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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Elektricität.
innerhalb der Säule die freie Elektricität gegen die Mitte hin abnimmt und in der
Mitte selbst null wird. In Fig. 211 haben wir dies graphisch dargestellt: c bedeutet
[Abbildung] Fig. 211.
die Mitte der Kette, a und b die beiden
Pole mit den entgegengesetzten elektri-
schen Spannungen, welche durch die bei
a und b errichteten Ordinaten ausgedrückt
sind. Verbindet man nun die Pole a nnd
b vermittelst eines Schliessungsdrahtes a
n b, so werden die positive und negative
Elektricität in einander überströmen. Zu
diesem Ueberströmen bedarf es aber einer
gewissen Zeit, und zwar einer um so länge-
ren Zeit, je länger der Schliessungsdraht
ist. Nun haben wir gesehen, dass in dem
Maasse als Elektricität von a und b abfliesst,
dieselbe durch die 'elektromotorische Kraft
wieder ersetzt wird. Die Spannungen a d und b e müssen also trotz des fortwährenden
Abfliessens der Elektricität constant bleiben. Fassen wir ferner den Zustand in dem
Schliessungsdraht a n b in's Auge im Moment wo die positive und negative Elektri-
cität von den Polen a und b aus bis n vorgedrungen sind. Nach einer dem Punkt
a benachbarten Stelle a1 wird in verschwindend kurzer Zeit von der in a vorhandenen
freien Elektricität gedrungen sein, nach einem weiteren unendlich kleinen Zeittheilchen
wird von dieser nach a1 gedrungenen Elektricität nach a2 fortgeschritten sein; wäh-
rend dessen hat jedoch a1 selbst von a weitere Elektricität erhalten: es ist also in
diesem Moment in den drei Punkten a, a1, a2 freie positive Elektricität vorhanden,
aber die Menge derselben nimmt continuirlich von a bis a2 ab. Ganz ebenso verhält
es sich bei b, b1, b2 u. s. w. mit der negativen Elektricität. Sind beide Elektricitä-
ten bis n gedrungen, so müssen sie sich hier neutralisiren: in diesem Punkte wird
also die elektrische Spannung null sein, dagegen wird sie nach beiden Seiten hin,
wenn der Schliessungsdraht überall dasselbe Leitungsvermögen besitzt, proportional der
Annäherung an die Pole a und b wachsen, bis sie an diesen selbst die Höhen + a
d und -- b e erreicht. Wir sehen somit, dass in dem Moment, in welchem die bei-
den Elektricitäten auf der Mitte ihres Weges, bei n, zusammengetroffen sind, die in
jedem Punkt des Schliessungsdrahtes vorhandenen freien Elektricitäten sich ebenso
verhalten wie die freien Elektricitäten innerhalb der Kette, sie können, wenn der Punkt
c der Abscisse diesmal der Mitte des Schliessungsdrahtes entspricht, durch dieselbe
gerade Linie dargestellt werden, welche das Anwachsen der elektrischen Spannungen
innerhalb der Kette bezeichnet. Es ist aber leicht ersichtlich, dass die freien Elek-
tricitäten so wie sie sich verhalten im Moment wo sie bei n in einander zu fliessen
beginnen auch fernerhin verbleiben müssen. Denn im selben Maasse als die von n
aus nach beiden Seiten in einander fliessenden Elektricitäten sich neutralisiren, müs-
sen sie, ebenso wie die an den Polen a und b angesammelten Spannungen, durch
Nachfliessen von den näher bei den Polen gelegenen Punkten stärkerer Spannung wie-
der ersetzt werden. Von jedem einzelnen Punkt eines Stromeskreises gelangt man
somit, wenn man sich dem Pole nähert, zu einem Punkte höherer Spannung, und wenn
man sich von dem Pole entfernt, zu einem Punkte niedrigerer Spannung, ähnlich wie
in einem Wasserstrom, der auf einer schiefen Ebene herabfliesst, jeder Punkt zwischen
einem höher und einem tiefer gelegenen in der Mitte liegt. Das Strömen der Elek-
tricität besteht in dem continuirlichen Uebergang der freien Elektricität von Punkten

Von der Elektricität.
