Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch.

Den angenehmen Mund, um den ihr Klaglied fleht.
Doch, West, gehorchst du nicht; so will ich grausam
handeln.

Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan-
deln;

Und seh ich, daß dich wird ein schönes Haar erfreun,
So soll dein wilder Hauch es alsobald zerstreun;
Du sollst zur Winterzeit um rothe Nasen brausen,
Und um den langen Pelz der alten Weiber sausen.

So sprach der Geist, und schwieg; und seine
Hand ließ ihn

Mit säuselndem Geräusch frey in die Lüfte fliehn.
Der Stutzer wundert sich, daß ihm die Flucht gelinget,
Und merkt nicht, daß er sich durch leere Lüfte schwin-
get.

Doch wie erschrack er nicht, sobald er um sich sah!
Er sah sich in der Luft; sein Kleid war nicht mehr da,
Er sah sich selber kaum; und wenn er sich bewegte,
Bemerkt er, daß das Gras nur sanft die Spitzen regte.
Ach

Zweytes Buch.

Den angenehmen Mund, um den ihr Klaglied fleht.
Doch, Weſt, gehorchſt du nicht; ſo will ich grauſam
handeln.

Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan-
deln;

Und ſeh ich, daß dich wird ein ſchoͤnes Haar erfreun,
So ſoll dein wilder Hauch es alſobald zerſtreun;
Du ſollſt zur Winterzeit um rothe Naſen brauſen,
Und um den langen Pelz der alten Weiber ſauſen.

So ſprach der Geiſt, und ſchwieg; und ſeine
Hand ließ ihn

Mit ſaͤuſelndem Geraͤuſch frey in die Luͤfte fliehn.
Der Stutzer wundert ſich, daß ihm die Flucht gelinget,
Und merkt nicht, daß er ſich durch leere Luͤfte ſchwin-
get.

Doch wie erſchrack er nicht, ſobald er um ſich ſah!
Er ſah ſich in der Luft; ſein Kleid war nicht mehr da,
Er ſah ſich ſelber kaum; und wenn er ſich bewegte,
Bemerkt er, daß das Gras nur ſanft die Spitzen regte.
Ach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <l>
            <pb facs="#f0271" n="207"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Den angenehmen Mund, um den ihr Klaglied fleht.</l><lb/>
          <l>Doch, We&#x017F;t, gehorch&#x017F;t du nicht; &#x017F;o will ich grau&#x017F;am<lb/><hi rendition="#et">handeln.</hi></l><lb/>
          <l>Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan-<lb/><hi rendition="#et">deln;</hi></l><lb/>
          <l>Und &#x017F;eh ich, daß dich wird ein &#x017F;cho&#x0364;nes Haar erfreun,</l><lb/>
          <l>So &#x017F;oll dein wilder Hauch es al&#x017F;obald zer&#x017F;treun;</l><lb/>
          <l>Du &#x017F;oll&#x017F;t zur Winterzeit um rothe Na&#x017F;en brau&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Und um den langen Pelz der alten Weiber &#x017F;au&#x017F;en.</l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>So &#x017F;prach der Gei&#x017F;t, und &#x017F;chwieg; und &#x017F;eine<lb/><hi rendition="#et">Hand ließ ihn</hi></l><lb/>
          <l>Mit &#x017F;a&#x0364;u&#x017F;elndem Gera&#x0364;u&#x017F;ch frey in die Lu&#x0364;fte fliehn.</l><lb/>
          <l>Der Stutzer wundert &#x017F;ich, daß ihm die Flucht gelinget,</l><lb/>
          <l>Und merkt nicht, daß er &#x017F;ich durch leere Lu&#x0364;fte &#x017F;chwin-<lb/><hi rendition="#et">get.</hi></l><lb/>
          <l>Doch wie er&#x017F;chrack er nicht, &#x017F;obald er um &#x017F;ich &#x017F;ah!</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;ah &#x017F;ich in der Luft; &#x017F;ein Kleid war nicht mehr da,</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;ah &#x017F;ich &#x017F;elber kaum; und wenn er &#x017F;ich bewegte,</l><lb/>
          <l>Bemerkt er, daß das Gras nur &#x017F;anft die Spitzen regte.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ach</fw><lb/></l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0271] Zweytes Buch. Den angenehmen Mund, um den ihr Klaglied fleht. Doch, Weſt, gehorchſt du nicht; ſo will ich grauſam handeln. Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan- deln; Und ſeh ich, daß dich wird ein ſchoͤnes Haar erfreun, So ſoll dein wilder Hauch es alſobald zerſtreun; Du ſollſt zur Winterzeit um rothe Naſen brauſen, Und um den langen Pelz der alten Weiber ſauſen. So ſprach der Geiſt, und ſchwieg; und ſeine Hand ließ ihn Mit ſaͤuſelndem Geraͤuſch frey in die Luͤfte fliehn. Der Stutzer wundert ſich, daß ihm die Flucht gelinget, Und merkt nicht, daß er ſich durch leere Luͤfte ſchwin- get. Doch wie erſchrack er nicht, ſobald er um ſich ſah! Er ſah ſich in der Luft; ſein Kleid war nicht mehr da, Er ſah ſich ſelber kaum; und wenn er ſich bewegte, Bemerkt er, daß das Gras nur ſanft die Spitzen regte. Ach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/271
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/271>, abgerufen am 24.11.2024.