Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Erster Gesang.
Lager, und indem sie ihn, schaamhafterröthend, ge-
küßt, sagte sie: Schlafe sanft, edler Jüngling,
schlafe sanft! Kein fürchterlicher Traum müsse dich be-
unruhigen; kein altes Weib müsse dich küssen wollen,
noch ein finnichter Kerl mit einer großen gebährenden
Nase dir erscheinen. Falle nicht herunter vom Thurm,
und ertrinke nicht im schilfichten See! Jch, Phöbe-
Diana, habe dich zu meinem Liebling erkohren. Und
wie sollte ich es nicht thun, da du oft mit verliebten
Augen zu ganzen Stunden auf meinem Antlitz gehan-
gen, und deine keusche Liebe niemanden gewidmet hast,
als mir. Darum sollen auch immer die süßesten
Träume dein Lager umflattern. Ueber zwölffußbreite
Graben sollst du hinwegspringen, oder alle deine Ge-
fährten im Laufe zurücklassen. Tausendmal hinterein-
ander soll der Federball von deinen Schlägen durch die
Luft fliegen, und ein achtfaches Entrechas soll dich über
den Boden erheben. Du sollst auf dem Bucephalus

sitzen,
Y

Erſter Geſang.
Lager, und indem ſie ihn, ſchaamhafterroͤthend, ge-
kuͤßt, ſagte ſie: Schlafe ſanft, edler Juͤngling,
ſchlafe ſanft! Kein fuͤrchterlicher Traum muͤſſe dich be-
unruhigen; kein altes Weib muͤſſe dich kuͤſſen wollen,
noch ein finnichter Kerl mit einer großen gebaͤhrenden
Naſe dir erſcheinen. Falle nicht herunter vom Thurm,
und ertrinke nicht im ſchilfichten See! Jch, Phoͤbe-
Diana, habe dich zu meinem Liebling erkohren. Und
wie ſollte ich es nicht thun, da du oft mit verliebten
Augen zu ganzen Stunden auf meinem Antlitz gehan-
gen, und deine keuſche Liebe niemanden gewidmet haſt,
als mir. Darum ſollen auch immer die ſuͤßeſten
Traͤume dein Lager umflattern. Ueber zwoͤlffußbreite
Graben ſollſt du hinwegſpringen, oder alle deine Ge-
faͤhrten im Laufe zuruͤcklaſſen. Tauſendmal hinterein-
ander ſoll der Federball von deinen Schlaͤgen durch die
Luft fliegen, und ein achtfaches Entrechas ſoll dich uͤber
den Boden erheben. Du ſollſt auf dem Bucephalus

ſitzen,
Y
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0401" n="337"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Lager, und indem &#x017F;ie ihn, &#x017F;chaamhafterro&#x0364;thend, ge-<lb/>
ku&#x0364;ßt, &#x017F;agte &#x017F;ie: Schlafe &#x017F;anft, edler Ju&#x0364;ngling,<lb/>
&#x017F;chlafe &#x017F;anft! Kein fu&#x0364;rchterlicher Traum mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e dich be-<lb/>
unruhigen; kein altes Weib mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e dich ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wollen,<lb/>
noch ein finnichter Kerl mit einer großen geba&#x0364;hrenden<lb/>
Na&#x017F;e dir er&#x017F;cheinen. Falle nicht herunter vom Thurm,<lb/>
und ertrinke nicht im &#x017F;chilfichten See! Jch, Pho&#x0364;be-<lb/>
Diana, habe dich zu meinem Liebling erkohren. Und<lb/>
wie &#x017F;ollte ich es nicht thun, da du oft mit verliebten<lb/>
Augen zu ganzen Stunden auf meinem Antlitz gehan-<lb/>
gen, und deine keu&#x017F;che Liebe niemanden gewidmet ha&#x017F;t,<lb/>
als mir. Darum &#x017F;ollen auch immer die &#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;ten<lb/>
Tra&#x0364;ume dein Lager umflattern. Ueber zwo&#x0364;lffußbreite<lb/>
Graben &#x017F;oll&#x017F;t du hinweg&#x017F;pringen, oder alle deine Ge-<lb/>
fa&#x0364;hrten im Laufe zuru&#x0364;ckla&#x017F;&#x017F;en. Tau&#x017F;endmal hinterein-<lb/>
ander &#x017F;oll der Federball von deinen Schla&#x0364;gen durch die<lb/>
Luft fliegen, und ein achtfaches Entrechas &#x017F;oll dich u&#x0364;ber<lb/>
den Boden erheben. Du &#x017F;oll&#x017F;t auf dem Bucephalus<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;itzen,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0401] Erſter Geſang. Lager, und indem ſie ihn, ſchaamhafterroͤthend, ge- kuͤßt, ſagte ſie: Schlafe ſanft, edler Juͤngling, ſchlafe ſanft! Kein fuͤrchterlicher Traum muͤſſe dich be- unruhigen; kein altes Weib muͤſſe dich kuͤſſen wollen, noch ein finnichter Kerl mit einer großen gebaͤhrenden Naſe dir erſcheinen. Falle nicht herunter vom Thurm, und ertrinke nicht im ſchilfichten See! Jch, Phoͤbe- Diana, habe dich zu meinem Liebling erkohren. Und wie ſollte ich es nicht thun, da du oft mit verliebten Augen zu ganzen Stunden auf meinem Antlitz gehan- gen, und deine keuſche Liebe niemanden gewidmet haſt, als mir. Darum ſollen auch immer die ſuͤßeſten Traͤume dein Lager umflattern. Ueber zwoͤlffußbreite Graben ſollſt du hinwegſpringen, oder alle deine Ge- faͤhrten im Laufe zuruͤcklaſſen. Tauſendmal hinterein- ander ſoll der Federball von deinen Schlaͤgen durch die Luft fliegen, und ein achtfaches Entrechas ſoll dich uͤber den Boden erheben. Du ſollſt auf dem Bucephalus ſitzen, Y

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/401
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/401>, abgerufen am 21.11.2024.