Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Das Schnupftuch.
Sieht zu, ob auch dadurch die holde Miene leidet,
Und freut sich, daß sie auch die Krankheit artig kleidet.

Der Mittag herrschte schon, die Essenszeit war
nah;
Dem Rathsherrn hungerte, und hungrig sagt er Ja.
Was Schmausern riechbar war, das war nun schon
gerochen;
Was zu bestechen war, das war nun schon bestochen;
Clienten kamen leer aus ihres Anwalds Haus;
Der Räuber gieng zum Strick, der Richter auf den
Schmauß;
Die fette Gans ward braun; Schmarotzer liefen schnel-
ler,
Und folgeten entzückt der Harmonie der Teller;
Als Frau von Lins einmal nach ihrer Tochter sah.
Sie war die beste Frau, die gnädigste Mama;
Sie liebte selbst sich noch in ihrem schönen Kinde;
Jhr Hund war ihr sehr lieb, doch lieber noch Belinde.
Wie sehr erschrack sie nicht, da sie ins Zimmer trat,
Und

Das Schnupftuch.
Sieht zu, ob auch dadurch die holde Miene leidet,
Und freut ſich, daß ſie auch die Krankheit artig kleidet.

Der Mittag herrſchte ſchon, die Eſſenszeit war
nah;
Dem Rathsherrn hungerte, und hungrig ſagt er Ja.
Was Schmauſern riechbar war, das war nun ſchon
gerochen;
Was zu beſtechen war, das war nun ſchon beſtochen;
Clienten kamen leer aus ihres Anwalds Haus;
Der Raͤuber gieng zum Strick, der Richter auf den
Schmauß;
Die fette Gans ward braun; Schmarotzer liefen ſchnel-
ler,
Und folgeten entzuͤckt der Harmonie der Teller;
Als Frau von Lins einmal nach ihrer Tochter ſah.
Sie war die beſte Frau, die gnaͤdigſte Mama;
Sie liebte ſelbſt ſich noch in ihrem ſchoͤnen Kinde;
Jhr Hund war ihr ſehr lieb, doch lieber noch Belinde.
Wie ſehr erſchrack ſie nicht, da ſie ins Zimmer trat,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="17">
              <pb facs="#f0058" n="50"/>
              <fw place="top" type="header">Das Schnupftuch.</fw><lb/>
              <l>Sieht zu, ob auch dadurch die holde Miene leidet,</l><lb/>
              <l>Und freut &#x017F;ich, daß &#x017F;ie auch die Krankheit artig kleidet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>Der Mittag herr&#x017F;chte &#x017F;chon, die E&#x017F;&#x017F;enszeit war</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">nah;</hi> </l><lb/>
              <l>Dem Rathsherrn hungerte, und hungrig &#x017F;agt er Ja.</l><lb/>
              <l>Was Schmau&#x017F;ern riechbar war, das war nun &#x017F;chon</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">gerochen;</hi> </l><lb/>
              <l>Was zu be&#x017F;techen war, das war nun &#x017F;chon be&#x017F;tochen;</l><lb/>
              <l>Clienten kamen leer aus ihres Anwalds Haus;</l><lb/>
              <l>Der Ra&#x0364;uber gieng zum Strick, der Richter auf den</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Schmauß;</hi> </l><lb/>
              <l>Die fette Gans ward braun; Schmarotzer liefen &#x017F;chnel-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ler,</hi> </l><lb/>
              <l>Und folgeten entzu&#x0364;ckt der Harmonie der Teller;</l><lb/>
              <l>Als Frau von Lins einmal nach ihrer Tochter &#x017F;ah.</l><lb/>
              <l>Sie war die be&#x017F;te Frau, die gna&#x0364;dig&#x017F;te Mama;</l><lb/>
              <l>Sie liebte &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich noch in ihrem &#x017F;cho&#x0364;nen Kinde;</l><lb/>
              <l>Jhr Hund war ihr &#x017F;ehr lieb, doch lieber noch Belinde.</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;ehr er&#x017F;chrack &#x017F;ie nicht, da &#x017F;ie ins Zimmer trat,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0058] Das Schnupftuch. Sieht zu, ob auch dadurch die holde Miene leidet, Und freut ſich, daß ſie auch die Krankheit artig kleidet. Der Mittag herrſchte ſchon, die Eſſenszeit war nah; Dem Rathsherrn hungerte, und hungrig ſagt er Ja. Was Schmauſern riechbar war, das war nun ſchon gerochen; Was zu beſtechen war, das war nun ſchon beſtochen; Clienten kamen leer aus ihres Anwalds Haus; Der Raͤuber gieng zum Strick, der Richter auf den Schmauß; Die fette Gans ward braun; Schmarotzer liefen ſchnel- ler, Und folgeten entzuͤckt der Harmonie der Teller; Als Frau von Lins einmal nach ihrer Tochter ſah. Sie war die beſte Frau, die gnaͤdigſte Mama; Sie liebte ſelbſt ſich noch in ihrem ſchoͤnen Kinde; Jhr Hund war ihr ſehr lieb, doch lieber noch Belinde. Wie ſehr erſchrack ſie nicht, da ſie ins Zimmer trat, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/58
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/58>, abgerufen am 21.11.2024.