dass, wie Bärensprung gefunden hat, schon während des Froststadiums die Temperatur in der Achselhöhle steigt, ist für eine ge- steigerte Temperatur an der Hautoberfläche nicht beweisend, indem, wie oben bemerkt, das Thermometer in der Achselhöhle bald die innere Temperatur des Körpers nahezu annehmen muss. Es fällt daher auch die hierauf gestützte Behauptung des genannten Beobachters, dass wir schon eine gesteigerte Wärmeausstrahlung als Kälte empfinden, eine Behauptung, die überdies mit den sonstigen Erfahrungen über unsere Wärme- empfindungen nicht im Einklang steht.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/454>, abgerufen am 05.12.2024.