Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Oder sie irren herum in bunten Blumengefilden,Und beschauen die Pracht von so viel wechselnden Far- ben, Welche die gütge Natur auf alle Geschlechter verschüt- tet. Jetzo bricht er für sie die jüngste thauigte Rose, Die er lächelnd ihr reicht; ihr ganzes Auge wird Him- mel, Und sie steckt sie sogleich vor ihren wallenden Busen. O! wie dankbar lehnt sie sich nicht mit redenden Bli- cken An ihn an, und sagt ihm schweigend die feurigste Lie- be! Und wie verfinstert wird nicht ihr holdes Auge, wofern ihn Häusliche Sorgen ihr rauben, und er auf muthigem Rosse Ferne Fluren besucht, und seine Schnitter ermuntert! Lange sieht sie ihm nach, bis ihn die krümmenden Thäler Jhren Blicken entziehn. Dann kehrt sie ernster zurücke, Und ihr hoffendes Herz denkt nichts, als seine Zurück- kunft. So verstreicht dem Landmann der Morgen in schuldlosen Freuden; Nicht
Der Morgen. Oder ſie irren herum in bunten Blumengefilden,Und beſchauen die Pracht von ſo viel wechſelnden Far- ben, Welche die guͤtge Natur auf alle Geſchlechter verſchuͤt- tet. Jetzo bricht er fuͤr ſie die juͤngſte thauigte Roſe, Die er laͤchelnd ihr reicht; ihr ganzes Auge wird Him- mel, Und ſie ſteckt ſie ſogleich vor ihren wallenden Buſen. O! wie dankbar lehnt ſie ſich nicht mit redenden Bli- cken An ihn an, und ſagt ihm ſchweigend die feurigſte Lie- be! Und wie verfinſtert wird nicht ihr holdes Auge, wofern ihn Haͤusliche Sorgen ihr rauben, und er auf muthigem Roſſe Ferne Fluren beſucht, und ſeine Schnitter ermuntert! Lange ſieht ſie ihm nach, bis ihn die kruͤmmenden Thaͤler Jhren Blicken entziehn. Dann kehrt ſie ernſter zuruͤcke, Und ihr hoffendes Herz denkt nichts, als ſeine Zuruͤck- kunft. So verſtreicht dem Landmann der Morgen in ſchuldloſen Freuden; Nicht
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Der Morgen.
Oder ſie irren herum in bunten Blumengefilden,
Und beſchauen die Pracht von ſo viel wechſelnden Far-
ben,
Welche die guͤtge Natur auf alle Geſchlechter verſchuͤt-
tet.
Jetzo bricht er fuͤr ſie die juͤngſte thauigte Roſe,
Die er laͤchelnd ihr reicht; ihr ganzes Auge wird Him-
mel,
Und ſie ſteckt ſie ſogleich vor ihren wallenden Buſen.
O! wie dankbar lehnt ſie ſich nicht mit redenden Bli-
cken
An ihn an, und ſagt ihm ſchweigend die feurigſte Lie-
be!
Und wie verfinſtert wird nicht ihr holdes Auge, wofern
ihn
Haͤusliche Sorgen ihr rauben, und er auf muthigem
Roſſe
Ferne Fluren beſucht, und ſeine Schnitter ermuntert!
Lange ſieht ſie ihm nach, bis ihn die kruͤmmenden
Thaͤler
Jhren Blicken entziehn. Dann kehrt ſie ernſter zuruͤcke,
Und ihr hoffendes Herz denkt nichts, als ſeine Zuruͤck-
kunft.
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