Und um sie her steht List, und falsche Zärtlichkeit. Auf einem stolzen Thron, von Sammt und Gold be- schweret. Sitzt die Galanterie, die man hier bückend ehret. Zu ihren Füßen schwingt, der kleine Gott Roman, Den sieggewohnten Pfeil. Jhn hat der Alten Wahn Den Liebesgott genannt; mit seinen schwachen Händen Verwirret dieses Kind das Glück von allen Ständen. Die Wollust schildert er unschuldig, sanft, und hold, Und manchen Crebillon hat er in seinem Sold; Er hat manch Herz verderbt, und manchen Kopf ver- wirret, Daß er im Labyrinth der Liebe sich verirret.
Der Schutzgeist Leipzigs war dem Thron der Göttin nah. Als sie ihn noch von fern mit trübem Antlitz sah, So rufte sie ihm zu: Was quälen dich für Sorgen, Getreuester Lindan? Hast du an diesem Morgen
Dein
Vierter Geſang.
Und um ſie her ſteht Liſt, und falſche Zaͤrtlichkeit. Auf einem ſtolzen Thron, von Sammt und Gold be- ſchweret. Sitzt die Galanterie, die man hier buͤckend ehret. Zu ihren Fuͤßen ſchwingt, der kleine Gott Roman, Den ſieggewohnten Pfeil. Jhn hat der Alten Wahn Den Liebesgott genannt; mit ſeinen ſchwachen Haͤnden Verwirret dieſes Kind das Gluͤck von allen Staͤnden. Die Wolluſt ſchildert er unſchuldig, ſanft, und hold, Und manchen Crebillon hat er in ſeinem Sold; Er hat manch Herz verderbt, und manchen Kopf ver- wirret, Daß er im Labyrinth der Liebe ſich verirret.
Der Schutzgeiſt Leipzigs war dem Thron der Goͤttin nah. Als ſie ihn noch von fern mit truͤbem Antlitz ſah, So rufte ſie ihm zu: Was quaͤlen dich fuͤr Sorgen, Getreueſter Lindan? Haſt du an dieſem Morgen
Dein
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Vierter Geſang.
Und um ſie her ſteht Liſt, und falſche Zaͤrtlichkeit.
Auf einem ſtolzen Thron, von Sammt und Gold be-
ſchweret.
Sitzt die Galanterie, die man hier buͤckend ehret.
Zu ihren Fuͤßen ſchwingt, der kleine Gott Roman,
Den ſieggewohnten Pfeil. Jhn hat der Alten Wahn
Den Liebesgott genannt; mit ſeinen ſchwachen Haͤnden
Verwirret dieſes Kind das Gluͤck von allen Staͤnden.
Die Wolluſt ſchildert er unſchuldig, ſanft, und hold,
Und manchen Crebillon hat er in ſeinem Sold;
Er hat manch Herz verderbt, und manchen Kopf ver-
wirret,
Daß er im Labyrinth der Liebe ſich verirret.
Der Schutzgeiſt Leipzigs war dem Thron der
Goͤttin nah.
Als ſie ihn noch von fern mit truͤbem Antlitz ſah,
So rufte ſie ihm zu: Was quaͤlen dich fuͤr Sorgen,
Getreueſter Lindan? Haſt du an dieſem Morgen
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/157>, abgerufen am 21.11.2024.
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