Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Und im rinnenden Blut die himmlische Schönheit sichbaden? Jhre Thränen verdienen zu sehr die Verschonung des Anblicks Eines ängstlich sterbenden Thiers! O gebt sie dem Jüng- ling Jn den liebenden Arm mit unverdorbenem Herzen! Welche Sanftmuth wird einst, von zärtlichem Mitleid erhöhet, Die gleichfühlende Brust ihr ähnlicher Kinder beleben! Jetzo nahn sich die Pferde der Sonne den Krei- sen des Mittags, Und der Höfling erwacht, und die Dame. Von ge- strigen Festen Ganz noch berauscht, erheben sie sich, und taumeln er- mattet, Unbekümmert, wie lange bereits der Morgen gestralet, An die Tafel, wo sie der Levante Getränke beseelet. Unmuth folget ihr nach; und fibrische Todtenblässe Decket die Wangen, von denen zu bald ihr Frühling geflohen. Kopfweh, vom Weine gezeugt, schwebt über dem mür- rischen Jüngling, Und peitscht seine schwellenden Schläfe mit grimmigen Geisseln. Er
Der Morgen. Und im rinnenden Blut die himmliſche Schoͤnheit ſichbaden? Jhre Thraͤnen verdienen zu ſehr die Verſchonung des Anblicks Eines aͤngſtlich ſterbenden Thiers! O gebt ſie dem Juͤng- ling Jn den liebenden Arm mit unverdorbenem Herzen! Welche Sanftmuth wird einſt, von zaͤrtlichem Mitleid erhoͤhet, Die gleichfuͤhlende Bruſt ihr aͤhnlicher Kinder beleben! Jetzo nahn ſich die Pferde der Sonne den Krei- ſen des Mittags, Und der Hoͤfling erwacht, und die Dame. Von ge- ſtrigen Feſten Ganz noch berauſcht, erheben ſie ſich, und taumeln er- mattet, Unbekuͤmmert, wie lange bereits der Morgen geſtralet, An die Tafel, wo ſie der Levante Getraͤnke beſeelet. Unmuth folget ihr nach; und fibriſche Todtenblaͤſſe Decket die Wangen, von denen zu bald ihr Fruͤhling geflohen. Kopfweh, vom Weine gezeugt, ſchwebt uͤber dem muͤr- riſchen Juͤngling, Und peitſcht ſeine ſchwellenden Schlaͤfe mit grimmigen Geiſſeln. Er
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Der Morgen.
Und im rinnenden Blut die himmliſche Schoͤnheit ſich
baden?
Jhre Thraͤnen verdienen zu ſehr die Verſchonung des
Anblicks
Eines aͤngſtlich ſterbenden Thiers! O gebt ſie dem Juͤng-
ling
Jn den liebenden Arm mit unverdorbenem Herzen!
Welche Sanftmuth wird einſt, von zaͤrtlichem Mitleid
erhoͤhet,
Die gleichfuͤhlende Bruſt ihr aͤhnlicher Kinder beleben!
Jetzo nahn ſich die Pferde der Sonne den Krei-
ſen des Mittags,
Und der Hoͤfling erwacht, und die Dame. Von ge-
ſtrigen Feſten
Ganz noch berauſcht, erheben ſie ſich, und taumeln er-
mattet,
Unbekuͤmmert, wie lange bereits der Morgen geſtralet,
An die Tafel, wo ſie der Levante Getraͤnke beſeelet.
Unmuth folget ihr nach; und fibriſche Todtenblaͤſſe
Decket die Wangen, von denen zu bald ihr Fruͤhling
geflohen.
Kopfweh, vom Weine gezeugt, ſchwebt uͤber dem muͤr-
riſchen Juͤngling,
Und peitſcht ſeine ſchwellenden Schlaͤfe mit grimmigen
Geiſſeln.
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Zitationshilfe: | Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/42>, abgerufen am 27.07.2024. |