Hannchen folget ihm nach, führt ihn aus Fenster, und sagte: Welch ein verwegner Entschluß! Die Gräfin ist nicht zu bewegen, Sie beharret voll Eigensinn drauf, sich selber zu fahren, Und ich soll sie begleiten! Ach bitte, theurer Geliebter, Daß kein Unglück uns trift; mein Herz weißaget mir Böses. Da ergossen sich Ströme von Thränen, und Seufzer erschollen Jn den hallenden Saal, und Küsse rauschten zum Ab- schied. Wie einander umarmend, bey einem schleunigen Mar- sche An den Ecken der Straßen die Krieger und Mägde sich letzen, Ewige Treue sich schwören, und harte Fäuste sich drücken: Also suchten sich auch die beyden Verliebten zu trösten. Doch die silberne Schelle der Gräfin erklinget; die Zofe Trocknet die Augen sich ab, und legt die Lippen in Fal- ten. Schon hat ihr plumper Amant sie aus dem Gesichte verlohren Und geht hin, und vergißt sie darauf bey der dampfen- den Pfeife.
Der Phaeton. Zweyter Geſang.
Hannchen folget ihm nach, fuͤhrt ihn aus Fenſter, und ſagte: Welch ein verwegner Entſchluß! Die Graͤfin iſt nicht zu bewegen, Sie beharret voll Eigenſinn drauf, ſich ſelber zu fahren, Und ich ſoll ſie begleiten! Ach bitte, theurer Geliebter, Daß kein Ungluͤck uns trift; mein Herz weißaget mir Boͤſes. Da ergoſſen ſich Stroͤme von Thraͤnen, und Seufzer erſchollen Jn den hallenden Saal, und Kuͤſſe rauſchten zum Ab- ſchied. Wie einander umarmend, bey einem ſchleunigen Mar- ſche An den Ecken der Straßen die Krieger und Maͤgde ſich letzen, Ewige Treue ſich ſchwoͤren, und harte Faͤuſte ſich druͤcken: Alſo ſuchten ſich auch die beyden Verliebten zu troͤſten. Doch die ſilberne Schelle der Graͤfin erklinget; die Zofe Trocknet die Augen ſich ab, und legt die Lippen in Fal- ten. Schon hat ihr plumper Amant ſie aus dem Geſichte verlohren Und geht hin, und vergißt ſie darauf bey der dampfen- den Pfeife.
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Der Phaeton. Zweyter Geſang.
Hannchen folget ihm nach, fuͤhrt ihn aus Fenſter, und
ſagte:
Welch ein verwegner Entſchluß! Die Graͤfin iſt nicht
zu bewegen,
Sie beharret voll Eigenſinn drauf, ſich ſelber zu fahren,
Und ich ſoll ſie begleiten! Ach bitte, theurer Geliebter,
Daß kein Ungluͤck uns trift; mein Herz weißaget mir
Boͤſes.
Da ergoſſen ſich Stroͤme von Thraͤnen, und Seufzer
erſchollen
Jn den hallenden Saal, und Kuͤſſe rauſchten zum Ab-
ſchied.
Wie einander umarmend, bey einem ſchleunigen Mar-
ſche
An den Ecken der Straßen die Krieger und Maͤgde ſich
letzen,
Ewige Treue ſich ſchwoͤren, und harte Faͤuſte ſich druͤcken:
Alſo ſuchten ſich auch die beyden Verliebten zu troͤſten.
Doch die ſilberne Schelle der Graͤfin erklinget; die Zofe
Trocknet die Augen ſich ab, und legt die Lippen in Fal-
ten.
Schon hat ihr plumper Amant ſie aus dem Geſichte
verlohren
Und geht hin, und vergißt ſie darauf bey der dampfen-
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/364>, abgerufen am 24.11.2024.
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