Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].Das Schnupftuch. Dritter Gesang. Und du, gebeugter Graf, was thatest du inzwischen? Du wirst gen Himmel sehn, die nassen Augen wischen; Sprichst etwa tiefgelehrt von Lieb und Schmerz und Haß; Schimpfst auf den Wankelmuth, fluchst, oder pfeifst et- was. Unfehlbar sitzest du vergraben in Gedanken; Wirst auf die Untreu schmähn, und mit den Sternen zanken; Dies alles that er nicht. Die Miene des Gesichts Schien wichtig, tief, und klug; allein was dacht er? Nichts. So denkt ein Domherr nichts, der Verse lesen höret, Und wichtig lächelnd dann sein volles Weinglas leeret; Auf einmal breitet sich die Hofnung zu dem Schmaus, Und Ruh, und schwerer Spas, auf seinen Wangen aus. O Graf, D 5
Das Schnupftuch. Dritter Geſang. Und du, gebeugter Graf, was thateſt du inzwiſchen? Du wirſt gen Himmel ſehn, die naſſen Augen wiſchen; Sprichſt etwa tiefgelehrt von Lieb und Schmerz und Haß; Schimpfſt auf den Wankelmuth, fluchſt, oder pfeifſt et- was. Unfehlbar ſitzeſt du vergraben in Gedanken; Wirſt auf die Untreu ſchmaͤhn, und mit den Sternen zanken; Dies alles that er nicht. Die Miene des Geſichts Schien wichtig, tief, und klug; allein was dacht er? Nichts. So denkt ein Domherr nichts, der Verſe leſen hoͤret, Und wichtig laͤchelnd dann ſein volles Weinglas leeret; Auf einmal breitet ſich die Hofnung zu dem Schmaus, Und Ruh, und ſchwerer Spas, auf ſeinen Wangen aus. O Graf, D 5
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Das Schnupftuch.
Dritter Geſang.
Und du, gebeugter Graf, was thateſt du inzwiſchen?
Du wirſt gen Himmel ſehn, die naſſen Augen wiſchen;
Sprichſt etwa tiefgelehrt von Lieb und Schmerz und
Haß;
Schimpfſt auf den Wankelmuth, fluchſt, oder pfeifſt et-
was.
Unfehlbar ſitzeſt du vergraben in Gedanken;
Wirſt auf die Untreu ſchmaͤhn, und mit den Sternen
zanken;
Dies alles that er nicht. Die Miene des Geſichts
Schien wichtig, tief, und klug; allein was dacht er?
Nichts.
So denkt ein Domherr nichts, der Verſe leſen hoͤret,
Und wichtig laͤchelnd dann ſein volles Weinglas leeret;
Auf einmal breitet ſich die Hofnung zu dem Schmaus,
Und Ruh, und ſchwerer Spas, auf ſeinen Wangen aus.
O Graf,
D 5
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