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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von den Naturerscheinungen und Naturgesetzen im Allgemeinen.
[Abbildung] Fig. 20.
a und b befestigte schwingende Saite
(Fig. 20). Wenn wir die Saite in ihrer
Mitte anziehen, so ertheilen wir ihr die
Form eines einzigen grossen Wellenbergs
a c b, der, indem er nach beiden Seiten
hin sich fortzupflanzen strebt, fortwährend
sowohl bei a als bei b reflectirt wird, wodurch die Schwingungen
längere Zeit andauern. Noch klarer stellt sich der Einfluss der Re-
flexion heraus, wenn wir Schwingungen hervorrufen, welche aus meh-
reren hinter einander liegenden Bergen und Thälern bestehen. Er-
zeugt man z. B. eine von a nach e fortschreitende Welle a e (Fig. 21),
[Abbildung] Fig. 21.
so wird diese Welle, wenn sie bei e angelangt ist, reflectirt, läuft
nach a zurück, wird hier wieder reflectirt u. s. f. Die schwach fort-
dauernden Schwingungen eines jeden Bruchtheils a b der Saite wer-
den durch diese fortwährend bei a und e geschehenden Reflexionen
verstärkt. Die Saite geräth daher in continuirliche Schwingungen, bei
denen sie zwischen der durch die ausgezogene und der durch die
punktirte Curve angedeuteten Form wechselt. Die ganze Saite ver-
hält sich also wie eine Menge kleiner neben einander liegender Sai-
ten a b, b c ...., von denen jede für sich in Schwingungen begriffen
ist, während die zwischenliegenden Punkte b, c .... fortwährend in
Ruhe bleiben. Schwingungen wie die hier geschilderten bezeichnet
man als stehende Schwingungen. Die nicht mitschwingenden
Punkte b, c .... nennt man Schwingungsknoten.

An Saiten kann man stehende Schwingungen von einer Wellen-
länge, die zu der Länge der Saite in irgend einem einfachen Zahlen-
verhältnisse steht, leicht erregen, indem man z. B. die Stelle a b einer
Seite a e in Schwingungen versetzt und den Punkt b durch Berüh-
rung am Mitschwingen hindert: es pflanzt sich dann der Wellenberg
ab über die ganze Saite fort und bringt dieselbe in stehende Schwin-
gungen von entsprechender Wellenlänge. In ähnlicher Weise können
elastische Platten und Membranen in stehende Schwingungen gerathen:
dieselben theilen sich hierbei in einzelne Flächenstücke, die durch
ruhende Linien, Knotenlinien, getrennt sind. Ebenso können Luft-
säulen, die in Röhren eingeschlossen sind, stehende Schwingungen
ausführen. Wir werden Beispiele dieser verschiedenen Formen ste-
hender Schwingungen bei der Lehre vom Schall näher kennen lernen.
Die Knotenpunkte schwingender Saiten lassen sich leicht ermitteln,
indem man an verschiedenen Stellen leichte Körperchen, z. B. Holz-
splitterchen, Papierstücke, auf die Saite legt. Wenn die Saite in

Von den Naturerscheinungen und Naturgesetzen im Allgemeinen.
[Abbildung] Fig. 20.
a und b befestigte schwingende Saite
(Fig. 20). Wenn wir die Saite in ihrer
Mitte anziehen, so ertheilen wir ihr die
Form eines einzigen grossen Wellenbergs
a c b, der, indem er nach beiden Seiten
hin sich fortzupflanzen strebt, fortwährend
sowohl bei a als bei b reflectirt wird, wodurch die Schwingungen
längere Zeit andauern. Noch klarer stellt sich der Einfluss der Re-
flexion heraus, wenn wir Schwingungen hervorrufen, welche aus meh-
reren hinter einander liegenden Bergen und Thälern bestehen. Er-
zeugt man z. B. eine von a nach e fortschreitende Welle a e (Fig. 21),
[Abbildung] Fig. 21.
so wird diese Welle, wenn sie bei e angelangt ist, reflectirt, läuft
nach a zurück, wird hier wieder reflectirt u. s. f. Die schwach fort-
dauernden Schwingungen eines jeden Bruchtheils a b der Saite wer-
den durch diese fortwährend bei a und e geschehenden Reflexionen
verstärkt. Die Saite geräth daher in continuirliche Schwingungen, bei
denen sie zwischen der durch die ausgezogene und der durch die
punktirte Curve angedeuteten Form wechselt. Die ganze Saite ver-
hält sich also wie eine Menge kleiner neben einander liegender Sai-
ten a b, b c ...., von denen jede für sich in Schwingungen begriffen
ist, während die zwischenliegenden Punkte b, c .... fortwährend in
Ruhe bleiben. Schwingungen wie die hier geschilderten bezeichnet
man als stehende Schwingungen. Die nicht mitschwingenden
Punkte b, c .... nennt man Schwingungsknoten.

