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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Bewegung der Elektricität.
langen, so muss man daher die Leitungsfähigkeit der Hautstellen, an
welche die Elektroden angelegt werden, durch Befeuchten vergrössern.
Dies geschieht, indem man die metallischen Enden der Elektroden mit
feuchtem Leder oder mit feuchtem Schwamm überzieht. Durch das
Anpressen dieser feuchten Belegungen an die Haut wird das Leitungs-
vermögen der letzteren demjenigen der darunter liegenden feuchten
Gewebe ungefähr gleich. Es verlaufen dann von der einen Elektrode
zur andern Stromeszweige, die sich um so weiter ausbreiten, je brei-
ter die Endflächen der Elektroden, und je weiter dieselben von ein-
ander entfernt sind. Will man daher Muskeln direct erregen, so wählt
man ziemlich breite, feuchte Elektroden, die in grösserer Entfernung
von einander, am obern und untern Ende des Muskelbrauchs, auf die
Haut aufgesetzt werden. Will man dagegen einen einzelnen Nerven-
stamm reizen, so nimmt man zweckmässiger schmale, ebenfalls feuchte
Elektroden, die man in kleiner Entfernung von einander, da wo der be-
treffende Nerv der Oberfläche nahe liegt, anbringt.

Den Unterschied in der Wirkung metallischer und feuchter Elektroden hat rein
empirisch Duchenne ermittelt; die Erklärung dieser Beobachtungen hat zuerst
A. Fick geliefert. Duchenne kannte nur Muskel- und Hautnervenreizung. Auf
das geeignete Verfahren zur Reizung der oberflächlicher liegenden Muskelnervenstämme
hat Remak aufmerksam gemacht, und von Ziemssen sind dann die einzelnen zur
Reizung bestimmter Nerven geeigneten Punkte der Körperoberfläche genauer bezeich-
net worden. Vgl. Ziemssen, die Elektricität in der Medicin, 3. Aufl. Berlin 1866.

Nach dem Ohm'schen Gesetz kann man Ströme von wechseln-318
Anwendung
der Stromver-
zweigung zur
Abstufung der
Stromstärke.
Rheochord.

der Intensität erhalten, sowohl indem man die elektromotorische Kraft,
als indem man den Widerstand variirt. In der Regel wählt man, um
die Stärke eines Stroms nach Belieben verändern zu können, variable
Widerstände. So kann man durch Einschaltung von Rollen über-
sponnenen Drahts oder von Flüssigkeitssäulen den Widerstand
mehr oder minder erheblich vergrössern. Doch ist die Einschaltung
von Flüssigkeiten wegen der in §. 327 zu schildernden Polarisations-
erscheinungen überall da unbrauchbar, wo es sich darum handelt, die
Ströme möglichst constant zu erhalten, und von Metalldrähten bedarf
man sehr bedeutender Längen, wenn sie gegen den wesentlichen Wi-
derstand der Kette irgend in Betracht kommen sollen. Man bedient
sich daher zur Abstufung der Ströme zweckmässig der Stromverzwei-
gung, vermittelst deren sich nach den in §. 315 entwickelten Princi-
pien jede beliebige Stromstärke von null an bis zu der in der ange-
wandten Kette gegebenen herstellen lässt. Der hierzu gewöhnlich be-
nutzte Apparat ist der Rheochord (Fig. 218). Derselbe besteht aus
zwei Platindrähten a und b, die über einem Brett ausgespannt und an
ihren vordern Enden mit von einander isolirten Messingklemmen in
Verbindung gesetzt sind. In den letzteren sind zugleich die Enden

Bewegung der Elektricität.
langen, so muss man daher die Leitungsfähigkeit der Hautstellen, an
welche die Elektroden angelegt werden, durch Befeuchten vergrössern.
Dies geschieht, indem man die metallischen Enden der Elektroden mit
feuchtem Leder oder mit feuchtem Schwamm überzieht. Durch das
Anpressen dieser feuchten Belegungen an die Haut wird das Leitungs-
vermögen der letzteren demjenigen der darunter liegenden feuchten
Gewebe ungefähr gleich. Es verlaufen dann von der einen Elektrode
zur andern Stromeszweige, die sich um so weiter ausbreiten, je brei-
ter die Endflächen der Elektroden, und je weiter dieselben von ein-
ander entfernt sind. Will man daher Muskeln direct erregen, so wählt
man ziemlich breite, feuchte Elektroden, die in grösserer Entfernung
von einander, am obern und untern Ende des Muskelbrauchs, auf die
Haut aufgesetzt werden. Will man dagegen einen einzelnen Nerven-
stamm reizen, so nimmt man zweckmässiger schmale, ebenfalls feuchte
Elektroden, die man in kleiner Entfernung von einander, da wo der be-
treffende Nerv der Oberfläche nahe liegt, anbringt.

Den Unterschied in der Wirkung metallischer und feuchter Elektroden hat rein
empirisch Duchenne ermittelt; die Erklärung dieser Beobachtungen hat zuerst
A. Fick geliefert. Duchenne kannte nur Muskel- und Hautnervenreizung. Auf
das geeignete Verfahren zur Reizung der oberflächlicher liegenden Muskelnervenstämme
hat Remak aufmerksam gemacht, und von Ziemssen sind dann die einzelnen zur
Reizung bestimmter Nerven geeigneten Punkte der Körperoberfläche genauer bezeich-
net worden. Vgl. Ziemssen, die Elektricität in der Medicin, 3. Aufl. Berlin 1866.