innerhalb der Säule die freie Elektricität gegen die Mitte hin abnimmt und in der
Mitte selbst null wird. In Fig. 211 haben wir dies graphisch dargestellt: c bedeutet
[Abbildung] Fig. 211.
die Mitte der Kette, a und b die beiden
Pole mit den entgegengesetzten elektri-
schen Spannungen, welche durch die bei
a und b errichteten Ordinaten ausgedrückt
sind. Verbindet man nun die Pole a nnd
b vermittelst eines Schliessungsdrahtes a
n b, so werden die positive und negative
Elektricität in einander überströmen. Zu
diesem Ueberströmen bedarf es aber einer
gewissen Zeit, und zwar einer um so länge-
ren Zeit, je länger der Schliessungsdraht
ist. Nun haben wir gesehen, dass in dem
Maasse als Elektricität von a und b abfliesst,
dieselbe durch die ‘elektromotorische Kraft
wieder ersetzt wird. Die Spannungen a d und b e müssen also trotz des fortwährenden
Abfliessens der Elektricität constant bleiben. Fassen wir ferner den Zustand in dem
Schliessungsdraht a n b in’s Auge im Moment wo die positive und negative Elektri-
cität von den Polen a und b aus bis n vorgedrungen sind. Nach einer dem Punkt
a benachbarten Stelle a1 wird in verschwindend kurzer Zeit von der in a vorhandenen
freien Elektricität gedrungen sein, nach einem weiteren unendlich kleinen Zeittheilchen
wird von dieser nach a1 gedrungenen Elektricität nach a2 fortgeschritten sein; wäh-
rend dessen hat jedoch a1 selbst von a weitere Elektricität erhalten: es ist also in
diesem Moment in den drei Punkten a, a1, a2 freie positive Elektricität vorhanden,
aber die Menge derselben nimmt continuirlich von a bis a2 ab. Ganz ebenso verhält
es sich bei b, b1, b2 u. s. w. mit der negativen Elektricität. Sind beide Elektricitä-
ten bis n gedrungen, so müssen sie sich hier neutralisiren: in diesem Punkte wird
also die elektrische Spannung null sein, dagegen wird sie nach beiden Seiten hin,
wenn der Schliessungsdraht überall dasselbe Leitungsvermögen besitzt, proportional der
Annäherung an die Pole a und b wachsen, bis sie an diesen selbst die Höhen + a
d und — b e erreicht. Wir sehen somit, dass in dem Moment, in welchem die bei-
den Elektricitäten auf der Mitte ihres Weges, bei n, zusammengetroffen sind, die in
jedem Punkt des Schliessungsdrahtes vorhandenen freien Elektricitäten sich ebenso
verhalten wie die freien Elektricitäten innerhalb der Kette, sie können, wenn der Punkt
c der Abscisse diesmal der Mitte des Schliessungsdrahtes entspricht, durch dieselbe
gerade Linie dargestellt werden, welche das Anwachsen der elektrischen Spannungen
innerhalb der Kette bezeichnet. Es ist aber leicht ersichtlich, dass die freien Elek-
tricitäten so wie sie sich verhalten im Moment wo sie bei n in einander zu fliessen
beginnen auch fernerhin verbleiben müssen. Denn im selben Maasse als die von n
aus nach beiden Seiten in einander fliessenden Elektricitäten sich neutralisiren, müs-
sen sie, ebenso wie die an den Polen a und b angesammelten Spannungen, durch
Nachfliessen von den näher bei den Polen gelegenen Punkten stärkerer Spannung wie-
der ersetzt werden. Von jedem einzelnen Punkt eines Stromeskreises gelangt man
somit, wenn man sich dem Pole nähert, zu einem Punkte höherer Spannung, und wenn
man sich von dem Pole entfernt, zu einem Punkte niedrigerer Spannung, ähnlich wie
in einem Wasserstrom, der auf einer schiefen Ebene herabfliesst, jeder Punkt zwischen
einem höher und einem tiefer gelegenen in der Mitte liegt. Das Strömen der Elek-
tricität besteht in dem continuirlichen Uebergang der freien Elektricität von Punkten