An Saiten kann man stehende Schwingungen von einer Wellen-
länge, die zu der Länge der Saite in irgend einem einfachen Zahlen-
verhältnisse steht, leicht erregen, indem man z. B. die Stelle a b einer
Seite a e in Schwingungen versetzt und den Punkt b durch Berüh-
rung am Mitschwingen hindert: es pflanzt sich dann der Wellenberg
ab über die ganze Saite fort und bringt dieselbe in stehende Schwin-
gungen von entsprechender Wellenlänge. In ähnlicher Weise können
elastische Platten und Membranen in stehende Schwingungen gerathen:
dieselben theilen sich hierbei in einzelne Flächenstücke, die durch
ruhende Linien, Knotenlinien, getrennt sind. Ebenso können Luft-
säulen, die in Röhren eingeschlossen sind, stehende Schwingungen
ausführen. Wir werden Beispiele dieser verschiedenen Formen ste-
hender Schwingungen bei der Lehre vom Schall näher kennen lernen.
Die Knotenpunkte schwingender Saiten lassen sich leicht ermitteln,
indem man an verschiedenen Stellen leichte Körperchen, z. B. Holz-
splitterchen, Papierstücke, auf die Saite legt. Wenn die Saite in

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[54/0076] Von den Naturerscheinungen und Naturgesetzen im Allgemeinen. [Abbildung Fig. 20.] a und b befestigte schwingende Saite (Fig. 20). Wenn wir die Saite in ihrer Mitte anziehen, so ertheilen wir ihr die Form eines einzigen grossen Wellenbergs a c b, der, indem er nach beiden Seiten hin sich fortzupflanzen strebt, fortwährend sowohl bei a als bei b reflectirt wird, wodurch die Schwingungen längere Zeit andauern. Noch klarer stellt sich der Einfluss der Re- flexion heraus, wenn wir Schwingungen hervorrufen, welche aus meh- reren hinter einander liegenden Bergen und Thälern bestehen. Er- zeugt man z. B. eine von a nach e fortschreitende Welle a e (Fig. 21), [Abbildung Fig. 21.] so wird diese Welle, wenn sie bei e angelangt ist, reflectirt, läuft nach a zurück, wird hier wieder reflectirt u. s. f. Die schwach fort- dauernden Schwingungen eines jeden Bruchtheils a b der Saite wer- den durch diese fortwährend bei a und e geschehenden Reflexionen verstärkt. Die Saite geräth daher in continuirliche Schwingungen, bei denen sie zwischen der durch die ausgezogene und der durch die punktirte Curve angedeuteten Form wechselt. Die ganze Saite ver- hält sich also wie eine Menge kleiner neben einander liegender Sai- ten a b, b c ...., von denen jede für sich in Schwingungen begriffen ist, während die zwischenliegenden Punkte b, c .... fortwährend in Ruhe bleiben. Schwingungen wie die hier geschilderten bezeichnet man als stehende Schwingungen. Die nicht mitschwingenden Punkte b, c .... nennt man Schwingungsknoten. An Saiten kann man stehende Schwingungen von einer Wellen- länge, die zu der Länge der Saite in irgend einem einfachen Zahlen- verhältnisse steht, leicht erregen, indem man z. B. die Stelle a b einer Seite a e in Schwingungen versetzt und den Punkt b durch Berüh- rung am Mitschwingen hindert: es pflanzt sich dann der Wellenberg ab über die ganze Saite fort und bringt dieselbe in stehende Schwin- gungen von entsprechender Wellenlänge. In ähnlicher Weise können elastische Platten und Membranen in stehende Schwingungen gerathen: dieselben theilen sich hierbei in einzelne Flächenstücke, die durch ruhende Linien, Knotenlinien, getrennt sind. Ebenso können Luft- säulen, die in Röhren eingeschlossen sind, stehende Schwingungen ausführen. Wir werden Beispiele dieser verschiedenen Formen ste- hender Schwingungen bei der Lehre vom Schall näher kennen lernen. Die Knotenpunkte schwingender Saiten lassen sich leicht ermitteln, indem man an verschiedenen Stellen leichte Körperchen, z. B. Holz- splitterchen, Papierstücke, auf die Saite legt. Wenn die Saite in

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/76>, abgerufen am 29.11.2024.