Nach dem Ohm’schen Gesetz kann man Ströme von wechseln-318
Anwendung
der Stromver-
zweigung zur
Abstufung der
Stromstärke.
Rheochord.

der Intensität erhalten, sowohl indem man die elektromotorische Kraft,
als indem man den Widerstand variirt. In der Regel wählt man, um
die Stärke eines Stroms nach Belieben verändern zu können, variable
Widerstände. So kann man durch Einschaltung von Rollen über-
sponnenen Drahts oder von Flüssigkeitssäulen den Widerstand
mehr oder minder erheblich vergrössern. Doch ist die Einschaltung
von Flüssigkeiten wegen der in §. 327 zu schildernden Polarisations-
erscheinungen überall da unbrauchbar, wo es sich darum handelt, die
Ströme möglichst constant zu erhalten, und von Metalldrähten bedarf
man sehr bedeutender Längen, wenn sie gegen den wesentlichen Wi-
derstand der Kette irgend in Betracht kommen sollen. Man bedient
sich daher zur Abstufung der Ströme zweckmässig der Stromverzwei-
gung, vermittelst deren sich nach den in §. 315 entwickelten Princi-
pien jede beliebige Stromstärke von null an bis zu der in der ange-
wandten Kette gegebenen herstellen lässt. Der hierzu gewöhnlich be-
nutzte Apparat ist der Rheochord (Fig. 218). Derselbe besteht aus
zwei Platindrähten a und b, die über einem Brett ausgespannt und an
ihren vordern Enden mit von einander isolirten Messingklemmen in
Verbindung gesetzt sind. In den letzteren sind zugleich die Enden

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[477/0499] Bewegung der Elektricität. langen, so muss man daher die Leitungsfähigkeit der Hautstellen, an welche die Elektroden angelegt werden, durch Befeuchten vergrössern. Dies geschieht, indem man die metallischen Enden der Elektroden mit feuchtem Leder oder mit feuchtem Schwamm überzieht. Durch das Anpressen dieser feuchten Belegungen an die Haut wird das Leitungs- vermögen der letzteren demjenigen der darunter liegenden feuchten Gewebe ungefähr gleich. Es verlaufen dann von der einen Elektrode zur andern Stromeszweige, die sich um so weiter ausbreiten, je brei- ter die Endflächen der Elektroden, und je weiter dieselben von ein- ander entfernt sind. Will man daher Muskeln direct erregen, so wählt man ziemlich breite, feuchte Elektroden, die in grösserer Entfernung von einander, am obern und untern Ende des Muskelbrauchs, auf die Haut aufgesetzt werden. Will man dagegen einen einzelnen Nerven- stamm reizen, so nimmt man zweckmässiger schmale, ebenfalls feuchte Elektroden, die man in kleiner Entfernung von einander, da wo der be- treffende Nerv der Oberfläche nahe liegt, anbringt. Den Unterschied in der Wirkung metallischer und feuchter Elektroden hat rein empirisch Duchenne ermittelt; die Erklärung dieser Beobachtungen hat zuerst A. Fick geliefert. Duchenne kannte nur Muskel- und Hautnervenreizung. Auf das geeignete Verfahren zur Reizung der oberflächlicher liegenden Muskelnervenstämme hat Remak aufmerksam gemacht, und von Ziemssen sind dann die einzelnen zur Reizung bestimmter Nerven geeigneten Punkte der Körperoberfläche genauer bezeich- net worden. Vgl. Ziemssen, die Elektricität in der Medicin, 3. Aufl. Berlin 1866. Nach dem Ohm’schen Gesetz kann man Ströme von wechseln- der Intensität erhalten, sowohl indem man die elektromotorische Kraft, als indem man den Widerstand variirt. In der Regel wählt man, um die Stärke eines Stroms nach Belieben verändern zu können, variable Widerstände. So kann man durch Einschaltung von Rollen über- sponnenen Drahts oder von Flüssigkeitssäulen den Widerstand mehr oder minder erheblich vergrössern. Doch ist die Einschaltung von Flüssigkeiten wegen der in §. 327 zu schildernden Polarisations- erscheinungen überall da unbrauchbar, wo es sich darum handelt, die Ströme möglichst constant zu erhalten, und von Metalldrähten bedarf man sehr bedeutender Längen, wenn sie gegen den wesentlichen Wi- derstand der Kette irgend in Betracht kommen sollen. Man bedient sich daher zur Abstufung der Ströme zweckmässig der Stromverzwei- gung, vermittelst deren sich nach den in §. 315 entwickelten Princi- pien jede beliebige Stromstärke von null an bis zu der in der ange- wandten Kette gegebenen herstellen lässt. Der hierzu gewöhnlich be- nutzte Apparat ist der Rheochord (Fig. 218). Derselbe besteht aus zwei Platindrähten a und b, die über einem Brett ausgespannt und an ihren vordern Enden mit von einander isolirten Messingklemmen in Verbindung gesetzt sind. In den letzteren sind zugleich die Enden 318 Anwendung der Stromver- zweigung zur Abstufung der Stromstärke. Rheochord.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/499>, abgerufen am 17.06.2024.