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[468/0490] Von der Elektricität. innerhalb der Säule die freie Elektricität gegen die Mitte hin abnimmt und in der Mitte selbst null wird. In Fig. 211 haben wir dies graphisch dargestellt: c bedeutet [Abbildung Fig. 211.] die Mitte der Kette, a und b die beiden Pole mit den entgegengesetzten elektri- schen Spannungen, welche durch die bei a und b errichteten Ordinaten ausgedrückt sind. Verbindet man nun die Pole a nnd b vermittelst eines Schliessungsdrahtes a n b, so werden die positive und negative Elektricität in einander überströmen. Zu diesem Ueberströmen bedarf es aber einer gewissen Zeit, und zwar einer um so länge- ren Zeit, je länger der Schliessungsdraht ist. Nun haben wir gesehen, dass in dem Maasse als Elektricität von a und b abfliesst, dieselbe durch die ‘elektromotorische Kraft wieder ersetzt wird. Die Spannungen a d und b e müssen also trotz des fortwährenden Abfliessens der Elektricität constant bleiben. Fassen wir ferner den Zustand in dem Schliessungsdraht a n b in’s Auge im Moment wo die positive und negative Elektri- cität von den Polen a und b aus bis n vorgedrungen sind. Nach einer dem Punkt a benachbarten Stelle a1 wird in verschwindend kurzer Zeit von der in a vorhandenen freien Elektricität gedrungen sein, nach einem weiteren unendlich kleinen Zeittheilchen wird von dieser nach a1 gedrungenen Elektricität nach a2 fortgeschritten sein; wäh- rend dessen hat jedoch a1 selbst von a weitere Elektricität erhalten: es ist also in diesem Moment in den drei Punkten a, a1, a2 freie positive Elektricität vorhanden, aber die Menge derselben nimmt continuirlich von a bis a2 ab. Ganz ebenso verhält es sich bei b, b1, b2 u. s. w. mit der negativen Elektricität. Sind beide Elektricitä- ten bis n gedrungen, so müssen sie sich hier neutralisiren: in diesem Punkte wird also die elektrische Spannung null sein, dagegen wird sie nach beiden Seiten hin, wenn der Schliessungsdraht überall dasselbe Leitungsvermögen besitzt, proportional der Annäherung an die Pole a und b wachsen, bis sie an diesen selbst die Höhen + a d und — b e erreicht. Wir sehen somit, dass in dem Moment, in welchem die bei- den Elektricitäten auf der Mitte ihres Weges, bei n, zusammengetroffen sind, die in jedem Punkt des Schliessungsdrahtes vorhandenen freien Elektricitäten sich ebenso verhalten wie die freien Elektricitäten innerhalb der Kette, sie können, wenn der Punkt c der Abscisse diesmal der Mitte des Schliessungsdrahtes entspricht, durch dieselbe gerade Linie dargestellt werden, welche das Anwachsen der elektrischen Spannungen innerhalb der Kette bezeichnet. Es ist aber leicht ersichtlich, dass die freien Elek- tricitäten so wie sie sich verhalten im Moment wo sie bei n in einander zu fliessen beginnen auch fernerhin verbleiben müssen. Denn im selben Maasse als die von n aus nach beiden Seiten in einander fliessenden Elektricitäten sich neutralisiren, müs- sen sie, ebenso wie die an den Polen a und b angesammelten Spannungen, durch Nachfliessen von den näher bei den Polen gelegenen Punkten stärkerer Spannung wie- der ersetzt werden. Von jedem einzelnen Punkt eines Stromeskreises gelangt man somit, wenn man sich dem Pole nähert, zu einem Punkte höherer Spannung, und wenn man sich von dem Pole entfernt, zu einem Punkte niedrigerer Spannung, ähnlich wie in einem Wasserstrom, der auf einer schiefen Ebene herabfliesst, jeder Punkt zwischen einem höher und einem tiefer gelegenen in der Mitte liegt. Das Strömen der Elek- tricität besteht in dem continuirlichen Uebergang der freien Elektricität von Punkten

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/490>, abgerufen am 05.12.2024.